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DER EDLE ACHTFACHE PFAD
 

Ein Vortrag von

Ingrid Johnen

 

Eine Pagode.
Eine der ungezählten Pagoden in Burma.

 

Ausgangspunkt ist das Erkennen und Wissen um die vier edlen Wahrheiten (ariya-sacca), die allen Buddhistischen Ausrichtungen/Schulen zugrunde liegen.

    • die Wahrheit vom Leiden, (dukkha)
    • von der Leidensentstehung, (dukkhasamudāya)
    • der Leidenserlöschung, (dukkhanirodha)
    • der zur Leidenserlöschung führende Achtfache Pfad, (dukkhanirodhagāminī patipadā)

Die erste Wahrheit, die Wahrheit vom Leiden, von der Unzulänglichkeit lehrt, dass alles Dasein unbefriedigend und dem Leiden unterworfen ist. Dies ist zu durchschauen. (Dukkha Sacca)
Die zweite Wahrheit ist die  Wahrheit von der Ursache des Leidens: Die Ursachen des Leidens sind Gier, Hass und Verblendung. Sie sind zu überwinden. (Samudāya Sacca)
Die dritte Wahrheit ist die Wahrheit von der Aufhebung des Leidens: Erlöschen die Ursachen, erlischt das Leiden. Dies ist zu verwirklichen. (Nirodha Sacca)
Die vierte Wahrheit gibt an, wie man die endgültige Leidenserlöschung erreichen kann. Hierbei handelt es sich um den edlen Achtfachen Pfad. Er ist zu gehen. (Magga Sacca)

Der Edle Achtfache Pfad:
Der Edle Achtfache Pfad ist der Weg, der uns zur eigenen entgültigen Leiderlösung führen kann. Er ist die letzte der vier edlen Wahrheiten und ein Teil der 37 erforderlichen Dinge zur Erleuchtung (bodhipakkhiyadhamma).
Der Begriff "Edler Achtfacher Pfad" setzt sich aus Edel, Acht, Fach und Pfad zusammen.
Edel bedeutet; von hoher, wertvoller Qualität.

Die Acht ist nicht nur eine Zahl (Anzahl), sondern man findet das Wort Acht auch in den Begriffen wie z. Bsp. "sich in Acht nehmen" vorsichtig sein, mit etwas behutsam umgehen oder "nicht außer Acht lassen". Weiterhin "Acht geben, Acht haben" was soviel bedeutet wie; die Aufmerksamkeit auf etwas richten. In diesem Fall bedeutet dies, dass der Achtfache Pfad mit Achtsamkeit beschritten werden sollte. Ohne Achtsamkeit ist keines der Glieder des achtfachen, "achtsamen" Pfades zu üben und zu verwirklichen.
Das Wort "Fach" bedeutet unter anderem: Unterteilung, etwas in Fächer unterteilen.
Das Wort Pfad, wird im deutschen als "schmaler Weg" definiert. Auf den edlen achtfachen Pfad übertragen, kann man es so verstehen: Ein schmaler Weg/Pfad ist nicht so bequem wie zum Beispiel eine breite Asphaltstraße. Er ist mühsamer zu begehen und es ist mit mehr Anstrengungen verbunden. Auch sollte man Achtsam sein um nicht "daneben" zu treten und vom Weg abzukommen.

Der edle achtfache Pfad setzt sich zusammen aus: rechte Erkenntnis (Sammā Diṭṭhi), rechte Gesinnung (Sammā Saṅkappa), rechtes Reden (Sammā Vācā), rechtes Tun (Sammā Kammanta), rechte Lebensführung (Samā Ājīva), rechte Anstrengung (Sammā Vāyāma) rechte Achtsamkeit (Sammā Sati), rechte Geistessammlung (Sammā Samādhi).

