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Die Lehre des Buddha ist NICHT pessimistisch!
 

Ein Vortrag von

Santuṭṭho

 

Pagode in Burma


Buddhismus wird mitunter als pessimistisch dargestellt. Nicht zuletzt, weil es da dauernd um das Leiden geht. Wer mag schon leiden? Unsere geistige Kompassnadel ist immer auf das ausgerichtet, was als am meisten positiv bewertet wurde. Ist es der Skatabend, freut man sich die ganze restliche Woche darauf. Ist es eine Feier, die Genuss verheißt, so kann man diese kaum erwarten. Ist es der Urlaub, von dem man sich Freude verspricht, ... Paul Debes, ein sehr bekannter Pionier des Buddhismus in Deutschland, sagte zum Daseinsfaktor "Bewusstsein", dass es die "programmiere Wohlerfahrungssuche" sei. Irgendwie hat er schon recht.

Es gibt da verschiedene Arten von Freude: weltliche, überweltliche, beruhend auf Sinnenkontakt, nach außen gerichtet, von außen verursacht oder beruhend auf Erkenntnis, ausschließlich von innen kommend.

Freude, die auf Äußerem beruht, ist schnelllebiger und hat daher eher den faden Beigeschmack der Vergänglichkeit. Freude die von innen aufsteigt ist fast ständig "abrufbar", verfügbar, also eher tragfähig als erstere. Auch ästhetisch hervorgerufene Freude ist letztendlich von Außen stimuliert, aber insofern schon reiner als sie womöglich nicht auf Sinnengier bzw. Genusssucht beruhte oder auslöst.

Schadenfreude wäre wohl die "schönste" Freude, aber nur für einen schon pervertierten Geisteszustand, der sich aus einem fett gefütterten Ego manifestiert. Wie oft haben wir uns aber schon erwischt, dass wir uns gefreut haben über ein Missgeschick, das einen anderen getroffen hat. Wir sind der Meinung, das geschieht dem recht. Wer spricht hier Recht? Wollen wir uns zum Richter aufwerfen? "Richtet nicht über andere, auf dass ihr nicht gerichtet werdet mit dem selben Maße." Da ist sie nun dahin, unser kleines bisschen Freude. Bei manchen die einzige, die sie haben.

Der Buddha lehrte eigentlich nicht, was das Leiden ist. Er verwendete das Wort Dukkha. Das körperliche Leiden wird mit Ābādha bzw. Roga bezeichnet. Für die Liebhaber von Zahlen: Laut einer CD auf der alle Texte1 sind, erscheint das Wort Dukkha 47 Mal (in 16 Büchern), Ābādha 265 Mal (in 85 Büchern) und Roga 305 Mal (in 108 Büchern). Das ist ziemlich viel. Aber auch für Freude hat der Buddha verschiedene Worte benutzt, um eben verschiedene Arten damit genauer zu treffen. Sukha, was man getrost als Gegenteil von Dukkha bezeichnen kann, erscheint 33 Mal (in 18 Büchern). Nandi, das sich Erfreuen 24 Mal (in 19 Büchern), Nandana, 14 Mal (in 10 Büchern), Pamodana, die ganz normale Freude 23 Mal (in 10 Büchern), Rati 132 Mal (in 66 Büchern). Muditā, die Mitfreude erscheint 194 Mal (in 52 Büchern) und Pīti, auch eine Form von Freude erscheint 1056 Mal (in 125 Büchern). Also alles in allem steht es 1476 zu 617 für die Freude. Die Wortverbindungen sind da ausgelassen worden. Auch die freudvollen Zustände wie z.B. Wonne, Zufriedenheit usw. Zurück zu Dukkha. Du- ist eine negativ machende Vorsilbe und -kha steht für Radnabe. Also kann man sich Dukkha recht gut bildlich vorstellen - eben als nicht richtig laufendes Rad, es eiert sozusagen. Dukkha mit Leiden zu übersetzen trifft die Sache nicht so recht, aber es hat sich halt so eingebürgert. Das Wort "unzulänglich" ist nahezu perfekt. Unbefriedigend, nicht zufriedenstellend sind weitere passende Bezeichnungen. Also lehrte der Buddha "nur", "Was ist nicht zufrieden stellend", "Was ist die Ursache dafür". Dies sind die zwei ersten der sog. Vier Edlen Wahrheiten. Das ist es also, was den Buddhismus als pessimistisch erscheinen lässt.

