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Anders sein - als Vorteil
 

Ein Vortrag von

Santuṭṭho

 

Eine Pagode.
Eine der ungezählten Pagoden in der Umgebung der Sagaing-Hills, Burma.


In diesem heutigen Vortrag soll etwas beleuchtet werden, was uns allen mehr oder weniger klar bewusst ist:
die Verschiedenheit, die Andersartigkeit, die Individualität.
In-divi-dualität = nicht-teilbar-zweiheit, also nicht mehr in zwei teilbar, kurz: Einzel(wesen).

Dafür ist es notwendig, einen Punkt zu bestimmen, ein Raster zu benennen, von wo aus wir dann das so genannte Anders betrachten. Dieser Ausgangspunkt wird üblicherweise mit Normal bezeichnet. Normal bedeutet, der Norm entsprechend, also regelrecht, regelmäßig, gewöhnlich, üblich, landläufig - aber auch: geistig gesund. Und genau hier müssen wir einsetzen, um Klarheit zu erlangen: im Geist. Und zwar in unserem eigenen! Wir Menschen leben miteinander in einem ständigen Kompromiss - und eben dieser gesellschaftlich gefundene, eher aber gemachte Kompromiss ist das, was als normal gilt. Also was die Norm ist. Jedes abweichen davon gilt eben als nicht normal. Jetzt ist das, was man Toleranz nennt, gefragt. Wie weit darf von der Norm abgewichen werden, ohne dass es schädlich ist? Wer legt das fest? Wer also bestimmt, was normal ist und was nicht?

Im Buddhismus gibt es auch Normen. Ethische Grundregeln, die es zu beachten bzw. einzuhalten gilt. Normal ist das Einhalten der grundlegendsten fünf Tugendregeln also, nichts Lebendiges töten, nichts nehmen, was einem nicht gegeben wurde, keine unheilsamen sexuellen Kontakte, keine üble Reden, den Geist nicht trüben. Das ist das Allermindeste, was als Ausgangspunkt für "normal" gelten sollte. Würde sich jeder daran halten, so wären alle Menschen eben normal, der Norm entsprechend - der sittlichen, ethischen Norm. Sie dürfen ruhig lachen. Wer von uns kann jetzt von sich sagen, er sei normal? Machen wir nicht schon hier, bei diesen grundlegendsten Regeln Abstriche, über uns selber gegenüber große Toleranz? Natürlich nicht den anderen gegenüber - DIE sollen normal sein! Wir üben noch.

Ja, die Anderen... Bei Kindern fällt es uns wohl am meisten auf: Immer sind die anderen schuld. Schauen wir uns selber an, prüfen wir unsere eigenen Reaktionen auf was-auch-immer, so müssen wir seltsamerweise auch eingestehen, dass wir die Tendenz haben, dass immer die anderen oder eben die äußeren Umstände schuld sind. Beeindruckend - oder?

Es ist wirkliche höchste Zeit, damit aufzuhören. Hören wir auf, immer anderen die Schuld zu geben. Überhaupt dürfte es gar keine Schuldfrage erst geben. Denn laut buddhistischer Erkenntnis ernten wir ja nur das, was wir selber ausgesät haben. Ganz einfach. Das Problem ist nur, eben das zu erkennen. Von akzeptieren und damit leben ganz zu schweigen.


Versuchen wir weiter aufzuschlüsseln, wie es überhaupt dazu kommt, zwischen uns und den anderen, zwischen normal und anders zu unterscheiden. Unterscheidung ist ein Trennen. Man trennt also etwas. Innen und außen, krank und gesund, gut und schlecht, ich und andere, normal und eben anders. Wäre es nicht am einfachsten, mit dem Trennen aufzuhören? Nein, es klingt nur einfach. Zu einfach. Viiiiiel zu einfach. Warum nur? Weil wir so konditioniert sind, wir sind so erzogen. Es ist eben so.