Ich denke, dass der achtfache Pfad nicht als ein geradeaus laufender Pfad/Weg, auf dem eines nach dem anderen "abgearbeitet" wird anzusehen ist, sondern eher wie ein Fächer, da die einzelnen Glieder/Fächer nicht nacheinander, sondern miteinander, interaktiv praktiziert werden. Eines entsteht immer wieder aus dem Anderen, aber alle gemeinsam führen zu einem Ziel.
Bei einem Fächer sind alle Fächerabschnitte miteinander verbunden. Je nachdem wie weit man ihn ausklappt, kommen die einzelnen Elemente/Fächer zum Vorschein.
Auch beim achtfachen Pfad sind nicht alle Pfadglieder immer gleichermaßen präsent. Mal überwiegt das eine, mal das andere und manchmal ist alles gleichzeitig vorhanden. Alle Fächerelemente laufen unten an einem Punkt, dem Ziel zusammen, vereinigen sich dort zu einem Ganzen, zu einem Ergebnis.

Gehen wir nun einmal näher auf die einzelnen Pfad - Glieder ein:

Rechte Erkenntnis bedeutet: die vier edlen Wahrheiten verstehen: das Leiden, den Ursprung des Leidens, das Ende des Leidens und den zum Ende des Leidens führenden Pfad.
Was aber ist das Leiden, der Ursprung des Leidens und das Ende des Leidens?
Leiden entsteht durch Leiden-schaft. Wie das Wort schon sagt, Leidenschaft schafft Leiden. Leidenschaften beinhalten unter Anderem "Etwas haben wollen", Etwas begehren, Etwas behalten/erhalten wollen. Es ist die Gier nach etwas. Die stärkste Gier ist die Lust.
Nehmen wir ein Beispiel:
Man ist, wie häufig in unserer heutigen Gesellschaft anzutreffen, "Single". Man möchte aber nicht mehr alleine bleiben, da der Leidensdruck der Einsamkeit und das Fehlen von Intimität mit einem Partner zu groß geworden sind. Das erste mal Leiden.
Man begibt sich auf die Suche. Man geht in Discos, auf Veranstaltungen, gibt vielleicht sogar Kontaktanzeigen auf. Man trifft einige Leute, macht "Dates". Die Enttäuschung wird immer größer, da meist das passende nicht auf Anhieb dabei ist. Das 2. mal Leiden.

Jetzt trifft man auf jemanden, in den man sich mächtig verliebt. Welch Freude kann man jetzt denken.  Pustekuchen!  Jetzt geht es erst richtig los. Man rennt ums Telefon. Ruft er sie/er an oder nicht. Man stellt sich Fragen wie: Gefalle ich dem anderen? Bin ich nicht zu dick, zu dumm, zu groß zu klein usw. Meint er/sie es ernst mit mir? Usw. usw.  Das 3. mal Leiden.

Geht man jetzt davon aus, dass es bei beiden gefunkt hat und beide sich "Ewige Liebe" geschworen haben, sollte man nun meinen: Jetzt bricht eine schöne Zeit voller Freude und vollkommenen Glücks an. Genau das habe man ja gewollt. Wieder Pustekuchen. Man ist verblendet vom Rausch des angeblichen Glücks. Den ganzen Tag leidet man unter der Trennung von dem anderen. Man will immer! zusammen sein. Man will permanent genießen. Man will jede glückliche Minute behalten, das Glücksgefühl des Zusammenseins so schnell wie möglich wieder haben. Den ganzen Tag leidet man unter dem Getrenntsein von dem anderen, ja man hasst oft sogar die Zeit des getrennt seins. Das 4. mal Leiden.

Hinzu kommt die Eifersucht. Die Eifersucht auf andere Menschen, die gerade mit dem Partner zusammen sind, während man von ihm getrennt ist. Die Eifersucht auf Hobbys und Interessen des Partners. Schließlich geht diese Zeit, die er damit verbringt auch von der gemeinsamen Zeit ab, in der man glücklich sein könnte. Das 5.  mal Leiden.

Während aller Phasen kämpft man dann auch noch gegen Verlustängste an. Wird mein Partner mich irgendwann verlassen. Was ist wenn er krank wird? Was ist wenn er vor mir stirbt? Zum 6. mal Leiden.

Bis hierhin also schon 6 mal Leiden, bei einer Sache von der man sich doch nur Glück erhofft hat. Man könnte jetzt, bei diesem Beispiel bleibend, noch eine ganze Zeit so weitermachen. Dieses Beispiel kann man mit jedem X-beliebigen Beispiel austauschen, was irgendwie mit Haben-Wollen, Begehren, Ego, Leiden-schaften, zu tun hat und das ist fast alles in unserem Leben. Ob es jetzt das viel zu teure Auto ist was man haben will oder die höhere Position auf der Arbeitsstelle, das neue Paar Schuhe, eine Sammelleidenschaft usw.
Diese Leiden-schaften, Begierden aber halten unser Lebensrad in Gang und führen immer und immer wieder zu neuem Leiden.