Aber die zwei anderen Edlen Wahrheiten lässt man weg. Und gerade die machen Buddhismus zu einer freudvollen Angelegenheit. Nämlich: "Es gibt einen Ausweg aus der Unzulänglichkeit" und "Dies ist der Weg zur Aufhebung der Unzulänglichkeit". Wenn Zufriedenheit eintritt, was wir uns doch normalerweise alle wünschen, kommt doch so etwas wie Freude auf - oder? Demnach verdient die 4. Edle Wahrheit ein klein wenig Beachtung mehr. Der Weg zur Zufriedenheit besteht laut Buddha aus acht Gliedern. Man spricht meist vom Edlen Achtgliedrigen Weg. Man mag sich das optisch wie eine achtspurige Autobahn vorstellen. Es ist kein Stufenweg! Zuallererst ist Rechte Ansicht (Erkenntnis wird mitunter auch gesagt). Logisch, denn ohne richtige Ansicht zieht man falsche Schlüsse, die wiederum usw. usf. Da kommt natürlich keine echte Freude auf, wenn man etwas falsch macht, weil man es eben nicht besser gewusst hat. Wie sagt der Volksmund so schön: "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht". Rechte Ansicht ist ständig vonnöten. Auch beim genießen von Freude. Eben wenn man weiß, dass diese aus Sinnengenuss herrührende Freude bedingt entstanden ist, vergänglich ist, haftet man nicht so sehr daran. Man leidet dann auch nicht so, wenn der freudvolle Zustand vorüber geht (was er übrigens mit Sicherheit tun wird). Hat man rechte Ansicht gewonnen, folgt auf dem Fuße die rechte Gesinnung. Das heißt man richtet sich innerlich nach den neu gewonnenen Erkenntnissen aus. Was wiederum kaum zu trennen sein dürfte von den nächsten drei Teilen, nämlich rechte Rede, rechtes Tun und rechten Lebensunterhalt. Somit kann man leicht feststellen, wie eigentlich der sog. Achtpfad ein dynamischer Prozess ist. Nichts nacheinander zu bewerkstelligendes. Bei den drei nächsten Aspekten wird es subtiler. Rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit und rechte Konzentration gehen Hand in Hand. Die Achtsamkeit ist einfach nicht einzeln von irgend einem der drei, besser noch, von einem der acht Glieder loszulösen - hat man denn rechte Ansicht gewonnen. Gewonnen ist auch nicht ganz richtig, denn man muss sich rechte Ansicht erarbeiten. Sie beruht auf eigener Erkenntnis, nicht auf Erlerntes, Abgekupfertes. Aber sicher kann man durch Abgucken etwas lernen - doch es ist erst dann eigenes Wissen, eigene Erkenntnis, wenn man die Sache im eigenen Geist verarbeitet hat, sich darüber Gedanken gemacht hat, es erwogen hat, geprüft usw. Zurück zur Freude.

