Vorbemerkung:
Eine Kārikā - was ist das?
Schon unsere Mütter
haben - ohne das indische Wort zu kennen - uns Kinder durch Kārikās
erzogen, zum Beispiel, wenn sie uns einschärften:
|
Messer, Gabel,
Schere, Licht
sind für kleine Kinder nicht. |
Als Kārikā
bezeichnet man im Sanskrit und Pāli einen Merkspruch, der einen
Sachverhalt oder Lehrsatz knapp formuliert, damit er sich dem Gedächtnis
einprägt. Auch eine Sammlung solcher Merksprüche wird als
Kārikā bezeichnet. Indien kennt Kārikā-Kompendien
zur Grammatik, zu den Wissenschaften und zur Philosophie.
Die berühmtesten
buddhistischen Kārikās schrieb der indische Mahāyāna-Philosoph
Nāgārjuna (2. Jh.u.Z.). Sein "Lehrbuch der Mittleren
Lehre" (Madhyamaka-Śāstra), das aus 448 Kārikās
besteht und als literarisches Werk auch "Die Kārikā
der Mittleren Lehre" (Madhyamaka-Kārikā) genannt wird,
ist an vielen Stellen derart mit Sinn befrachtet, dass es der Erläuterung
bedarf; Nāgārjuna hat deshalb sein eigenes Buch mit einem
Kommentar versehen. Mehrfach ist Nāgārjunas Werk unterbrochen
durch Einwände philosophischer Opponenten - die dann im weiteren
Text widerlegt werden.
Da die Form der
Kārikā in der buddhistischen Welt anerkannt ist - warum
sollte man nicht versuchen, buddhistische Kārikās in deutscher
Sprache zu formulieren? Das im Folgenden gewählte Versmaß
ist der Vierfüßige Jambus, d.h. eine unbetonte und eine
betonte Silbe (= Jambus) vier Mal in einer Zeile. Die Endreime, im
Indischen unüblich, erleichtern im Deutschen das Auswendiglernen.
Kārikās,
Merksprüche, haben ihre Eigenart. Sie geben einer Aussage durch
Pointierung Durchschlagkraft; zugleich wecken sie, durch die überraschende
Zuspitzung, oft Heiterkeit und erinnern an Verse von Wilhelm Busch
und Erich Kästner. Vielleicht helfen deutsche Kārikās
dem einen oder anderen, den Aufbau und die Inhalte der Buddhalehre
klarer zu verstehen.
Die Kārikās
|
Siddhatthas1
Bodhi2 war Erweckung
zur Buddhaschaft - und Lehr-Entdeckung. |
|
Was in der
Bodhi ihm ward klar,
der Buddha legt's im Dhamma3
dar. |
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Der Saṅgha4
hat es kompiliert,
des Buddha Wort, und uns tradiert. |
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Das Rad der
Lehre5 rollt seit wahren
zweitausend und fünfhundert Jahren. |
*
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Erlösung
ist des Buddha Thema,
er lehrt sie uns im Viererschema6. |
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Die erste
Wahrheit sagt: Das Leiden7
kann kein Geborener vermeiden. |
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Alter, Tod
und Wiederwerden
sind jeden Wesens Los auf Erden8. |
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Von all den
Toden, die wir litten,
lässt sich ein Knochenberg aufschütten9. |
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Wo die fünf
Khandhas10 sich verbinden,
da glaubt der Mensch ein Ich zu finden. |
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Das Wörtchen
"ich" ist sprachlich praktisch11,
jedoch gibt es ein Ich nicht faktisch. |
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Gäb's
eine Seele12, die unendlich,
wär ew'ges Leben unabwendlich13. |
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Auch nicht
die Wiederdaseinslehre
erzwingt, dass da ein Attan wäre. |
