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Der Buddha-Dhamma in unserer Zeit
 

Ein Beitrag von Kassapa

 

Eine Buddha-Figur aus Bhutan

 

Wer in der Buddhalehre steht, betrachtet den Buddha als den größten Geist der Weltgeschichte. Seine Botschaft ist ein Korrektiv insbesondere für unsere Zeit, die keine klare Orientierung mehr besitzt und blindlings den Eingebungen eines irre geleiteten Zeitgeistes folgt. Es gibt wohl keine Lehre, die die Irrungen und Wirrungen unserer Zeit klarer durchschaut, und ihre Fehlerhaftigkeit aufzeigt, wie die Buddhalehre. Das ist wichtig für jeden, der sich aus Unwissenheit und Zweifel zu neuer Klarheit durchringen möchte.

Worin besteht die Größe des Buddha? Er hat die Gesetzmäßigkeit allen Lebens als leidvollen Prozess bis ins Letzte durchschaut und den Ausweg aus der Verquickung von Dasein und Leiden sichtbar gemacht, damit alle, deren Augen "nicht mit Staub bedeckt" sind, auf seinen Wegen das Hoheziel der endgültigen Leidfreiheit erreichen können. Auf Grund seiner Geistesmacht gilt er als "der Wesen höchstes". Was sich hinter seiner historischen Erscheinung als sein wahres Wesen verbirgt, ist unergründlich. Daraus ergibt sich sein übermenschliches Format. Seine Lehre ist von zeitloser Gültigkeit, für unsere Welt ebenso wie fürs alte Indien.

Mir ist die Frage gestellt worden, was der Buddha für mich persönlich bedeutet. Für mich ist der Buddha ein alles überstrahlendes, überweltliches Licht, das sich in jedem reflektiert, der sich seiner Botschaft öffnet. Poetisch umschrieben sieht das so aus:

Ruhend im Herzen der Welt,
umringt vom Strahlenkranz,
durchdringend das Himmelszelt,
leuchtend in ewigem Glanz.

Ein Strahl von jenem Licht
in jedem Herzen ruht,
im Heiltum kommt's zu Gesicht,
löscht aus Begehrens Glut.

Am Ende beider Verse steht das unvermeidliche om maṇi padme hūṃ, denn der Verfasser war tibetisch beeinflusst. Ich habe den Verfasser vor über sechzig Jahren kennen gelernt.

Was würde der Buddha lehren, wenn er in unserer Welt erschienen wäre? Dasselbe, was er vor mehr als 2500 Jahren gelehrt hat, allerdings in anderer sprachlicher Verkleidung. Würde ein Buddha überhaupt in unserer Welt erscheinen? Sicherlich nicht, denn in unserer Welt fehlen alle Voraussetzungen für die Anwesenheit eines Buddhas. Der Legende zufolge kann ein so großes Wesen, das durch viele Geburten hindurch die Anlagen zur Buddhaschaft entwickelt hat und vor seiner letzten Existenz in höherer Welt steht, selbst entscheiden, wann und wo er zur letzten Geburt erscheinen möchte. Er hat sich eben für eine Geburt im alten Indien entschieden, nicht in der Welt unserer modernen, technischen Zivilisation. Warum?

Im alten Indien waren die Voraussetzungen für die Suche nach dem "höchsten Heil" am günstigsten. Dort konnten heimatlose Sucher als Lernende und Lehrende durch die Lande ziehen und von den Gaben vertrauender Spender leben, so sehr auch Irrlehrer ihr Unwesen trieben und den Geist der Menschen verwirrten. Die Verhältnisse in unserer Welt aber sind dem völlig entgegengesetzt, denn hier glaubt kaum jemand an den höheren Sinn einer geistigen Suche oder gar an das Verdienst des Gabenspendens für die Sucher. Der harte Kampf, den der spätere Buddha zum Erringen der Buddhaschaft zu bestehen hatte, wäre in unserer materialistischen Zivilisation überhaupt nicht möglich, denn hier heißt es: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen."