Worin liegt aber jetzt die Ursache, die Wurzel des Leidens?
Der Ursprung liegt in Gier, Hass und Verblendung/Täuschungen. Erkennt man die Wurzeln allen Leidens und schafft man es sie zu eliminieren, auszurotten, wird die Ursache des Leidens und somit das Leiden selbst beseitigt sein.
Rechte Erkenntnis bedeutet also unter anderem, das Erkennen und das Wissen um die Leiden erzeugenden Wurzeln, aber auch das Erkennen und Wissen um die Ursachen/Wurzeln die zur Leidensauflösung führen können. Diese Wurzeln sind Gierlosigkeit, Hasslosigkeit, keinen Verblendungen mehr anheim fallen und das Erkennen des Pfades der zur Auflösung allen Leidens führen kann.

Wie kann man aber das Wissen um diese Dinge erlangen? Wissen kann man auf drei Arten erlangen. Da gibt es das

  • auf Nachdenken beruhendes Wissen (cinta-mayā paññā). Es ist das Wissen, das man ohne es von anderen gehört oder gelesen zu haben durch eigenes Nachdenken erlangt hat.
  • auf Erlernen beruhendes Wissen (suta-mayā paññā). Dieses Wissen erlangt man durch lesen und hören von Anderen.
  • auf Geistesentfaltung beruhendes Wissen (bhāvanā-mayā paññā). Dieses Wissen erlangt man in der Sammlung/Meditation.

Meines Erachtens kann man vollkommenes und allumfassendes Wissen aber nur in der Kombination aller drei Arten erlangen.
Hört sich alles erst einmal recht einfach an, aber "Erkennen, Einsicht und daraus entstehendes Wissen, Weisheit", umfasst ein recht weites Gebiet und spielt sich zu einem großen Teil auf der meditativen geistigen und feinstofflichen Ebene ab.
Das heisst, bei dem zum achtfachen Erlösungspfad gehörenden Wissen handelt es sich zumeist um das Hellblickwissen (vipassanā-paññā).
Dies bedeutet, dass es sich hierbei um die vorbereitende und bewirkende Durchschauung aller Daseinsgebilde als vergänglich (anicca), leidvoll (dukkha) und unpersönlich (anattā) handelt, was aber eine gewisse Übung und Konditionierung voraussetzt. Diese Durchschauung/Erkenntnis gilt auch als Voraussetzung zum Eintritt in die vier Stufen der Heiligkeit, die da sind:

      • der Stromeingetretene (sotāpanna),
      • der Einmalwiederkehrende (sakadāgāmi),
      • der Nichtwiederkehrende (anāgami),
      • der Heilige (arahat).

Je mehr Wissen/Weisheit in einem aufsteigt, desto mehr entwickelt sich Rechte Gesinnung.

Rechte Gesinnung
bedeutet: Keine Begehrlichkeiten und Leidenschaften mehr in sich erzeugen, kein Übelwollen hegen, kein Leid verursachen wollen. Es ist eine Gesinnung frei von Sinnenlust, Hass und Grausamkeit. Rechte Gesinnung entwickelt sich parallel zu den gewonnenen Erkenntnissen.
Denn je mehr man erkennt, wie denn alles funktioniert, die Erkenntnis von Ursache und Wirkung, die Erkenntnis vom bedingten Entstehen usw. desto mehr löst man sich von allen unheilvollen Gedanken und Handlungen und entwickelt "Rechte Gesinnung". Ein deutsches Sprichwort drückt dies sehr deutlich aus: "Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung."

"Rechte Erkenntnis" und "Rechte Gesinnung" kann man unter dem Oberbegriff Einsicht (paññā) zusammenfassen.

Die nächsten 3 Glieder; Rechte Rede, Rechtes Tun und Rechte Lebensführung befassen sich mit der Sittlichkeit (sīla).