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Das Wiederwerden
setzt durchaus
den Seelenglauben nicht voraus. |
|
hinduistischer
Einwand
Der Ātman, der niemals vergeht,
er garantiert Identität14. |
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Wenn's keinen
Ātman gäb, wär dann
die Neugeburt der selbe Mann? |
|
Wär die
Geborene genau
identisch mit der selben Frau? |
|
Erntet die
Karmafrüchte später
ein andrer als der einst'ge Täter? |
|
buddhistische
Antwort
Nichts im Saṃsāra15
ist konstant,
ein ew'ger Attan unbekannt. |
|
Kein Seelenfaden
zieht sich über
den Tod zur Neugeburt hinüber. |
|
Die Neugeburt:
kein Seelenwand'rer,
jedoch auch nicht ein völlig and'rer16. |
|
Mensch, Tiere
und die Welt geschehen17
im Werden, Tod und Neuentstehen. |
|
Dasein ist
Fließen immerfort
zu neuer Form, zu neuem Ort. |
|
Das Leben lebt
aus der Dynamik
und folgt Gesetzen der Mechanik. |
|
"Wenn
dieses ist, tritt jenes auf"18-
das Dasein folgt kausalem Lauf. |
|
Sind die Bedingungen19
gegeben,
zwanghaft erwächst dann neues Leben. |
|
Bedingt20
ist im Saṃsāra alles,
und drum auch Objekt des Zerfalles. |
|
Im Kreislauf
der Geburt sind Tode
eine zuwidre Episode21. |
|
Und von den
Freuden22 zeigt der Lehrer:
Sie wiegen leicht, das Leiden schwerer. |
|
Tilakkhaṇa23
sind die drei Viren,
die den Saṃsāra definieren. |
|
Nur Leute,
deren Einsicht24 klein,
erhoffen sich ein Wiedersein. |
|
Des Buddhas
zweite Wahrheit sagt,
warum ans Leid wir festgehakt. |
|
Drei Kräfte
sind's, die uns verführen,
hier im Saṃsāra zu rotieren. |
|
Gier, Hass
und Wahn sind die Gewalten
die uns ans Leid gefesselt halten. |
|
Des Kamma Qualität
bestimmt
den Kurs den uns're Zukunft25 nimmt. |
|
Die Kammareifung
ist das Band,
macht Täter mit der Frucht verwandt26. |
|
Jedoch wächst
Kammafrucht mitnichten
aus Taten, sondern Tatabsichten27. |
|
Die Tatmotive
sind Bestimmer
der Zukunft: Besser oder schlimmer. |
|
Was wir mit
guter Absicht wirken,
führt uns zu höheren Bezirken. |
|
Dagegen zieh'n
Gier, Hass und Wahn
nach unten auf der Daseinsbahn. |
|
Fünf Gatis28
bieten sich uns dar,
Geburt als Mensch ist gut - doch rar. |
*
|
Des Buddha
Wahrheit Nummer drei
ist Folgerung aus Nummer zwei: |
|
Gier, Hass
und Wahn sind zu beenden,
um Wiederdasein abzuwenden. |
|
Wer sich erlösen
will braucht Kraft
und Disziplin, damit er's schafft. |
|
Zudem ist auch
Geduld29 vonnöten,
will man die Āsavas30 ertöten. |
|
Als sicher
gilt, dass irgendwann
jedweder Mensch es schaffen kann. |
*
|
Des Buddha
vierte Wahrheit dann
gibt uns den Weg zur Freiheit31
an. |
|
Es ist und
bleibt ganz obligat
der edle achtgliedrige Pfad. |
|
Erlösung
schafft man nur alleine32,
Abkürzungswege gibt es keine. |
|
Dreifach nimmt
Zuflucht33 der Petent,
wenn er zum Dhamma sich bekennt. |
|
Saddhā34,
so nennt man das Vertrauen,
dass man auf Buddhas Wort kann bauen. |
|
Das Citta35
gilt's zu kontrollieren,
dass Reize uns nicht irritieren. |
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Upekkhā36
ist ein Gegengift,
wenn uns ein schweres Unglück trifft. |
|
Die Lebensführung
gilt als gut,
die andren keinen Schaden tut37. |
|
Friedfertigkeit
beendet Streit
und führt zur Minderung von Leid38. |
|
Mit Mettā39
alle Welt umfassen,
doch sich von ihr nicht binden lassen. |
|
Üb' Achtsamkeit40
in allen Lagen,
sowohl beim Tun wie beim Ertragen. |
