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Mettā - ganz nüchtern
 

Ein Vortrag von

Santuṭṭho

vom 18. Mai 2008

Der Große Buddha
(Kamakura Dai-Butsu)
Kamakura - Japan


Um Mettā wird so oft drum 'rum geredet,
viele schöne Worte sind da schon gemacht.
Es wär' auch schlimm, wenn man nicht davon redet,
doch wer hat schon an die Tat gedacht?

Für einen so kleinen Begriff aus der buddhistischen Terminologie gibt es erstaunlich viel, was geschrieben, gesprochen und gedacht worden ist. Zu den Resultaten kommen wir nachher.

Wie bei anderen Vorträgen auch, folgt hier erst einmal die Analyse des Begriffes. Also: Was ist Mettā? Den Umkehrschluss, was Mettā NICHT ist, den ersparen wir uns vorerst.

Das Wort Mettā wird zumeist mit "liebende Güte" übersetzt. Aber dem ist eben nicht so. Mettā bedeutet nichts anderes als Freundlichkeit. Ganz simpel, ganz nüchtern. So ergibt es auch am meisten Sinn. All die schwülstigen Begriffe, diese geistigen Aufschäumungen sind meist abwegig und dem realistischen Verständnis, einer direkten Nachvollziehbarkeit abträglich. "Allumfassende liebende Güte" - was für ein Wortungetüm. Wie viel Raum für Spekulationen und Missinterpretationen. Das einfache Wort Freundlichkeit (bzw. Wohlwollen) geht viel weiter, deckt ein breiteres Spektrum ab, und zwar OHNE Raum für abartige Ideen zu geben. Diese in diversen Kreisen oft hörbare Überbewertung von Mettā und damit verbundene Missinterpretation lässt den gesunden Menschenverstand, also das, was man dringend braucht, um realistisch zu sein, in einem Nebel esoterischem Wir-haben-uns-ja-alle-so-lieb-Geschwätz verschwinden. Der Geist wird getrübt und nicht geschärft, letzteres ist es aber, was doch eigentlich der Buddha lehrte. Ist es nicht besser, "die Dinge so zu sehen wie sie sind" - was nichts anderes bedeutet, als realistisch zu sein? Unter dem Deckmantel missinterpretiertem Mettā passieren die tollsten Sachen. Da wird toleriert, was übel ist, da wird verschwiegen, was übel ist, da wird verheimlicht, was übel ist. Nicht dass es darum geht, Übles aufzudecken, aufzuschäumen, zu verbreiten, nein es geht darum, den selbst gemachten Schleier, genannt Nicht-wahr-haben-wollen bzw. Schönfärberei, was nichts anderes ist als eine Form der Unwissenheit, zu zerreißen. Kritik ist mittlerweile, sogar wenn sie konstruktiv ist, das Schreckgespenst in den meisten buddhistischen Kreisen geworden. Wer kritisiert, der wird fast automatisch als Übler "Freund" gebrandmarkt. Kritische Worte fallen unter das für die Theravādins typische Verständnis von "übler Rede" (musāvāda). Dabei ist die konstruktive Kritik, wie das Wort ja schon sagt, etwas aufbauendes, heilsames, gut gemeintes. Der Kritiker ist hier kaum zu verurteilen - eher diejenigen, welche Kritik verabscheuen. Ein realistisch denkender Buddhist wird vor Kritik kaum zurückschrecken, denn sein Verständnis von Mettā und Karuṇā, eigentlich seine gesamte Art, lassen für Stolz und Dünkel keinen Spielraum, sodass der Groll, entstanden aus durch Kritik verletzter Eitelkeit oder Besserwisserei keinen Nährboden findet.

Mettā, so viel wie es auch wert sei, so hoch es auch geschätzt wird, ist KEIN Teil der zur Erlangung geistiger Befreiung, kurz "Erwachen" genannten Dinge (bojjhaṅga). Wer Mettā tatsächlich begriffen hat, der wird das auch in die TAT umsetzen, ganz freiwillig, ganz natürlich. Noch ein Mal: Mettā, das heißt Freundlichkeit, da steckt das Wort Freude drin. Und Freude ist definitiv eines der Sieben Dinge, die zur Erleuchtung führen (bojjhaṅga). Spüren wir mal in uns nach. Ist da Freude? Ist es nicht so, dass, wenn wir Freude verspüren, es uns leicht fällt, freundlich zu sein. Wer kann freundlich sein, wenn er/sie Hass verspürt? Hass macht hässlich. Und mit hässlichen Menschen Umgang haben, das macht kaum Freude. Hassende Menschen sind oftmals sehr einsam. Warum wohl? Einen, der da hasst, den wird man sich wohl kaum zum Freund erwählen - zumindest nicht, solange man nüchtern d.h. realistisch denken kann. Freund und Freude - auf dieses Wechselspiel sollte man dringend achten. Mit einem richtigen, einem wahren Freund Umgang zu haben, das macht Freude. Das macht man gern. Das erfreut einen. Das wiederum wirkt sich weiter aus, erfreut andere. Das ist heilsam (kusala), das heilt die Wunden, die sich die Menschen gegenseitig zufügen durch Unachtsamkeit, Habenwollen, Dünkel, Ignoranz und Unwissenheit ganz allgemein. Man kann durchaus auch zu Wesen Freundlichkeit pflegen, ohne dass man dabei heucheln, schauspielern muss, wie es so oft getan wird.