Die Wirksamkeit des Buddha ist noch längst nicht erloschen, denn noch ist uns seine Lehre, der Dhamma, bekannt. "Wer den Dhamma sieht, sieht mich, und wer mich sieht, sieht den Dhamma." hat der Buddha einst gesagt. Nur muss man sich den Dhamma mit Hilfe der Texte und guter Sekundärliteratur erarbeiten, wobei erfahrene Mitstreiter eine große Hilfe sind. Das ist ein mühsames Unterfangen, nicht so bequem wie das Lesen der Tageszeitung oder das Sitzen vor dem Fernseher. Was das Fernsehen über Buddhismus bringt, ist oft sehr oberflächlich und irreführend. Es bedarf großer Energie, sich durch den zeitbedingten Wirrwarr über Buddhismus hindurchzuarbeiten, um eine neue Orientierung zu finden und sich die dem weltlichen Materialismus vollkommen entgegengesetzte Weltsicht des Dhamma zu erarbeiten. Wer einem verantwortungsvollen Beruf nachgeht und außerdem noch eine Familie zu ernähren hat, hat dabei einen schweren Stand. Ist er jedoch von einer unstillbaren Sehnsucht nach neuen Horizonten und überweltlicher Erkenntnis erfüllt, bleibt ihm immerhin der Weg der kleinen Schritte, auf dem sich auch ihm ein Lichtblick nach dem anderen auftut. Damit verbunden ist eine innere Weitung, die einem völlig neuen Lebensgefühl Raum gibt. Nur kann man damit kein Geld verdienen, was ja den meisten Zeitgenossen das Wichtigste ist.

"Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" - dazu ein Blick auf das Möchstum. Selbstverständlich gibt es im Mönchsorden, dem Saṅgha, auch Missstände. Die relativ wenigen Mönche aus westlichen Ländern haben oft zu geringe Kenntnisse der buddhistischen Lehre; sie vertreten daher häufig falsche Ansichten und Meinungen, da ihr Wissen auf einer abendländischen Grundlage basiert. Auch Mönche sind nicht vor Verkehrtheiten gefeit. Besserwisserei spielt im Westen oft eine fatale Rolle. Im Osten sind es erstarrte Traditionen, die nicht hinterfragt werden und den Sinn der Lehre entstellen. Ein vor Jahren in Thailand lebender Mönch australischer Herkunft, Shrāvasti Dhammiko, hat ein Buch mit dem Titel "Der zerbrochene Buddha geschrieben", dessen Lektüre Entsetzen erweckt. Es bezieht sich ausschließlich auf östliche Verhältnisse. Von Weg und Ziel der Buddhalehre hat der einfache Dorfbewohner - ich denke insbesondere an Sri Lanka - nur wenig Ahnung, darum gilt seine Verehrung mehr verschiedenen Hindugottheiten, die er um gute Ernten und irdisches Glück anbeten, nicht selten auch um noch größeren Kindersegen. Oft kommt es vor, dass eine Familie ihre Kinderschar nicht mehr ernähren kann und Abhilfe darin sieht, in der Regel den ältesten Sohn als Novizen (sāmaṇera) dem Saṅgha unterzuschieben. Dabei spielt es keine Rolle, ob er Neigung zum Ordensleben hat oder nicht. Oft langweilt sich dieser Sprössling sehr, erhält nicht die lebensnotwendige Schulbildung, und zum Erlernen des Dhamma hat er auch keine Lust, sofern überhaupt ein geeigneter Lehrer zur Seite ist. So verkümmert er körperlich und geistig, wird lebensuntüchtig, gerät auf Abwege und vertut so sein Leben. Aber die Angehörigen glauben trotzdem, wunder welches Verdienst sie sich erworben hätten, weil ihr Sprössling im gelben Gewand herumläuft. Es ist nur zu natürlich, dass der im Hause lebende Okzidentale so etwas nicht unterstützt. Aber es gibt auch eine andere Seite des Mönchtums, die sehr wohl unterstützenswert ist und die man nicht nach dem Gesichtspunkt "wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" betrachten soll.

Da tritt ein junger Mann, von der Buddhalehre ergriffen, in den Orden ein. Ist er Okzidentale, bereitet ihm zunächst das ungesunde Klima Burmas, Sri Lankas oder Thailands große Schwierigkeiten. Unzuträgliche Nahrung trägt mit dazu bei, dass er unter Umständen bald krank wird. Bei mir stellte sich eine zunehmende Abneigung gegen jegliches Essen ein, vor allem gegen den unvermeidlichen Reis. Meine Haut wurde immer gelber, aber ich dachte, das geht wieder weg. Eines Abends vor einer Reise bemerkte ich beim Rasieren, dass auch meine Augen gelb waren, und erst da dämmerte es mir: "Du hast die Gelbsucht." Und das Ende vom Lied? Ich wurde für drei Wochen in ein Mönchshospital in Rangoon eingewiesen, ins Jivitadāno-Hospital. Jīvitadāno heißt "Geschenk des Lebens". Nach dem Aufenthalt im Hospital war ich dauernd hungrig, doch musste ich mich mit dem begnügen, was ich in die Gabenschale bekam. Es war alles andere als Krankenkost. So dauerte die Genesung länger, als mir lieb war.