|
Samādhi41
man soweit nur treibt,
als Achtsamkeit erhalten bleibt. |
|
Ein Arahat42
ist man geworden,
wenn Gier und Hass und Wahn erstorben. |
|
Ein Heil'ger
wird man durch Erklärer,
ein Buddha ist sich selber Lehrer43. |
|
Parinibbān'44
wird festgestellt,
wenn des Erlösten Leib zerfällt. |
Fußnoten:
1 |
Der Vorname
des Buddha in Pāli-Sprache. Der volle Name lautet Siddhattha
Gotama (Skt. Siddhārtha Gautama). Die Gotama-Familie gehörte
zum Stammesverband der Sakya (Skt. Śākya) und lebte
im 5./4. Jh. v.u.Z. im heutigen Grenzgebiet zwischen Indien und
Nepal. Siddhattha verwirklichte die Buddhaschaft im Alter von
35 Jahren. Wenn von ihm die Rede ist, bevor dieses Ereignis stattgefunden
hat, kann er noch nicht als Buddha, sondern muss als Bodhisatta
(Skt. Bodhisattva) bezeichnet werden. [zurück] |
2 |
Bodhi
= Erwachen oder Erleuchtung. Ihre Wirkung auf Siddhattha war dreifach:
Sie machte ihn zu einem Buddha, befreite ihn von Gier, Hass und
Unwissenheit und somit von zukünftiger Wiedergeburt, und
ließ ihn die Gesetzlichkeit der Welt erkennen, die er dann
als Dhamma (= Lehre) darlegte. [zurück] |
3 |
Das Wort dhamma
(Skt.: dharma) bezeichnet das Weltgesetz von Ursache und
Wirkung, bedingtem Entstehen und Vergehen; sodann die Lehre des
Buddha, die diesen Naturprozess für die Erlösung nutzt;
und letztlich die formulierte Lehre als die "Wahrheit"
schlechthin. Der Buddha war überzeugt, mit seinem Dhamma
nichts frei Ersonnenes, nicht etwas Erfundenes vorzutragen, sondern
einen Naturvorgang offen zu legen, nämlich die Wiedergeburt
und - als Fazit - den Weg zu ihrer individuellen Aufhebung. [zurück] |
4 |
Saṅgha
= Mönchs- und Nonnenorden. Das erste Konzil zur Zusammenstellung
der Lehrreden (P.: sutta, Skt.: sūtra) des
Buddha traf sich wenige Monate nach dem Tode des Meisters in Rājagaha
(Skt.: Rājagṛha), der Hauptstadt des altindischen Königreichs
Magadha. Der bei dem Konzil kompilierte Textkanon wurde mündlich
weiter gegeben, bis er im 1. Jh.u.Z. auf der Insel Laṅkā
(Ceylon, das heutige Sri Lanka) in der Pāli-Sprache niedergeschrieben
wurde. Der Pāli-Kanon ist bis in die Gegenwart überliefert.
[zurück] |
5 |
Das Sprachbild
"Rad der Lehre" stammt vom Buddha selbst (M 26,25).
Das Rad ist das Symbol des Buddhismus - wie im Christentum das
Kreuz. Zumeist hat es acht Speichen. [zurück] |
6 |
In den Vier
Hohen (oder: Edlen) Wahrheiten: vom Leiden, vom Leidensursprung,
von der Leidensaufhebung und dem Weg zur Leidensaufhebung. [zurück] |
7 |
Dukkha.
Der Begriff umfasst alle negativen Gefühle, seien sie physischen
oder psychischen Ursprungs. Der Buddha subsumiert unter "Leiden"
alle Unannehmlichkeiten, die aus dem Zeitablauf (= Vergänglichkeit),
aus dem Raum (= Trennung) und aus dem Dasein als Person hervorgehen.
Belegtext; S 56,11,5. [zurück] |
8 |
Alle indischen
Denksysteme sehen das Leben und die Wiedergeburt als leidhaft
an und erstreben die Erlösung aus dem Wiedergeburtenkreislauf
als höchstes Ziel. [zurück] |
9 |
Belegtext S
15,10,4 = Itiv 24 [zurück] |
10 |
Die fünf
khandhas (Skt.: skandhas) = "Gruppen",
die in Kombination die empirische Person darstellen, sind Körper,
Empfindung, Wahrnehmung, Willensregungen und Bewusstsein. Weder
die einzelnen khandhas noch ihre Gesamtheit sind etwas
Dauerhaftes, das man als "Seele" bezeichnen könnte.