Zitat Dr. Dahlke: Ruhe und Einsamkeit sind die Vorbedingung alles wirklichen Denkens. Zu beiden aber lässt es die Art der modernen Lebensführung kaum noch kommen. Dieser blinde Kampf ums Dasein, diese immer neuen Güter der Zivilisation, mit welchen uns eine aufs höchste entwickelte und nie rastende Technik überschüttet, entfremden uns uns selber immer mehr, machen einen Verkehr des Einzelnen mit sich selber, ein Alleinsein mit sich selber, fast unmöglich. Die moderne Zivilisation mit ihrem Drang nach außen hin hat es zustande gebracht, dass nichts uns fremder geworden ist, als wir uns selber. Und trifft der Einzelne einmal durch irgend einen Zufall mit sich selber zusammen, so weiß er nichts mit sich anzufangen - das Alleinsein mit sich selber macht ihm Langeweile oder Beängstigung und mit um so größerer Entschlossenheit stürzt er sich auf das Andere, auf den Andern. Weil wir uns selber nicht erkennen, und darum in uns selber kein "Ziel" des Lebens finden können, deswegen diese Sucht, es in der Arbeit, im blinden Kampf ums Dasein zu finden, in dem wir selber uns immer wieder neue Ziele setzen. In dieser irrigen Auffassung ist "Arbeit" zum Laster der modernen Zivilisation geworden, das uns hindert zu uns selber zu kommen. Der Einzelne muss sein eigenes Wesen begreifen, muss begreifen, dass es fruchtbringend, segensreich ist, bei sich selber zu sein, sich auf sich selber zu besinnen, um diesen Verkehr mit sich selber zu suchen. Weil wir nicht mit uns selber verkehren, lernen wir unseren eigenen Wert nicht kennen - der selbe ergibt sich ja erst im Begreifen unserer Selbstverantwortlichkeit - und weil wir den eigenen Wert nicht kennen, verlieren wir immer mehr die Neigung mit uns selber zu verkehren, ziehen es vor, in einer mehr oder weniger geistreichen Begriffswelt zu leben die den Wirklichkeitssinn immer mehr verkümmern lässt. Eine Änderung, ein Umschwung in diesem fehlerhaften Kreislauf kann hier nur durch Zeigen der wahren Lehre kommen. Der gewöhnliche Mensch wird über diese Darlegung nur lachen oder sich gegen sie empören. Er kann eben nicht begreifen, dass man Lebens-Möglichkeiten unbenutzt lassen kann, ebenso wenig wie ein hungriger Handwerksbursche begreifen kann, dass man einen schmutzigen Groschen am Wege unberührt lassen kann. Unserer Zeit mit ihrer Hast und ihrer Oberflächlichkeit ist der Mönchsstand fremd geworden, und doch ist keine wahre Verinnerlichung, keine wahre Besinnung, keine wahre Kultur möglich ohne ein recht verstandenes Mönchstum. Nichts zeigt den kulturellen Tiefstand einer Zeit so sehr wie das Fehlen des Mönchstums, das Fehlen jenes Dranges nach dem Alleinsein mit sich selber, das Fehlen des Mutes, die Gefahren dieses Alleinseins zu bestehen. Mögen die Verhältnisse der Welt sich bald wieder so gestalten, dass sie Raum lässt für den wahren Mönch und ein wahres Klosterleben. Es ist ja klar: Der Brunnen aus dem wir trinken ist vergiftet. Und so geschieht es wohl, dass wir Honig meinen und Wermut geben, dass wir Arznei meinen und Gift geben. Erst muss der Brunnen gereinigt werden, und dann mag es ja wohl sein, dass der Mensch dem Menschen lauteren Trunk bietet; dass die große Liebesgabe wieder unter den Menschen ist, aus der es ja dann klar werden wird, dass dem Menschen nur eines unersetzlich ist: der Mensch! Damit wird das ganze geistige Leben der Menschheit, soweit es nicht Buddhismus ist, zu jener ungeheuren Tragikomik, zu jenem Scherzo triste, als das es sich immer wieder erwiesen hat, da wo es sich anmaßte, den Ablauf des wirklichen Lebens, die Natur bestimmen zu wollen. Alle diese schrecklichen Vergewaltigungs- und Beglückungsversuche des Menschen durch den Menschen, Scheiterhaufen und Richtschwert im Dienste der Menschenliebe, Christentum und Bolschewismus und alle die anderen bunten und schrecklichen Sachen, an denen sich die Menschheit entzückt und entsetzt, sie alle kommen aus dem unerschöpflichen Quell dieses Scherzo triste, das dem Menschen erlaubt, im Dienste der Liebe zu hassen, im Dienste der Wahrheit zu lügen, aus Milde grausam zu sein und jede Unduldsamkeit im Dienste der Toleranz zu begehen - kurz: Mensch zu sein! Zitat ende.