Rechtes Reden
bedeutet: Nicht lügen, keine üble Nachrede führen, keine rohen Worte gebrauchen und nicht unnütz schwatzen.

Rechtes Tun
bedeutet: Kein Leben zerstören, nichts nehmen, was nicht (freiwillig) gegeben wird, keinen unkeuschen Lebenswandel führen.

Rechte Lebensführung
bedeutet: Falsche, karmisch unheilsame Lebensführung meiden und heilsame Dinge in sich entstehen lassen und erhalten. Falsche Lebensführung ist zum Beispiel: Unaufrichtigkeit, Verrat, Verdächtigung, Aushorchen, Wucher; ferner Handel mit Waffen, mit lebenden Wesen, mit Fleisch, mit berauschenden Getränken und mit Gift.
Auf diesen drei Gliedern basieren die Sīlas1, die sittlichen Übungsregeln für Laien und Mönche. Für Laien gelten fünf Sīlas. Sie lauten:

  • Kein Lebewesen töten oder verletzen.
  • Nichts nehmen was nicht (freiwillig) gegeben wird.
  • Keine unheilsamen sexuellen Beziehungen pflegen.
  • Nicht lügen oder unheilsam reden und kein unnutzes Geschwätz führen.
  • Sich nicht durch berauschende Mittel, die Unachtsamkeit verursachen das Bewusstsein trüben

Wer den achtfachen Pfad gewissenhaft praktiziert, gewinnt dadurch immer wieder eigene "neue" Erkenntnisse, immer mehr Weisheit und wird meines Erachtens die fünf Sīlas für Laien automatisch für sich erweitern um mehr Geistesruhe zu erlangen. Mehr Geistesruhe kann man erlangen durch: Völlige sexuelle Enthaltsamkeit, ergänzend zum 3. sīla und Sinnenzügelung in Form von Verzicht auf zerstreuende Unterhaltung, Tanzen, Singen, Musik oder Spiele. Also Verzicht auf alle Dinge die den Geist am meisten ablenken und "fesseln". Die Dinge die immer wieder neues Begehren, "Haben wollen" in einem wecken und unweigerlich zu der damit verbundenen "Unruhe" führen.
Geistesruhe ist aber eine Voraussetzung um die nächsten 3 Glieder des Edlen Achtfachen Pfades; 

Rechte Anstrengung, Rechte Achtsamkeit und Rechte Geistessammlung erfolgreich zu praktizieren.
Zusammenfassen kann man diese 3 Glieder unter dem Oberbegriff; Sammlung (samādhi).
Samādhi bedeutet "Versenkung, Konzentration, Andacht, Meditation" und sollte einhergehen mit samatha(Gemütsruhe), die durch Achtsamkeit entsteht. Um Gemütsruhe, beziehungsweise innere Beruhigung (samatha) zu erlangen, ist es hilfreich sich in den Sīlas zu üben. Denn durch eine ethisch korekkte Lebensweise reduziert man störende Einflüsse und Ablenkungen des Geistes und macht so eine Meditation erst möglich. Dies erfordert aber unter Anderem Rechte Anstrengung.

Rechte Anstrengung
bedeutet: Mit aller Kraft seinen Geist konditionieren, um in sich den Willen zu erzeugen, keine bösen, unheilsamen Gedanken mehr aufkommen zu lassen, vorhandene böse, unheilsame Gedanken zu vertreiben, rechte Gedanken zu erwecken und, wenn sie da sind, zu stärken und zu mehren.

Rechte Anstrengung beinhaltet Die Vier Rechten Anstrengungen (sammā-padhāna), die auch ein Teil der 37 erforderlichen Dinge zur Erleuchtung sind.
Die Vier Rechten Anstrengungen sind:

      • Die Anstrengung zwecks Zügelung (saṃvāra-padhāna).

Diese Anstrengung dient der Zügelung oder Vermeidung aller unheilsamen Dinge wie zum Beispiel böse Gesinnung, üble Nachrede, lügen usw.

      • Die Anstrengung zwecks Überwindung (pahāna-padhāna).

Diese Anstrengung dient der Überwindung aller unheilsamen Dinge.

      • Die Anstrengung zwecks Entfaltung (bhāvanā-padhāna).

Sie dient der Entfaltung aller heilsamen Dinge, der Entfaltung der 7 Erleuchtungsglieder. (bojjhaṅga).