Belegtext S 22,20. [zurück] |
11 |
Wir benutzen
das Wort "ich", wenn wir von uns selber sprechen. Ein
reales und dauerhaftes Ich im Sinne von Seele ist jedoch nicht
existent. Die Worte "Ich" und "Selbst" werden
gegenstandslos, wenn der Mensch, der sie benutzte, verstirbt.
[zurück] |
12 |
Seele = attan
(Pāli) / ātman (Skt.). Im Folgenden werden beide
Sprachformen verwendet, je nachdem, ob der Buddhist oder der Hindu
spricht. [zurück] |
13 |
Der Buddha
kannte die upaniṣadische Lehre von einer ewigen, sich in der Wiedergeburt
immer wieder neu bekörpernden Seele (Skt.: ātman)
aus seiner Schülerschaft bei Uddaka Rāmaputta und verwarf
sie als falsch. Seine eigene Lehre vertritt die Gegenthese zum
Seelenglauben: Sie betont, dass eine ewige Seele (P.: attan
= Skt.: ātman) nicht existiert. Zum Ausdruck dessen
verwendet der Buddha das Wort "Seele" (attan)
stets im ablehnenden Sinne mit der negierenden Vorsilbe an-:
Der Buddhismus ist eine Anatta- (Skt.: Anātma-),
eine Nichtseelen-Lehre. Nur durch die Nichtexistenz einer ewigen
Seele ist die Erlösung der Wesen möglich, denn ein Ewiges
wäre - gerade durch seine Ewigkeit - an ein Dasein ohne Ende
gebunden. Dasein jedoch ist in jedem Falle leidhaft. [zurück] |
14 |
Der Buddha
lehrt - wie weiter unten ausgeführt wird - Wiedergeburt ohne
Seele. Der Hindu wendet dagegen ein, dass es ohne eine (ewige)
Seele und deren Wanderung von dem Sterbenden zur Wiedergeburtsperson
keine Identität zwischen der Vor- und der Nach-Existenz gebe
und dass ohne Seelenidentität keine Kammagerechtigkeit gewahrt
sei. [zurück] |
15 |
Saṃsāra
= das "Herumlaufen" von Wiedergeburt zu Wiedergeburt,
der saṃsārische Kreislauf. [zurück] |
16 |
Der Wiedergeborene
ist mit dem Verstorbenen nicht voll identisch (weil ein Seelenband
fehlt), er ist aber auch kein völlig anderer (da er ja durch
das Kamma des Verstorbenen bedingt ist). Die Wahrheit liegt in
der Mitte dazwischen: in der Kausalität. Belegtext S 12,17,14-15.
[zurück] |
17 |
Lebewesen und
die Dinge der Welt haben kein beharrendes Sein, sondern existieren
im fluktuierenden Anderswerden. Dieses Fließen unpersönlicher
Faktoren stellt das Leben dar. Der Tod ist in der Kette der Wiedergeburten
nicht das Ende, sondern nur eine Station, hinter der eine - durch
das alte Kamma bestimmte - neue Daseinsform beginnt. [zurück] |
18 |
Belegtext Ud
1,3; M 115,11. [zurück] |
19 |
Die vorangegangene
Kārikā sprach von Kausalität. Diese Kārikā
präzisiert, dass es sich beim Vorgang der Wiedergeburt weniger
um monokausale Verursachung (hetu) handelt, als um Polykonditionalität,
bei der mehrere Voraussetzungen oder Bedingungen (paccaya,
nidāna) die Wirkung erzeugen. Zwanghaft erwächst
das neue Leben, weil beim Vorhandensein alten Kammas die Wiedergeburt
als Reifung dieses Kamma unausweichlich ist. Der Vorgang des Bedingten
Entstehens (paṭiccasamuppāda) wird erklärt
in M 38,19. [zurück] |
20 |
Bedingt (saṅkhata)
ist alles, was aus Tatabsichten (saṅkhāra in
Bedeutung 2) kammisch hervorgeht, d.h. primär die aus den
fünf Khandhas bestehende empirische Person (saṅkhāra
in Bedeutung 3), sekundär die (im Geist des Wiedergeborenen
widergespiegelte) Welt. Alle bedingten Dinge unterliegen der Vergänglichkeit.