Das durchschnittliche Niveau des Saṅgha ist im allgemeinen bejammernswert. Leute aus gehobenen Familien treten selten in den Saṅgha ein, sie ziehen es vor, höhere Schulen oder die Universität zu besuchen und gesellschaftlichen Status zu erlangen, anstatt unter mindergebildeten primitiven Mönchen in dem üblichen Stumpfsinn aufzugehen. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Auch unter den Mönchen einfacher Herkunft gibt es Begabte, die sich zu einem beachtlichen Niveau durcharbeiten und den Dhamma wirklich zum Grundpfeiler ihres Lebens machen. Das gilt insbesondere, wenn sie über ihre Studien hinaus den Weg zur Meditation finden. Es bestätigt sich auch hier: Ohne Fleiß kein Preis. Von den vielen Mönchen, die träge in den Tag hinein leben, soll hier nicht die Rede sein.

Für den Okzidentalen ist es fast ein Vabanquespiel, im Osten ein geeignetes Kloster zu finden. Selbst hochstehende Mönche mit einer gründlichen Dhamma-Ausbildung sind so sehr im östlichen Denken verwurzelt, dass der geistige Zugang zu ihnen schwer ist und erst nach längerer Zeit bei viel Geduld zustande kommt. Wenn aber ein Mönch westlicher Herkunft guten Willen und Eifer an den Tag legt, ist es oft rührend, mit welcher Hingabe östliche Lehrer alles Mögliche tun, ihrem Zögling aus dem Westen etwas beizubringen. Ich habe es selbst erlebt.

Geduld, Anstrengung und Ergriffenheit sind die drei Dinge, die ein westlicher Mönch mitbringen muss, um auf seinem Weg fortzuschreiten. Auch heute noch findet man unter östlichen Mönchen solche von ungeheurer geistiger Durchdringung. Buddhismuskunde im Sinne westlicher Universitätswissenschaft wird dort nicht vermittelt; aber dafür gibt es im Saṅgha etwas schwer bestimmbares Besonderes, das keine Universität vermitteln kann, etwas, das über bloßes Kopfwissen hinausgeht. Es zu finden, ist allerdings weitgehend Glücksache. Gewiss ist der Saṅgha von heute, gemessen an früheren Zeiten, heruntergekommen, doch gibt es dort auch heute noch Enklaven hoher Geistigkeit, mit denen das ganze Mönchswesen steht und fällt.

Der Sinn des Saṅgha besteht darin, dass derjenige, der sich ganz dem Streben nach der höchsten Befreiung widmen möchte, dazu Gelegenheit findet und in Abgeschiedenheit leben kann, frei von allen weltlichen Bindungen und in einer Gemeinschaft Gleichgesinnter. Der Mönchsdisziplin gemäß hat er sich dabei mit den Gaben zu begnügen, die ihm vertrauensvolle Hausleute spenden. Er har mit wenigen Bedarfsgegenständen fürlieb zu nehmen, darf kein Geld benutzen und keine gewerbliche Tätigkeit ausüben. Es ist ein entbehrungsreiches Leben, das er zu führen hat. Wer aber erwartet, dass er nach der für ihn notwendigen Schulungszeit einmal Anderen den Weg zeigt, muss ihm auch die Möglichkeit gönnen, sein weltabgewandtes Leben zu führen, zu studieren und zu meditieren. Trotzdem meinen verbohrte, moderne Zeitgenossen: "Lass sie doch arbeiten, müssen wir doch auch." Sie empfinden es grundsätzlich als parasitär, von den Gaben anderer zu leben, aber dass Banken und Finanzjongleure durch legalisierten Diebstahl Milliarden verdienen, empfinden sie als ganz normal.

Es soll nicht verschwiegen werden, dass viele Mönche unbewusst in den Tag hinein leben und durch ihren liederlichen Lebenswandel die Gaben der Hausleute zu unrecht benutzen. Selten begreifen sie, welch einen Schaden sie sich dadurch selbst zufügen.