      • Die Anstrengung zwecks Erhaltung (anurakkhana-padhāna).

Diese Anstrengung dient der Erhaltung aller heilsamen Dinge.


Diese Anstrengungen setzen Willenskraft und Energie (viriya) voraus. Wie viel Anstrengung und Willenskraft auf dem edlen achtfachen Pfad vonnöten ist wird in dem Buch "Buddhistische Evangelien" von Karl Seidenstücker, wo er aus dem Pālikanon zitiert deutlich:
"Kämpfer, Kämpfer, so nennt man uns, o Herr. Inwiefern denn sind wir Kämpfer? Wir kämpfen um hohe Tugend, um hohe Erkenntnis, um hohe Geisteszucht - deshalb heißen wir Kämpfer. Die welche den Pfad beschreiten, sind Kriegern gleich, die mit zahlreichen Feinden hart kämpfen. Wohl gehen alle aus der Festung in voller Bewaffnung, aber unter ihnen sind einige zaghaft, einige treten auf halbem Wege den Rückzug an, einige werden in dem Handgemenge überwältigt, einige kehren heim als Sieger. Wenn ihr Erleuchtung erlangen wollt. müsst ihr standhaft eures Weges ziehen, entschlossenen Herzens, mutig, ohne Furcht, in welcher Umgebung ihr euch auch immer befindet und jeden üblen Einfluss, der euch begegnet müsst ihr (in euch) zerstören, denn nur so werdet ihr das Ziel erreichen."

Dieses Zitat sagt eigentlich alles aus und zeigt mit welcher Energie, Willenskraft, Mut und Tapferkeit rechte Anstrengung einhergeht. Willenskraft benötigt man auch für das nächste Glied des achtfachen Pfades, Rechte Achtsamkeit.

Rechte Achtsamkeit bedeutet: Eifrig, mit klarem Geist und besonnen den Körper, die Gefühle, die Gedanken und die Eigenschaften des Geistes achtsam zu betrachten.
Jemand, der achtsam ist, achtet stets wachsam auf die Absichten, die hinter seinen Gedanken stehen, und auf alle Aktivitäten seines Körpers. Achtsamkeit ist einer der essentiellen Ausgangspunkte der Meditation. Besser ausgedrückt, jederzeit und immerzu sollte man sich die Achtsamkeit vergegenwärtigen (sati + upaṭṭhāna). Man soll sich besinnen und sich die Besinnung vergegenwärtigen.
Was aber bedeutet "Achtsamkeit", bzw. "Besinnung", "sich auf etwas besinnen"? Es bedeutet, sich etwas ins Gedächtnis zurückzurufen, sich zu erinnern, im Gedächtnis zu behalten, Nicht-Vergesslichkeit, Nachsinnen. Dabei helfen die vier Grundlagen/Säulen der Achtsamkeit (sati = "Fähigkeit" und paṭṭhāna = "Errichten"). Sie beinhalten folgende Betrachtungen:

      • Die Betrachtung des Körperlichen (kāyānupassanā).

Bei der Betrachtung des Körperlichen erkennt man die Unvollkommenheit und Vergänglichkeit des Körpers und damit schwindet das An-Haften sowohl an der eigenen Körperlichkeit, das eigene Selbst bzw. Ich, als auch an anderen körperlichen Formen. Dadurch kann man frei von Angst und Furcht, einsichtiger, geduldiger und frei von Verblendungen werden.

      • Die Betrachtung der Gefühle (vedanānupassanā).

Beim Betrachten der Gefühle, wie sie entstehen und vergehen, wie sie sich, manchmal auch aus verschiedenen Teilen, aufbauen und sich dann wieder auflösen, kann man erkennen, dass alle Gefühle unbeständig sind. Auch in ihnen kann man kein eigenes bleibendes Selbst beziehungsweise Ich finden. Das Resultat ist, dass jegliche Anhaftung an Gefühle schwinden kann und man frei werden kann von Begierde, Zorn, ruheloses Nachgrübeln und Skepsis.

      • Die Betrachtung des Bewusstseins (cittānupassanā).