Belegtext Dhp 277. [zurück] |
21 |
Von den vielen
Stationen des Herumirrens im Saṃsāra wird der immer
wiederkehrende Tod als besonders erschreckend angesehen. Nur der
Zustand der Erlöstheit im Verlöschen (nibbāna)
ist ohne Tod - er ist todlos (amata). Belegtext M 26,13.
[zurück] |
22 |
Freuden werden
vom Buddha nicht bestritten, sie sind jedoch kurzlebig und hinterlassen
bei ihrem Schwinden Leid. Gäbe es keine Freuden, wäre
der Saṃsāra nicht einmal für schlichte Geister
verlockend. Belegtext S 22, 69, 4-16. [zurück] |
23 |
Die drei Kennzeichen
(lakkhaṇa) des Saṃsāra sind Vergänglichkeit,
Leiden und das Fehlen einer (ewigen) Seele (anatta). Vergänglichkeit
und Leiden sind die Krankheitserreger, durch deren Vorhandensein
sich der leidhafte Wiedergeburtenkreislauf (saṃsāra)
von der Erlösung (nibbāna) unterscheidet. Belegtext
A 3,137. [zurück] |
24 |
Mangel an Einsicht
(paññā) in die Leidhaftigkeit der Wiedergeburt
- anders ausgedrückt: Wahn (moha) oder Unwissenheit
(avijjā) - ist eine der drei Triebkräfte des
Geburtenkreislaufs. [zurück] |
25 |
Die Taten (kamma)
bestimmen durch ihre eigene ethische Qualität die Qualität
der wiedergeburtlichen Daseinsform. "Der Körper ist
alte Tat" erklärt der Buddha (in S 12,37). [zurück] |
26 |
Das Kammagesetz,
das aus jedem Tun (kamma), genauer: aus jeder Tatabsicht
(saṅkhāra, cetanā), unausweichlich
die wiedergeburtlichen Folgen in Form einer Wiedergeburt hervorgehen
lässt, ist im Buddhismus das Kausalband. Die Wiedergeburt
bedarf keiner unsterblichen Seele (P.: attan; Skt.: ātman)
als Identitätsträger. [zurück] |
27 |
Nicht die Taten
(kamma) an sich bestimmen die wiedergeburtliche Zukunft
des Menschen, sondern die den Taten vorausgehenden Tatabsichten
(saṅkhāra oder cetanā), die Tatmotive.
Auch eine beabsichtigte, aber dann durch äußere Verhinderung
nicht zur Ausführung gekommene Tat schafft kammische Frucht
(kammaphala). Die Erlösung von der Wiedergeburt erfordert,
keine (saṃsārisch bindenden) Tatabsichten zu hegen.
Belegtext Dhp 154, Snip 731. [zurück] |
28 |
Gati
= Daseinsbereich. Die fünf Daseinsbereiche, in denen man
je nach der Qualität der Tat(absichten) wiedergeboren werden
kann, sind: Himmelswelt, Menschenwelt, Welt der Totengeister,
Tierwelt und Hölle. Auch die Wiedergeburt im Himmel ist keine
Erlösung, da auch die Götter der Wiedergeburt unterworfen
sind. Belegtext M 12, 35. Die Wiedergeburt in der Menschenwelt
gilt als schwer zu erlangen, ist aber trotz ihrer Leidhaftigkeit
die günstigste, da Menschen am ehesten der Lehre des Buddha
begegnen können. Belegtext A 1,33; Dhp 182. [zurück] |
29 |
Geduld (khanti)
ist erforderlich, da zur Verwirklichung der Erlösung je nach
der abzutragenden Kammalast mehrere oder viele Wiedergeburten
erforderlich sein können. Belegtext Dhp 184. [zurück] |
30 |
Die Āsavas,
wtl. "Einfließungen", sind Gier, Hass und Wahn
(= Verblendung). [zurück] |
31 |
Zur Erlösung
von Wiedergeburt und Leiden. [zurück] |
32 |
Die Aufhebung
von Gier, Hass und Wahn (= Verblendung, Unwissenheit, Verbohrtheit)
kann jeder nur in sich selbst verwirklichen. Erlösungshilfe
von außen, ausgenommen durch Belehrung über den Dhamma,