Ein erfreuliches Thema, stimmt´s? Haben wir also für uns selber erfahren, dass man, wenn man anderen schadet, sich zumeist und zuallererst selber schadet, so nimmt der Geist Stückchen für Stückchen eine andere Ausrichtung an. Aber wir alle kennen nur allzu gut das sog. "graue Tier Gewohnheit". Schwer ist es, dagegen anzukommen. Da kommt doch Unfreude auf. Unlust. Auch Schadenfreude ist keine wirkliche Freude - so sehr wir uns auch freuen. Schauen wir doch einfach in den Spiegel. Nicht in das Nachrichtenmagazin, da freut man sich bei den vielen Schreckensmeldungen auch nicht gerade, sondern am besten in einen Handspiegel. Nun rufen wir uns ins Gedächtnis, wie wir reagierten, als wir nach einem Missgeschick ausgelacht worden sind. Na das war vielleicht schön... Oder etwa nicht? Also können wir recht schnell bemerken, dass Schadenfreude keine heilsame Freude ist, da sie aus einer der drei üblen Einflüsse, die unsere Existenz eben ausmachen, herrührt. Sie heißt ganz einfach Aversion, kurz Hass. Alles was da zwischen Hass als grobe Form und der allersubtilsten Neigung weg-von-was-auch-immer, gilt als Aversion, als Abneigung. Das Gegenteil ist Zuneigung, Hinneigung, über Begehren, Liebe bis hin zur Gier. Die dritte Wurzel ist dann die Unwissenheit. Nicht weil wir zuwenig Zeitung lesen, Fernsehen oder Bücher schmökern. Nein, diese Art Wissen ist es nicht. Es ist das Nichtwissen um eben der oben aufgeführten Vier Wahrheiten. So "einfach" kann das Dasein sein. Eigentlich recht überschaubar - oder?

Hass ist ein großes Übel, aber leicht zu überwinden. Gier ist ein kleines Übel aber schwer zu überwinden. Unwissenheit ist ein großes Übel UND schwer zu überwinden. Na prima. Da war sie dahin, unsere Freude. Erst freuten wir uns, weil es ja bloß drei Übel sind, die wir zu überwinden haben, und dann erfahren wir, dass dies gar nicht so leicht ist. Fangen wir langsam an! Wer schnell rennt, kann leicht Fehltritte tun, stolpern, auf die Nase fallen. Es gibt ja auch noch die ganz alltäglichen, kleinen, zuweilen banalen Freuden. Da lächelt uns jemand an (kann ja mal vorkommen). Der bösartig Gesinnte denkt nun gleich, dass er ausgelacht wird. Der Gutartige lächelt zurück und genießt es. Der Neutrale nimmt es als gegeben hin. Aber auch er freut sich. Wissend, dass es Freude gibt, die man ohne anzuhaften genießen kann - und wenn es eben nur ein Lächeln ist. Dann lächelt auch er oder sie. Da kann man sich auch über etwas Gelungenes freuen. Nicht gleich so hoch stecken die Erwartungen. Übrigens haben Erwartungen nur den einen Zweck: nämlich enttäuscht zu werden. Hören wir doch einfach auf damit. Hören wir endlich auf zu erwarten, dass gerade wir die nächsten Millionäre werden, dass gerade wir den Jackpot knacken usw. Es gibt Erwartungen, die treffen ein. Die Frage steht nur, Wann. Hier aber können wir selber eingreifen.

Realismus ist das erste, was uns zur Zufriedenheit verhelfen könnte. Ganz einfach und nüchtern anerkennen, dass es eben Menschen gibt, die tun Gutes und ernten Schlechtes und umgekehrt. Wobei natürlich Gut und Schlecht subjektiv sind. Schalten wir um auf objektiv, sieht das ganz anders aus. Was wir selber als Gut bewerten, mögen andere nicht und wieder umgekehrt. Somit sind auch Erwartungen subjektiv. Haben wir rechte Ansicht, eben die Erfahrung, die rechte Erkenntnis, so wissen wir, dass das, was wir hier und jetzt gerade erfahren, nur ein Resultat von früher ist. Mehr nicht. Wir wissen aber auch, dass wir gerade jetzt unser "Später" herstellen. Wie wir jetzt mit dem "Früher" umgehen, das ist unsere Zukunft. Ursache und Wirkung. Und dieses Gesetz ist unabhängig existent von unserer Erfahrung oder Akzeptanz oder gar Glauben. Genau wie das Hebelgesetz oder die Gravitation usw.