Bei dieser Betrachtung bemerkt und erkennt man die gerade vorhandenen Bewusstseinszustände. Ist das Bewusstsein gerade gierig oder gierlos, gehässig oder hasslos, verblendet oder unverblendet, gesammelt oder ungesammelt und so weiter.

      • Die Betrachtung der Geistesobjekte (dhammānupassanā).

Bei dieser Betrachtung kann man bemerken ob eine der fünf Hemmungen Sinnenlust, Übelwollen, Stumpfheit und Mattigkeit, Aufgeregtheit und Gewissensunruhe, skeptischer Zweifel anwesend ist oder nicht. Man kann bemerken wie sie entstehen, wie sie überwunden werden und wie sie künftig nicht mehr entstehen. Man kann auch zum Beispiel bemerken, ob eines der 7 Erleuchtungsglieder (bojjhaṅga) in einem vorhanden ist oder nicht.
Diese Meditationspraxis findet man ausführlich im Satipaṭṭhāna-Sutta beschrieben.

Außer in der Meditation kann (sollte) die Achtsamkeit bei jeder täglichen Verrichtung geübt und kultiviert werden. Wenn man spült, spült man. Wenn man telefoniert, telefoniert man. Man konzentriert sich auf eine Tätigkeit und macht sich bewusst, WAS man gerade in diesem Moment tut. Man konzentriert sich auf das Hier und Jetzt. Es wird keine Zerstreuung zugelassen, wie z.B. Telefonieren und Computerspielen gleichzeitig und obendrein läuft noch das Radio. Jede Handlung ist von Achtsamkeit geprägt. Bei jeder Tätigkeit können die vier Betrachtungen geübt werden. Achtsamkeit zu konditionieren, hat noch einen weiteren Nutzen. Da man alles mit Bedacht tut, ist es leichter, sich ethisch korrekt zu verhalten, was wieder zu einer Gemütsruhe führt, die auch Voraussetzung für Rechte Geistessammlung ist.

Rechte Geistessammlung

Man kann dieses Glied des achtfachen Pfades auch mit Rechter Vertiefung bezeichnen. Es handelt sich hierbei um die 1., 2., 3. und 4. Vertiefung.
Die Objekte der rechten Vertiefung sind die Vier Grundlagen der Achtsamkeit.

  • Achtsamkeit auf den Körper (kāyānupassanā)
  • Achtsamkeit auf die Gefühle (vedanānupassanā)
  • Achtsamkeit auf den Geist (cittānupassanā)
  • Achtsamkeit auf die Geistesobjekte (dhammānupassanā,)

Die Werkzeuge für die "Rechte Vertiefung" sind die; Vier Rechten Anstrengungen (sammā-padhāna)

  • Anstrengung der Sinnenzügelung (saṃvāra padhāna)
  • Anstrengung zur Überwindung (pahāna padhāna)
  • Anstrengung zur Entfaltung (bhāvanā padhāna)
  • Anstrengung zur Erhaltung (anurakkhana padhāna)

Des weiteren sind erforderlich für die "Rechte Vertiefung"; Die sieben Faktoren der Erleuchtung (bojjhaṅga)

  • Achtsamkeit (sati-sambojjhaṅga)
  • Ergründung von Gesetzmäßigkeiten (dhammavicaya-sambojjhaṅga)
  • Willenskraft, Anstrengung (viriya-sambojjhaṅga)
  • Verzückung, Freude (pīti-sambojjhaṅga)
  • Ruhe, Gestilltheit (passaddhi-sambojjhaṅga)
  • Sammlung, Konzentration (samādhi-sambojjhaṅga)
  • Gleichmut (upekkhā-sambojjhaṅga