gilt im Frühbuddhismus als ausgeschlossen. [zurück] |
33 |
Dreifache Zuflucht
nimmt der angehende Buddhajünger zum Buddha, zur Lehre und
zur Bekennergemeinde. Die Zufluchtformel muss vor Zeugen drei
Mal gesprochen werden. [zurück] |
34 |
Saddhā
= gläubiges Vertrauen. Saddhā ist das Vorschussvertrauen,
das der Heilssucher dem Buddha entgegenbringen muss, um sich auf
dessen Wegweisung einzulassen. [zurück] |
35 |
Citta
= Geist, Denken. Wichtig ist die Bewachung der Sinnestore, die
verhindert, dass aus Wahrnehmungen Affekte entstehen. Belegtext
D 2,64. [zurück] |
36 |
Upekkhā
= Gleichmut. Er ist nicht angebracht gegenüber dem Leid der
anderen, denen Mitgefühl (karuṇā, anukampā)
gelten sollte. Gegenüber eigenem Leid aber ist Gleichmut
eine gute Wappnung. [zurück] |
37 |
Belegtext Dhp
183. [zurück] |
38 |
Belegtext Dhp
3-5. [zurück] |
39 |
Mettā
= (affektfreie) Güte, d.h. Wohlwollen zu allen Wesen, auch
zu Tieren. Die mettā darf nicht zu innerer Bindung
werden. Belegtext Itiv 27, Snip 143-152. [zurück] |
40 |
Sati
= Achtsamkeit. Das Wort bezeichnet auch Besonnenheit, Vollbewusstheit,
Wachheit und Klarheit des Geistes. [zurück] |
41 |
Samādhi
= Meditation, geistige Sammlung. Der Pāli-Kanon nennt mehrere
Tiefenstufen (jhāna) der Meditation. Bei den oberen
vier Stufen bleibt die Bewusstheit = Achtsamkeit der Meditierenden
wach, auf den weiteren Tiefenstufen sinken sie in yogische Trance
ab. Zur Erreichung der Buddhaschaft reichen die vier Wachheitsstufen
aus (M 36,34-37). Sie bestehen in "Einspitzigkeit" des
Geistes (M 44,12). [zurück] |
42 |
Arahat
= ein Heiliger ist geworden, wer sich durch Selbstdisziplinierung
vom Zwang zur Wiedergeburt erlöst und dadurch das Nibbāna
erreicht hat. [zurück] |
43 |
Als Heiliger
(arahat) wird im Buddhismus bezeichnet, wer die Lehre von
anderen gehört und sie verwirklicht hat. Die Bezeichnung
Buddha, Erwachter, ist Menschen vorbehalten, die die Lehre selbst
entdeckt und das Nibbāna erlangt haben. [zurück] |
44 |
Das buddhistische
Heilsziel Nibbāna (Skt.: nirvāṇa),
das Verlöschen, hat zwei Phasen. Die erste Phase, die Erlösung
zu Lebzeiten, wird erreicht, sobald Gier, Hass und Unwissenheit
bei dem Heilssucher verloschen sind und ihm keine Wiedergeburt
mehr droht. Die zweite Phase, das "Rundum-Verlöschen"
(parinibbāna), tritt ein, wenn auch die letzten Kammawirkungen
(kammavipāka) abgegolten sind und die Khandhas, die
seine Person ausmachten, zerfallen: Wenn der Erlöste stirbt.
Belegtext Itiv 44. [zurück] |
Abkürzungen
A |
Aṅguttara-Nikāya,
(nach Begriffsgruppen, je nach der Zahl ihrer Unterbegriffe angeordnete,
d.h.) Angereihte Sammlung von Lehrreden des Buddha |
D |
Dīgha-Nikāya,
Sammlung der Längeren Lehrreden des Buddha |
Dhp |
Dhammapada,
Sammlung von Strophen |
Itiv |
Itivuttaka,
Denksprüche des Buddha |
M |
Majjhima-Nikāya,
Sammlung der Mittellangen Lehrreden des Buddha |
P. |
Pāli |
S |
Saṃyutta-Nikāya,
Sammlung von Lehrreden des Buddha in thematischer Anordnung |
Skt. |
Sanskrit |
Snip |
Sutta-Nipāta,
Sammlung von Lehrdichtungen |
Ud |
Udāna,
Aussprüche des Buddha |
Hinweis:
eine Liste
der Werke von Dr. H.W. Schumann
|