Versuchen wir etwas anderes (schönes Wort - nicht?).
Nehmen wir uns einen Komplex vom eben gesagten heraus. Am besten den "ich-und-andere". Sie werden jetzt genervt sein. Will der schon wieder analytisch auf dem herum hacken, was uns doch schon lange klar ist...

Machen wir es kurz: die Idee eines "Ich", und dem zu Folge auch die Ideen von "außen", "andere", "normal" usw. entsteht nur in unserem eigenen Geist. Nirgends sonst. Diese Einbildung ist die in uns am tiefsten eingebläute. Und es ist nur eine Einbildung, ein Konzept. Jetzt müssen wir sehr vorsichtig sein, wie weit wir dieses Konzept auflösen. Im Umgang miteinander, und leider auch gegeneinander, brauchen wir etwas, um uns zu bezeichnen. Eben das "Ich". Es ist also ein Konzept. Belassen wir es dabei. Haben wir die Vorstellung des Ich richtig verstanden, so können wir auch davon ausgehend, die anderen richtig verstehen, richtig mit ihnen umgehen. Das klingt zu einfach. Stimmt. So einfach ist es nicht. Denn der so genannte andere hat ja möglicherweise nicht erkannt, was es mit dem Ich auf sich hat. Ein Dilemma. Eine Zwangslage.

Deshalb eben die ethischen Grundregeln. Dort steht nicht "Du sollst dein Ich erkennen" oder "Du sollst nicht unterscheiden zwischen dir und anderen" oder so. Bei den christlichen Menschen, vielleicht auch bei anderen (beachten Sie das Wort zur Unterscheidung) gibt es den Spruch: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." Was für ein schöner Spruch. Das funktioniert aber nicht so leicht. Denn: um eben jenen Nächsten zu lieben, lieben zu können, muss derjenige erst einmal sich selbst lieben. Oder? Wie kann jemand, der sich selber hasst, wirklich Liebe, Zuneigung für jemanden anderes empfinden? Auch dass man christlich gesehen nur seinen Nächsten lieben möge, ist etwas mager. Gut wäre es, würde man die anderen lieben, wie sein Selbst. Denn DAS ist es, was wir am meisten lieben. Unsere Idee vom Ich. Daran haften wir am meisten. Nehmen Sie sich mal die Zeit, darüber nachzudenken, und Sie werden feststellen, dass es nicht leicht ist, an sein Ich heran zu kommen. Auch Buddhisten haben hier mitunter diverse Probleme. Und warum? Weil auch sie bloß Menschen sind. Also nichts anderes (beachten Sie wieder dieses Wort) als sie selber.


Als Zwischen-Resümee lassen wir hier stehen: Je größer unser Ich, um so größer die Trennung zum anderen. Und im Positiven: ja na klar, der Umkehrschluss. Das passt bloß nicht so ganz. Je kleiner unser Ich... Denken wir mal an die vielen Depressiven. Und jetzt stellen wir uns vor, wie die uns lieben sollen. Sieht ein wenig traurig aus - oder? Also im Positiven: Je mehr wir wirklich verstehen, was es mit dem Ich auf sich hat, wie es zu einem Ich kommt, die ganzen Zusammenhänge, die erschreckende Komplexität des gesamten Daseins, um so mehr verstehen wir das bzw. den anderen, können es akzeptieren, damit umgehen. Aber was das zweifellos Wichtigste ist: Haben wir tatsächlich verstanden, so haben wir auch den Ausweg.