Fassen wir zusammen: Wie schon am Anfang erwähnt, handelt es sich hier nicht um einen Pfad, wo einzelne "Stationen" nacheinander abgearbeitet werden.
Die ersten beiden Punkte "Rechte Erkenntnis" und "Rechte Gesinnung", die Einsicht voraussetzen, entwickeln sich meist erst nach und nach. Allerdings muss man sagen, dass Rechte Erkenntnis der wichtigste Bestandteil und die eigentliche Stütze aller Punkte des gesamten Pfades sind. Sie entwickelt sich ganz allmählich vom keimhaften Verständnis ab bis zum höchsten Hellblickwissen. Erkenntnis ist die unmittelbare Bedingung um die vier überweltlichen Stufen der Heiligkeit und das Nibbāna zu verwirklichen. Das heißt, Abwendung von allen vergänglichen, leidbehafteten Dingen und Loslösung von jeder vergänglichen Form und die Vernichtung der Gier nach immer wieder neuer Existenz. Einsicht erlangt man meist erst, indem man sich zuerst in den Sīlas, in der Sittlichkeit übt. Das heißt sich ethisch korrekt verhält.
Darunter gehören Punkt 3 "Rechte Rede", Punkt 4 "Rechte Tat" und Punkt 5 "Rechter Lebenserwerb", zusammengefasst zum Oberbegriff Sittlichkeit. Indem man sich in den Sīlas, Sittlichkeit übt, kann es erst zur eigenen Geistesruhe kommen. Geistesruhe bedeutet unter anderem, kein schlechtes Gewissen belastet den Geist. Der Geist kann zur Ruhe kommen und man legt den Grundstein, die Voraussetzung um sich in den folgenden Punkten zu üben.
Ohne Geistesruhe sind Punkt 6 "Rechte Anstrengung", Punkt 7 "Rechte Achtsamkeit" und Punkt 8 "Rechte Sammlung", zusammengefasst unter dem Oberbegriff Sammlung (samādhi) nicht möglich. Nur mit einem beruhigten Geist ist man in der Lage zu meditieren, zu lernen und dadurch immer mehr zu erkennen und zu verinnerlichen.
Erst wenn man diese Punkte kultiviert, steigt immer mehr Erkenntnis, Punkt 1 "Rechte Erkenntnis" und die damit einhergehende "Rechte Gesinnung" Punkt 2 auf. Diese beiden Punkte kann man zum Oberbegriff Einsicht/Weisheit (paññā) zusammenfassen.
Übt man den achtfachen Pfad entfalten sich auch alle weiteren 29 der 37 erforderlichen Dinge zur Erleuchtung. Siehe Saṃyutta Nikāya 45.155.
Um diesen Pfad zu beschreiten bedarf es viel Geduld mit sich selbst und Ausdauer. Denn eines darf man nicht vergessen: Wir alle sind Menschen mit mehr oder minder großen Fehlern und Schwächen. Indem man den Pfad beschreitet, wird man nicht von heute auf morgen ein andere, besserer Mensch und erlangt Erleuchtung. Es geht nur Schritt für Schritt und der Weg kann für manchen sehr lang und steinig werden. Manchmal muss man auch Umwege gehen, wenn bildlich gesprochen dicke Felsen zum Beispiel in der Meditation den Weg versperren. Auch muss es karmisch gerade passen, um gewisse Fortschritte erst machen zu können.
Hilfreich beim Üben des achtfachen Pfades kann es sein, wenn man sich seine eigenen Ziele definiert. Man kann sich, wenn man möchte, erst einmal kleinere "Nahziele" setzen.
Zum Beispiel, einen Tag lang sich ganz bewusst in "Rechter Rede" üben oder sich täglich eine bestimmte Zeit zum meditieren nehmen und so weiter.

Am Anfang steht unter anderem auch oft die Frage nach dem Beweis, dass der Übungs-Pfad auch wirklich "funktioniert".
Den endgültigen Beweis von außen wird, kann es nicht geben, da viele Erkenntnisse auch im "feinstofflichen Bereich", in der Meditation erlangt werden. Um diese Bereiche und Erkenntnisse aber zu beschreiben, fehlt es manchmal einfach an Worten und Ausdrücken in unserer Sprache. Des weiteren sind die Erlebnisse und das Empfinden so unterschiedlich wie es Menschen gibt. Sie sind abhängig von Charakter, Mentalität, Kultur und vorangegangen Erfahrungen. Dadurch werden die gleichen Dinge manchmal unterschiedlich benannt.

Einige Menschen haben über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse auf diesen Übungspfad geschrieben und geredet. Man kann ihnen glauben oder auch nicht.
Glauben bedeutet aber Nichtwissen und Wissen, Erkenntnis entsteht meist erst auf dem Übungspfad.
Es gibt 2 Möglichkeiten: Entweder man sagt; "Alles Humbug" und lässt es bleiben oder man vertraut erst einmal eine Zeit lang dem Buddha und seinen Lehren, sozusagen als Option und probiert es aus.

