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Das Fasten im Buddhismus
 

Ein kurzer Vortrag von

Santuṭṭho

zum Ende des Ramadan vom 16.08.2012 in der Khadija Moschee Pankow

Der fastende Bodhisatta.
Eine Steinmetzarbeit, gesehen in Rajgir.

 

Um es gleich vorweg zu sagen: Eine dem Ramadan entsprechende Art des Fastens beziehungsweise der Fastenzeit gibt es im ursprünglichen Buddhismus nicht.

Wenn jemand das Fasten fast bis zum Tod ausprobiert hat, so darf man mit Sicherheit den Siddhattha Gotama, den historischen Buddha, hinzuzählen. Er beschreibt das so:

(MN 26) "Es gibt bestimmte Mönche und Brahmanen, deren Lehrmeinung und Ansicht besagt, dass Läuterung durch Nahrung zustande kommt. Meine Askese war so: ... ich nahm kein Essen an, das mir gebracht oder für mich zubereitet wurde ... ich nahm keinen Fisch und kein Fleisch an, ich trank keinen Schnaps, Wein oder fermentiertes Gebräu. Ich hielt mich an einen Haushalt und nahm einen Bissen bis hin zu sieben Haushalten und sieben Bissen. Ich lebte von einem Löffel voll am Tag bis zu sieben Löffel voll am Tag. Ich nahm ein Mal täglich Essen zu mir, alle zwei Tage und so weiter bis zu einem Mal alle zwei Wochen. So beschäftigte mich mit der Praxis, Essen nur in festgelegten Abständen zu mir zu nehmen. (Hier folgt eine recht detaillierte Beschreibung, was und wie oft er aß.) ... Nun entsinne ich mich, eine einziges Reiskorn pro Tag gegessen zu haben. Indem ich mich so ernährte, erreichte mein Körper den Zustand äußerster Auszehrung. Weil ich so wenig aß, sahen meine Glieder aus wie durch Knoten unterteilte Weinreben oder Bambusrohre, mein Gesäß wie ein Kamelhuf, meine Wirbelfortsätze standen hervor wie aufgereihte Perlen, meine Rippen ragten heraus wie die Dachsparren einer alten, ungedeckten Scheune, meine Augen sanken tief in die Höhlen zurück und das sah aus wie der Glanz des Wasser-spiegels, der in einem Brunnen tief abgesunken ist. Meine Kopfhaut verschrumpelte und verdorrte und meine Bauchdecke lag auf meinem Rückgrat auf, daher fühlte ich mein Rückgrat, wenn ich meine Bauchdecke berührte. Weil ich so wenig aß, stürzte ich beim Urinieren oder beim Stuhlgang auf das Gesicht. Mir fiel auch das an den Wurzeln verfaulte Haar aus, wenn ich versuchte meinem Körper Erleichterung zu verschaffen, indem ich meine Glieder mit den Händen massierte. - Und doch, durch solche Praxis, durch die Ausübung solcher Askese erlangte ich keinerlei übermenschliche Geistes-zustände, keinerlei Klarheit des Wissens und keinerlei Erreichung, die der Edlen würdig ist. Warum war das so? Weil ich jene edle Weisheit nicht erlangt hatte, die, wenn sie erlangt wird, edel und befreiend ist und denjenigen, der in Übereinstimmung damit übt, zur vollständigen Vernichtung der Leidhaftigkeit führt."

Seine Erkenntnis aus den eigenen Erfahrungen, einerseits das frühere Leben als Fürsten-sohn und dann als strenger Asket, fasst er so zusammen:

(Mvg 13) "Zwei Extreme gibt es, die man nicht pflegen sollte. Welche zwei? Das ist einerseits die Hingabe an den Genuss der Sinnesfreuden, den niedrigen, ordinären, gewöhnlichen, unedlen, sinnlosen, und andererseits die Hingabe an die Selbstqual, der leidvollen, unedlen, sinnlosen. Diese beiden Extreme vermeidend, ist durch den Vollendeten vollständiges Verständnis des mittleren Weges erlangt worden, des Einsicht gebenden, wissend machenden, der zur Beruhigung, Weisheit, Erkenntnis, Nibb?na hinführt. Es ist dieser edle, achtspurige Weg, nämlich: rechte Ansicht, rechte Gesinnung, rechte Rede, rechtes Tun, rechter Lebensunterhalt, rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit und rechte Konzentration."