Nun zum etwas praktischeren Teil:
Erst beim Nachdenken-müssen, welches Thema für den heutigen Tag gewählt werden soll, bzw. wie der Vortrag wohl zu nennen sei, fiel mir ein, dass da doch eine der Lehrreden, Sie können diese gerne nachlesen, Majjhima Nikāya 8, also eine mittellange, genannt Sallekha-Sutta, recht brauchbar ist.
M.8 befindet sich im Buch "Mūlapaṇṇāsapāli", d.h. den ersten fünfzig mittellangen Lehrreden, genannt "Mūla" = 1. Wurzel, 2. Basis, Grundlage, 3. Bedingung, Ursache, 4. Anfang, Ursprung, 5. Geld, Kapital, 6. Preis

Man könnte jetzt die tollsten Kombinationen zusammenstellen, aber wer sich einen kleinen Überblick über den Inhalt eben jener ersten 50 Lehrreden ansieht, der wird wohl kaum auf die Idee kommen, dass es sich um 50 kapitale Lehrreden oder gar um Geschäfts-Suttas handelt.

Zum Inhalt:
Wie Sie sicher wissen, hat damals nicht nur der Buddha selber die Menschen belehrt. Auch verschiedene andere Mönche des Buddha haben unterrichtet. Selbstverständlich haben die erfahreneren, meist also die älteren Mönche die jüngeren belehrt.

So auch hat der Mönch Mahācunda diverse Schüler gehabt. Mahācunda hatte wohl diverse Probleme mit ihnen, denn eines Tages ging er zum Buddha, um sich Rat zu holen. Was war geschehen? Mahācunda's Schüler waren durch diverse kleine Fortschritte überzeugt, etwas erreicht zu haben. Es sind acht Unterscheidungen:

1 Verschiedene Ansichten über die Welt und das Ich-Selbst
anfänglich mit Fehlern wenn man sich damit befasst.
2 Die jeweils vier Versenkungsstufen erreicht zu haben - und falsch interpretiert, sich damit zufrieden geben, ist nicht das Ziel, sondern "nur" angenehmes Verweilen; das gleiche weiter mit den vier unkörperlichen Versenkungen, welches dann als "freudiges Verweilen" bezeichnet wird - es gibt mehr zu tun. Gerade Anfänger, die die ersten Erfolge ihrer Praxis erfahren, vermeinen sehr schnell, etwas erreicht zu haben. Sprichwort: "Wem das Herz voll ist, dem läuft der Mund über." Viele bleiben auch in eben jenen Erreichungen stecken, vielleicht auch weil sie gar nichts weiteres erwarten, erstreben, als eben "angenehmes bzw. friedvolles Verweilen hier und jetzt". Jhāna sichert auf Dauer NICHT vor Rückfall in niedere Welten! Erst mit dem sog. Stromeintritt ist man vor Rückfall wirklich gesichert (Zitat Puggala Paññatti 61). Wer Jhāna erlangt bzw. meistert, hat das Interesse am Sinnlichen überwunden d.h. die nächste Existenz wird wohl weitaus beschwerdefreier sein - aber auch diese Existenz dann wird zuende gehen - und sei es erst nach -zig Weltzeitaltern. Mit dem Stromeintritt ist man "hinsichtlich der Zukunft gewiss" (siehe Puggala Paññatti 16) d.h maximal sieben Wiedergeburten wenn man recht lässig ist. Aber noch besser ist es, letztendliche Realisation anzustreben, gänzlich Saṃsāra zu überwinden - sofern man das mag. Es gibt auch Buddhisten, die mit Nibbāna nicht so recht zufrieden sind. Eine Wiedergeburt in "besseren Welten" streben diese an. Ist ja auch nichts schlechtes. Alle Male besser als bisher. Nibbāna ist kein Zwang!
3 Richtige Anstrengung ist nötig! Besonders für Anfänger ist dies sehr wichtig, denn sie lösen sich aus den Kreisen, in denen sie bisher Anerkennung fanden. Sie stehen also erst einmal ziemlich alleine da. Auf die einzelnen Punkte kommen wir dann gleich.
4 geht noch einen Schritt tiefer, wird etwas "psychologischer". Es sollten die Gedanken ausgerichtet werden. Und zwar auf positive Inhalte. Wer schon mal seine Gedanken, sein Denken beobachten konnte, der weiß, wie schwer das ist - aber es ist eben nicht unmöglich.
5 es sollten nun positive Eigenschaften entwickelt werden. Also die entgegengesetzten als man sie vorher hatte. Positiv im Sinne von heilsam, für sich und andere eben förderlich, zum Guten.
6 man möge die karmischen Konsequenzen bedenken. Heilsam = Weg aufwärts, unheilsam = Weg abwärts. Was übrigens eine in etwa Parallele zum Christentum hat.
7 zuerst möge man doch komplett selber frei sein von den aufgezählten Dingen, dann erst könnte man "andere" belehren. Ein kniffeliger Hinweis. Reicht es schon, wenn man zeitweilig, eben zu Zeiten der Belehrung rein ist, oder nicht? Schön wäre es ja, völlig rein im buddhistischen Sinne zu sein. Jetzt kommen die Ausreden ...
8 Der Buddha schließt, indem er sagt: Was ein Lehrer aus Mitgefühl tun kann, habe er getan. Er fordert zur Meditation auf! Damit man später nichts bereuen müsse. Später bedeutet hier, und wenn es zum Sterbezeitpunkt ist - irgend wann fällt einem eben ein: "ach hätte ich doch bloß ..."