Wer sich für den Weg des Buddha entscheidet, gerät gewissermaßen zwischen zwei Stühle. Der moderne Alltag in seiner ganzen Verlogenheit drängt ihn in die Richtung des materiellen Erfolges um jeden Preis, ohne Rücksicht auf sein inneres Wohlergehen, während die Buddhalehre einen Weg der Nichtschädigung auch unter Verzichten weist, der eigenes Wohl, fremdes Wohl und beiderseitiges Wohl gleichermaßen im Auge hat. Dieser Weg erfordert volle Verantwortung für alles, was man tut, sagt oder denkt. Je nachdem, welch einen Beruf jemand ausübt, ist es schwer, beide Wege miteinander in Einklang zu bringen. Ich kenne Leute, denen dies unmöglich schien und die einen einträglichen Beruf aufgegeben haben, weil ihnen ihre innere Sauberkeit wichtiger war. Innere Unsauberkeit - Unehrlichkeit - ist dem Hoheziel der Buddhalehre, der endgültigen Befreiung vom Daseinselend, entgegengesetzt.

Dazu eine Textstelle aus der Angereihten Sammlung (Aṅguttara Nikāya, A VIII, 29):
"Es gibt da, ihr Freunde, fünf Gaben, große Gaben, bekannt als die höchsten, bekannt als die ältesten, bekannt als überlieferte, alte, unversehrte, noch nie außer Geltung gewesene Gaben, die nie versagen und nie untergehen und nie getadelt werden von Weisen, Reinen und Verständigen. Welche Gaben sind das?
Da steht der Nachfolger ab vom Töten, entfremdet sich ganz vom Töten; er steht ab vom Stehlen [...] von unrechtem geschlechtlichen Verkehr [...] von trügerischer Rede [...] vom Genuss berauschender Mittel, entfremdet sich ganz davon.
Dadurch aber [...] gewährt er unermesslich vielen Wesen Sicherheit vor Schrecken, Feindschaft und Bedrückung.
Indem er aber unermesslich vielen Wesen Sicherheit vor Schrecken, Feindschaft und Bedrückung gewährt, wird ihm selber unermessliche Sicherheit vor Schrecken, Feindschaft und Bedrückung zuteil. Das sind die fünf großen Gaben."

Hierzu eine Fußnote, wahrscheinlich aus einem Kommentar:
"Unermesslich viel" heißt es darum, weil die im jetzigen Menschenleben wirklich erworbene innere Entfremdung von solchem Tun so tief in das Gemüt eingeprägt ist, dass sich diese erworbene Lebensart auch in vielen, vielen weiteren Lebensläufen durchsetzt.

Um diese Stelle zu verstehen, muss man um die Tragweite von Tat und Folge wissen. Taten, Worte und Gedanken bestimmen die Qualität des Lebensgefühls, d.h., ob man sich im Leben glücklich oder unglücklich fühlt. Darüber hinaus haben sie eine Nachwirkung, die sich teils in diesem Leben, teils im nächsten Leben und teils in einem noch späteren Leben einstellt. Das ist zwar wissenschaftlich nicht beweisbar, aber erkennbar, wenn man menschliche Schicksale einfühlsam betrachtet und darüber hinaus durch die Meditationspraxis erkennt, dass es Wirkungszusammenhänge gibt, die von einem Leben ins andere übergreifen. Von überragender Bedeutung sind dabei die erwähnten "fünf großen Gaben".

Für den Laienanhänger, d.h. solche Menschen, die weder als Mönch noch als Nonne ordiniert sind, ist hohe Gelehrsamkeit nicht so wichtig wie für sein Leben die volle Verantwortung zu übernehmen. Er sollte sich immer wieder fragen:
Was du auch immer tust, tust du dir letztlich selber an. Drum frage dich bei jeder Tat: "Dies mir antun, will ich das?"

Wer dies weiß, wird auch in der Lage sein, Alter, Krankheit und Tod in stillem Einverständnis zu akzeptieren. Daraus ergeben sich Furchtlosigkeit und innerer Frieden. Fünf Betrachtungen für jedermann, täglich geübt, ermöglichen dies:

"Dem Alter bin ich unterworfen, kann dem Alter nicht entgehen; der Krankheit bin ich unterworfen, kann der Krankheit nicht entgehen; dem Sterben bin ich unterworfen, kann dem Sterben nicht entgehen; von allem, was mir lieb und teuer, muss ich einmal mich trennen.
Ich bin der Eigner meiner Taten, bin meiner Taten Erbe. Aus ihnen bin ich entsprungen, mit ihnen bin ich verknüpft, bei ihnen finde ich Schutz. Taten, die ich begehen werde, seien sie edel oder gemein, deren Erbe werde ich sein."
Das sollten wir häufig betrachten.

Ich frage mich, ob derjenige, der dies verinnerlicht hat, nicht die ganze Lehre verinnerlicht hat.

 

 

 

 

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