Da ist der Unterschied zwischen konventioneller und absoluter Wahrheit. Konventionell, also herkömmlich ist es durchaus wahr, zu sagen der Tisch, der Fußboden, das Irgendetwas. Aber absolut ist wahr, dass es eigentlich keine Substantive gibt, weil ein Substantiv statisch ist, verdinglicht, es starr macht. Aber da alles der Veränderung unterworfen ist, müsste es demnach heißen: das Tischen, das Fußboden, der Irgendetwasprozess. Hier kommen wir wieder an rechte Ansicht. Wenn wir wissen, und das aus eigener Erfahrung, und übrigens kann jeder Mensch diese Erfahrung machen, dass ALLES sich verändert, so können wir auch Freude genießen, sogar wenn sie sich verändert. Stellen wir uns doch vor, sie würde permanent vorhanden sein. Langeweile würde sich ausbreiten, was wahrlich kein freudiger Zustand ist - oder? Also muss Freude vergänglich sein, sonst ist sie keine. Freude, die von innen kommt ist zwar auch vergänglich, aber sie ist beständiger, eine Art verborgener Schatz. Keiner kann einem den nehmen.

So sitzen wir nun mehr oder minder krampfhaft hier und wollen uns eigentlich freuen. Bis zu einem Lächeln hat es ja schon gereicht. Freude lässt sich also nicht erzwingen. Sie steigt auf als ein Ergebnis von vorher Gewirktem. Somit ist die Verbindung zum Achtpfad vielleicht deutlich geworden: Verhalte ich mich so, dass Freude aufsteigen kann (mir selbst und anderen gegenüber), so mag es durchaus geschehen, dass Freude aufkommt. Wir machen uns viel zuwenig Gedanken darum. Ganz einfach weil wir viel zu sehr nach außen hin orientiert sind. Wir gieren nach Sinnenkontakten, auf dass diese uns Freude verschaffen mögen. Und da das mitunter klappt, sind wir irgendwie erfahrungsgemäß so gepolt, dass das richtig sei. Mit rechter Ansicht aber wissen wir, dass echte Freude von innen, aus einem selber kommt. Diese tiefe innere Freude, wo einem "warm ums Herz" wird, wie man so schön sagt. Verhalten wir uns demnach ethisch korrekt, also so, wie wir selber behandelt werden wollen (es sei denn wir sind Masochisten oder sowas), dürften wir weitaus eher damit rechnen, dass Freude von innen hochsteigt. Dass aber Freude aufsteigen kann, bedarf auch einer Art Wegbereitung dazu. Versuchen wir also den Alltagsschutt beiseite zu räumen. Den konsumierten Input, den flachen Stoff, der zu nix anderem nütze war als die Zeit totzuschlagen (als ob das ginge). Schauen wir mal auf die kleinen Dinge zuerst.

Da war doch dieser Bengel, der da grinste. Nehmen wir den Spiegel zur Hand und schauen wir mal rein. Kommt uns da etwas bekannt vor? Wenn ja, was? Diese komische Grimasse vielleicht? Warum lachen wir nicht einfach über dieses Etwas? Dieses Abbild, welches uns etwas vormacht? Ein Bild, welches wir wieder in unserem eigenen Geist interpretieren. Was würden wir denken, käme uns auf der Straße einer entgegen, der solch ein Gesicht zieht? Wollen wir das? Wie angenehm ist es, jemandem zu begegnen, der da etwas lächelt. Vielleicht sogar einen Gruß entbietet.

Da ist er wieder unser Bengel.

Wir haben verstanden.

Und wir lächeln.


Anmerkungen

1 Chaṭṭha Saṅgāyana CD ROM vom Vipassana Research Institute, Dhammagiri, Igatpuri 422 403 INDIA [zurück]

 

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