Nun die einzelnen Punkte:
1 bis 44. Das klingt sehr viel. Ist es möglicherweise auch. Aber nirgends steht, dass man alle 44 hier und jetzt umsetzen soll. Eines nach dem anderen.

Diese 44 Punkte sind, wie schon gesagt, geordnet. Zum ersten soll die Grausamkeit überwunden werden, um überhaupt erst einmal aufnahmefähig zu werden. Warum? Grausamkeit ist ein derart grober Geisteszustand, da ist es einfach unmöglich, etwas Heilsames zu denken, zu sagen, geschweige denn zu tun. Das dürfte wohl sehr klar sein.

Tabellarisch behandeln wir nun die nächsten Geistzustände bzw. -inhalte.
Dass es sich hierbei um die Methodik der Geistzustandsbetrachtung, also wahrlich ein Thema, welches nicht gerade für Anfänger geeignet ist, handelt, das wird spätestens jetzt deutlich. Dennoch halten wir es für wichtig, eben denen, die sich mit Buddhismus befassen, und denen, die sich darin fortgeschritten dünken, aufzuzeigen, wie komplex, wie vielschichtig die ganze Sache ist.

 

Selbstentsagung sollte man so üben:
"Andere mögen 1-44 sein, da wollen wir nicht 1-44 sein."

 
10 unheilsame Wege  
1
vihiṃsakā grausam nicht grausam
2
pāṇātipātī töten davon enthalten
3
adinnādāyī Nichtgegebenes nehmen davon enthalten
4
abrahmacārī unkeusch keusch
5
musāvādā lügen davon enthalten
6
pisuṇavādā gehässige Rede davon enthalten
7
pharusavācā grobe Worte davon enthalten
8
samphappalāpā schwatzhaft davon enthalten
9
abhijjhāḷu habgierig nicht habgierig
10
byāpannacittā übelwollend ohne Übelwollen
 
Falscher Achtpfad  
11
micchādiṭṭhi falsche Ansicht rechte Ansicht
12
micchāsaṅkappā falsche Gesinnung rechte Gesinnung
13
micchāvācā falsche Rede rechte Rede
14
micchāammantā falsches Handeln rechtes Handeln
15
micchā-ājīvā falsche Lebensweise rechte Lebensweise
16
micchāvāyāmā falsche Anstrengung rechte Anstrengung
17
micchāsati falsche Achtsamkeit rechte Achtsamkeit
18
micchāsamādhi falsche Konzentration rechte Konzentration
19
micchāñāṇī falsches Wissen rechtes Wissen
20
micchāvimutti falsche Befreiung rechte Befreiung
 
5 Hemmungen: 1. + 2. Hemmung = 10 + 4  
21
thīnamiddhapariyuṭṭhitā übermannt von Trägheit/Mattigkeit frei davon
22
uddhatā rastlos nicht rastlos
23
vicikicchī zweifelnd zweifelentronnen
 