Die Mäßigung bei der Nahrungsaufnahme wurde vom historischen Buddha sehr gelobt, aber Fasten als Askese, vor allem wenn es zu gesundheitlichen Schäden führt, hat er für die spirituelle Praxis als untauglich verworfen. Die buddhistischen Mönche sollen nach dem Mittag nichts mehr essen und auch Laienanhänger befolgen - zumindest am Uposatha, dem buddhistischen "Sonntag" - diese Vorschrift.

Am ehesten könnte man den Ramadan mit der sogenannten "Regenzeit" vergleichen. Das ist die wenigstens dreimonatige Zeit, in der die buddhistischen Mönche an einem Ort verweilen, zumeist in etablierten Klöstern. Diese Regelung entstand aus ganz praktischem Anlass: dem Monsun. Denn der machte damals und vielleicht auch heute noch die Straßen und Wege unpassierbar und allerlei Getier kam hervor, welches durch die umherwandern-den Menschen verletzt werden konnte. Der Buddha erließ die Vorschrift, dass die buddhistischen Mönche während des Monsun nicht umherwandern sollen auf Anregung der Bevölkerung. Das liest sich so:

(Mvg 184) Zu jener Zeit weilte der Buddha, der Erhabene, in R?jagaha im Bambushain am Eichhörnchenfutterplatz. Damals hatte der Erhabene nicht erlassen, sich während der Regenzeit an einem Ort aufzuhalten. So gingen die Mönche im Winter, im Sommer und in der Regenzeit auf Wanderschaft. Die Menschen wurden verärgert, unruhig und regten sich auf: "Wie können bloß diese Asketen, die Sakyasöhne im Winter, im Sommer und in der Regenzeit auf Wanderschaft gehen? Sie treten Grünes und Gras nieder, verletzen eine Sinnesfunktion habende Wesen und töten viele kleine Lebewesen. Sogar die Anders-gläubigen, halten sich an den Regenzeitbrauch und sorgen vor. Sogar die Vögel, nachdem sie im Baumwipfel ein Nest gebaut haben, halten sich an den Regenzeitbrauch und sorgen vor. Aber diese Asketen, die Sakyasöhne, gehen im Winter, im Sommer und in der Regen-zeit auf Wanderschaft, treten Grünes und Gras nieder, verletzen eine Sinnesfunktion habende Wesen und töten viele kleine Lebewesen."

Also wurde die Vorschrift erlassen: "Nach dem Antritt der Regenzeit für drei Monate soll man nicht ohne sie verbracht zu haben, zum Wandern aufbrechen. Wer zum Wandern aufbricht, begeht ein Vergehen."

Das völlige Enthalten von der Nahrungsaufnahme ist nicht üblich, wird aber für einige Tage als gute Vorbereitung für eine intensivere Meditationspraxis gerne ausgeführt. Der Nutzen des Fastens, hier im Sinne von reduzierter Nahrung und für einen ganz bestimmten Zweck, ist ganz offenkundig. Fasten reinigt zuerst einmal den Körper. Er wird entschlackt, sagt man. Man wird leichter. Die Schwerfälligkeit schwindet. Das macht sich im Geist ganz genauso bemerkbar. Außerdem: die Zeit, in der man sonst beschäftigt war Nahrung zu beschaffen, sie zuzubereiten und zu essen kann man für die Meditation verwenden. Man muss jedoch beachten, dass ein gewisses Gleichmaß eingehalten wird, denn Hunger ist ein großes Übel. Wer hungert, wird aggressiv. Der Geist fängt an, Hungerfantasien zu produzieren. Das führt mit Sicherheit nicht zu spirituellem Fortschritt. Und aggressives Verhalten wird mit ziemlicher Gewissheit auf wenig Gegenliebe stoßen. Daher ist auch beim Fasten der mittlere Weg einzuhalten. Extreme schaden einem selber und anderen. Das taugt gewiss nicht, mit anderen Menschen friedvoll auszukommen, geschweige denn mit sich selber.

Lasst uns also das rechte Maß halten - und zwar bei allem was wir tun. Nicht nur beim Fasten und ab heute wieder, dem Essen.


MN = Majjhima Nikāya
Mvg = Mahāvagga (Vinaya)

 

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