Wer sich nun mehr mit dem achtfachen Pfad beschäftigen möchte, findet die passenden Lehrreden unter anderem in der Gruppierten Sammlung, der Saṃyutta Nikāya 45 und Aṅguttara Nikāya, Das Dreier Buch, 8. Kapitel: Ānanda Vagga und im Satipaṭṭhāna-Sutta

Möget ihr alle euer Ziel erreichen.

 

 

Anhang:

Rechte Erkenntnis
(Sammā-Diṭṭhī)

        III.

     Einsicht/Weisheit

       (Paññā)

Rechte Gesinnung
(Sammā-Saṅkappa)

Rechtes Reden
(Sammā-Vācā)

           I.      

   Sittlichkeit 
    
       (Sīla)

Rechtes Tun
(Sammā-Kammanta)

Rechte Lebensführung
(Sammā-Ājīva)

Rechte Anstrengung (Sammā-Vāyāma)

         II. 

   Sammlung

   (Samādhi)

Rechte Achtsamkeit (Sammā-Sati)

Rechte Geistessammlung (Sammā-Samādhi)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die 37 erforderlichen Dinge zur Erleuchtung (bodhipakkhiyadhamma)
Die Vier Grundlagen der Achtsamkeit (satipaṭṭhāna)

  •  Achtsamkeit auf den Körper (kāyānupassanā)
  •  Achtsamkeit auf die Gefühle (vedanānupassanā)
  •  Achtsamkeit auf den Geist (cittānupassanā)
  •  Achtsamkeit auf die Geistesobjekte (dhammānupassanā)

Die Vier Rechten Anstrengungen (sammā-padhāna)

  •  Anstrengung der Sinnenzügelung (saṃvāra padhāna)
  •  Anstrengung zur Überwindung (pahāna padhāna)
  •  Anstrengung zur Entfaltung (bhāvanā padhāna)
  •  Anstrengung zur Erhaltung (anurakkhana padhāna)

Die Vier Wege zum Erfolg (iddhipāda)

  •  Wille, Streben, Absicht (chanda)
  •  Willenskraft, Anstrengung, Bemühen (viriya)
  •  Reinheit des Bewusstseins (cittā)
  •  Erforschen, Erwägen (vīmaṃsā)

Die Fünf Fähigkeiten (indriya)

  •  Vertrauen, Glauben (saddhā)
  •  Willenskraft, Anstrengung (viriya)
  •  Achtsamkeit (sati)
  •  Sammlung, Konzentration (samādhi)
  •  Weisheit (paññā)

Die Fünf Kräfte (bala)

  •  Vertrauen, Glauben (saddhā)
  •  Willenskraft, Anstrengung (viriya)
  •  Achtsamkeit (sati)
  •  Sammlung, Konzentration (samādhi)
  •  Weisheit (pañña)

Der Edle Achtfache Pfad  (ariya aṭṭhaṅga-magga)

  •  Rechte Ansicht (sammā diṭṭhi)
  •  Rechte Gesinnung (sammā saṅkappa)
  •  Rechte Rede (sammā vācā)
  •  Rechtes Handeln (sammā kammanta)
  •  Rechter Lebenserwerb (sammā ājīva)
  •  Rechte Anstrengung (sammā vāyāma)
  •  Rechte Achtsamkeit (sammā sati)
  •  Rechte Konzentration (sammā samādhi)

Die sieben Faktoren der Erleuchtung (bojjhaṅga)

  •  Achtsamkeit (sati-sambojjhaṅga)
  •  Ergründung von Gesetzmäßigkeiten (dhammavicaya-sambojjhaṅga)
  •  Willenskraft, Anstrengung (viriya-sambojjhaṅga)
  •  Verzückung, Freude (pīti-sambojjhaṅga)
  •  Ruhe, Gestilltheit (passaddhi-sambojjhaṅga)
  •  Sammlung, Konzentration (samādhi- sambojjhaṅga)
  •  Gleichmut (upekkhā-sambojjhaṅga)

 

Fußnoten:

1 Sīlas (Pāli: "Sittlichkeit, Tugend") [zurück]

 

 

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