Geistesbefleckungen  
24
kodhanā zornig nicht zornig
25
upanāhī rachsüchtig nicht rachsüchtig
26
makkhī verächtlich nicht verächtlich
27
paḷāsī herrschsüchtig nicht herrschsüchtig
28
issukī neidisch nicht neidisch
29
maccharī geizig nicht geizig
30
saṭhā betrügerisch nicht betrügerisch
31
māyāvī hinterlistig nicht hinterlistig
32
thaddhā starrsinnig nicht starrsinnig
33
atimānī überheblich nicht überheblich
 
besonders Mönche  
34
dubbacā schwer zu ermahnen leicht zu ermahnen
35
pāpamittā schlechte Freunde habend gute Freunde habend
36
pamattā nachlässig eifrig/umsichtig
 
allgemein und auch monastisch  
37
assaddhā vertrauenlos vertrauensvoll
38
ahirikā schamlos schamhaft
39
anottāpī gewissenlos gewissenhaft/ nicht ~
40
appassutā ungelehrt gelehrsam
41
kusītā faul energetisch/fleißig
42
muṭṭhassatī unachtsam in Achtsamkeit verankert
43
duppaññā ohne Weisheit mit Weisheit
44
sandiṭṭhiparāmāsī anhaftend an Ansichten, hartnäckig daran festhalten, sie nur unter Schwierigkeiten aufgebend nicht anhaftend ...

44 ist wie ein Rückblick auf Punkt 1 oben, also hinsichtlich Mahācundas Frage wegen seiner Schüler, die noch in Ansichten befangen sind.

Die Neigung des Geistes sollte in Richtung heilsamer Zustände sein. D.h. Cittānupassanā, die Geistbetrachtung mag entfaltet werden. Das ist schon etwas tiefer, psychologischer. "Andere werden vielleicht 1-44 sein, wir wollen nicht 1-44 sein." Noch einmal: Besonders am Anfang, also Anfänger im Buddhismus bzw. auf einem spirituellen Weg, haben mit Schwierigkeiten zu rechnen. Wer neu beginnt, bewegt sich aus seinen "altgewohnten" Kreisen heraus, und es ist nicht ungewöhnlich, dass diese Neuen dann erst einmal ziemlich alleine dastehen, oder sich zumindest so "alleine" fühlen. Viele der vorher als "gut" befundenen Handlungen und "Freunde" brechen jetzt weg. Beispiel Alkohol, die so genannten Kumpels, usw.

Wie wenn es einen ebenen Weg gäbe, so mag man einen unebenen Weg (visamo magga) vermeiden. "So mag jemand, der 1-44 verfallen ist, mit Nicht-1-44 dieses vermeiden." Also wird versucht bzw. empfohlen gegensätzliche Eigenschaften zu entwickeln. Vermeiden, umgehen, enthalten von 1-44 mögen kurz gesagt die Stichworte sein.

Wie alle unheilsamen Geisteszustände nach unten führen, und alle heilsamen Geisteszustände nach oben, genau so "Mag jemand der 1-44 verfallen ist, mittels Nicht-1-44 nach oben gelangen." Hier werden die karmischen Konsequenzen angesprochen. Kurz- oder längerfristig kommt es zum Reifen diverser Früchte. Übrigens: Gutes braucht seine Zeit zum Reifen. Schlechtes reift meist schnell. Daher muss eben auch der Faktor Geduld entwickelt werden. Vor allem der geduldige, liebevolle Umgang mit sich selber. Gerade hier in Europa ein ziemliches Problem. Wir erinnern an den oben genannten Spruch von der Nächstenliebe.

Der Buddha gebraucht ein Gleichnis: (Vers 162)
Genau so: "Jemand der 1-44 verfallen ist, kann dies mit Nicht-1-44 auslöschen." Das bedeutet, erst wer selber "rein" ist, mag andere dazu verhelfen können. Was wiederum bedeutet, dass man auch mal über seinen Lehrer nachdenken möge. In einer Lehrrede (M. 47) fordert der Buddha sogar dazu auf. Wir möchten hier nochmals darauf hin weisen, dass es durchaus erlaubt ist, auch Menschen, die mit einer Robe bekleidet sind, zu hinterfragen. Das mag aber nicht bedeuten, dass man in das Extrem fallen sollte, dass nur ein Arahat einem Belehrung zuteil werden lassen kann, da alle anderen ja mehr oder weniger "verblendet" sind. Wer rechte Ansicht hat, der kann sehr wohl auch aus einem vermeintlich schlechten Vortrag etwas entnehmen. Übrigens steht es jedem frei, seinen Lehrer zu wechseln. Allerdings sollte dies nicht im Streit geschehen bzw. aus Hass, Verachtung oder gar Überheblichkeit.

Schluss:
Eine Art Zusammenfassung des Gesagten, was gelehrt wurde:
Der Weg der Selbstentsagung,
der Weg der Geistesneigung,
der Weg der Vermeidung,
der Weg nach oben,
der Weg des Auslöschens.

Dazu kommt die Ermahnung: (Vers 183)
Wir empfehlen, sich anfangs einige der hier aufgeführten Dinge auszusuchen und diese täglich sich zu vergegenwärtigen. Dann langsam steigern. Gemäß dem Satz: "Was man häufig im Geiste erwägt, dahin neigt sich der Geist." Was kann es besseres geben, als heilsam geneigt zu sein? Müssen wir normal sein? Sind wir anders? Sind die anderen anders oder normal? Alles Spekulationen.

Vielleicht haben wir nun mitbekommen, warum diese Lehrrede im Buch der "Basis-Lehrreden" beinhaltet ist. Es geht hier demnach um grundlegende Dinge, das, was im besten Falle als normal gelten müsste.
Halten wir uns an die hier aufgeführten Hinweise, so dürfen wir aber sicher sein, nicht normal zu sein. Eben anders.

Und so ist es eben ein Vorteil, wenn man anders ist, eben nicht normal. Die eventuelle Beschimpfung "der ist nicht ganz normal" wird zum freudigen Anlass.
Und das ist wiederum nicht normal.

Wir lächeln - ist das normal?


 

Anmerkungen:

1

"Welcher Mensch ist vor Rückfall gesichert?
Da gewinnt ein Mensch die formhaften oder formlosen Errungenschaften. Und er gewinnt sie nach Wunsch, ohne Mühe und Anstrengung; und nach Wunsch hinsichtlich des Ortes, des Gegenstandes und der Dauer versenkt er sich in die selben und erhebt sich daraus. Unmöglich ist es da, kann nicht sein, dass ein solcher Mensch aus Nachlässigkeit jener Errungenschaften verlustig geht. Diesen Menschen nennt man 'vor Rückfall gesichert'. - Überdies sind alle heiligen Jünger hinsichtlich der heiligen Befreiung 'vor Rückfall gesichert'." [zurück]

2

"Cunda, dass jemand, der selbst im Schlamm versinkt, einen anderen, der im Schlamm versinkt, heraus ziehen sollte, ist unmöglich; dass jemand, der nicht selbst im Schlamm versinkt, einen anderen, der im Schlamm versinkt, heraus ziehen sollte, ist möglich.
Dass jemand, der selbst unbezähmt, ungezügelt ist und nicht in Nibb
āna erloschen ist, einen anderen bezähmen, zügeln, zum Erlöschen in Nibbāna führen sollte, ist unmöglich; Dass jemand, der selbst bezähmt, gezügelt ist und in Nibbāna erloschen ist, einen anderen bezähmen, zügeln, zum Erlöschen in Nibbāna führen sollte, ist möglich." [zurück]

3

"Was ein Lehrer, der auf das Wohlergehen seiner Schüler aus ist und Mitgefühl für sie hat, aus Mitgefühl für seine Schüler tun sollte, das habe ich für euch getan, Cunda. Dort sind Bäume, dort sind leere Hütten. Meditere, Cunda, sei nicht nachlässig, oder du wirst es später bereuen. Dies ist unsere Anweisung an dich." [zurück]

 

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