Eine der bedeutsameren Lehrreden des Buddha zum Thema Liebe, die wichtige Folgen ihrer praktischen Anwendung beschreibt, ist das Desaka-Sutta. Darin sagt er: "Mönche, jemand, der sich selbst beschützt, beschützt auch andere und wer andere beschützt, beschützt sich selbst. Wie aber beschützt man sich selbst, indem man andere beschützt? Durch regelmäßig praktizierte Meditation. Und wie beschützt der, der andere beschützt, sich selbst? Durch Geduld, Friedfertigkeit, Liebe und Fürsorge" (SN. V,47,19). Wenn es je eine Aussage des Buddha gab, die es wert ist, sorgfältig durchdacht zu werden, die so eindeutig auf die Auswirkungen hinweist, die es zu erforschen und anzuwenden gilt, dann ist es sicherlich diese. In seinem Kommentar zu diesem Sutta versteht Buddhaghosa jedoch die Redewendung "andere beschützen" nur als das Erreichen der ersten drei Jhānas für einen selbst. Darüber hinaus hat er nichts weiter zu sagen. Der beste Weg für Mönche, um Liebe durch Aktivität auszudrücken, ist Buddhaghosas Meinung nach, den Vinaya-Regeln akribisch zu folgen. Nach 2000jähriger Beschäftigung mit den Worten Buddhas, ihrer Kontemplation, ihrer Analyse und ihrem sorgfältigen Durchdenken, ist das das Beste, was der Theravāda zustande gebracht hat. In der Tat zeichnet dies ein bedauerliches Bild und hat viel dazu beigetragen, dass echte Liebe und echtes Mitgefühl für den Theravāda so uncharakteristisch sind. Korrekterweise beschreibt Nyānaponika das Desaka-Sutta als "wie ein vergrabener Schatz versteckt, unbekannt und ungenutzt."

In den Kommentaren findet man über tausende von Seiten hinweg nichts konkretes, ja es wird nicht einmal implizit angedeutet. Statt dessen gibt es lange Definitionen von Mettā und Karuṇā, komplexe Diskussionen darüber, welche Stufen der Jhānas (Vertiefung) diese ermöglichen und detaillierte Instruktionen über die richtige Praxis der Mettā-Meditation. Es gibt zahlreiche Verweise darauf, wie man Mönche richtig bedient, ihnen Nahrung bringt, sie richtig verehrt und natürlich gibt es erbauliche Geschichten über Laien-Nachfolger, die ihre Kinder als Sklaven verkauften, um von dem Erlös Geschenke für die Mönche zu kaufen. Aber man kann an keiner Stelle in den mehr als 4000 Seiten der Kommentar-Literatur des Theravāda etwas über Gastfreundschaft gegenüber Fremden, Essenspenden an Hungrige, den Schutz von Witwen und Waisen, die Pflege von Kranken, das Trösten von Trauernden usw. finden, welches als Beispiel für Liebe, Mitgefühl oder Freundlichkeit dienen könnte.

In den meisten Büchern über die Praxis der Entfaltung Liebevoller Freundlichkeit, die in der Theravāda-Gemeinschaft zirkulieren findet der Leser selten etwas, das über das Ausstrahlen von freundlichen Gedanken oder Wünschen hinaus geht. Kaum eines beschreibt Mettā positiv als eine Kraft zum Guten, sondern fast immer nur negativ, als Gegenmittel zum Hass. Fast alle beziehen sich auf die übliche Standardliste der 11 Vorteile, die der Meditierende hat, wenn er Mettā-Bhāvanā praktiziert. Keines von ihnen thematisiert die Vorteile, die andere davon haben, wenn man sich ihnen gegenüber liebevoll und freundlich verhält, was ja die eigentliche Bedeutung von Mettā ist. Auf dem Klappentext auf der Rückseite dieses Buches vom Ehrw. Visuddhacara steht ein Zitat von Henry Van Dyke: "Lieben heißt Geben und nicht Nehmen." Liebe ist bestimmt mehr als nur Geben, aber die meisten Menschen würden zustimmen, dass Geben ein wichtiger Aspekt der Liebe ist. Jemandem seine Zeit opfern, Materielles schenken, jemandem helfen, ihm eine Schulter zum Weinen bieten usw., all das kann Ausdruck eines liebevollen Herzens sein. Jedoch versäumt Visuddhacara es, in seinem Buch über das Geben von liebevollen Gedanken hinaus weitere Möglichkeiten des Gebens oder Teilens zu erwähnen. Und wie bei allen anderen Publikationen, gibt es auch in diesem Buch ein Kapitel, wo alle Vorteile genannt werden, die man durch die Praxis von Mettā erhält, ohne zu erwähnen, dass man auch Vorteile geben kann, wenn man Mettā praktiziert.

Der deutsche Theologe Albert Schweizer kritisierte am Buddhismus, dass er lediglich "Gedankenmitgefühl" lehrt, und soweit es den Theravāda betrifft, kann man dem nur schwer widersprechen. Der englische Mahāyāna-Buddhist Sangharakshita sagt korrekt: "Die traurige Wahrheit ist, dass es weit weniger unangenehm ist, für eine blutleere Abstraktion wie 'Menschlichkeit' in Verzückungen von Liebe und Bewunderung zu schwelgen, als dass man für einen Moment aufrichtig und selbstlos auch nur ein einzelnes unvollkommenes menschliches Wesen liebt … Das soll nicht als generelle Verurteilung der Kontemplation von abstrakten Ideen verstanden werden, sei es Liebe oder Mitgefühl oder irgend eine andere Idee, wie sie in bestimmten Meditationsformen vorkommen kann. Wir möchten hier nur betonen, dass eine solche Kontemplation kein Selbstzweck sein darf, sondern nur als Mittel zum Zweck verstanden werden muss, als ein Hilfsmittel, das uns befähigt, unsere Mitmenschen wahrhaftiger zu lieben, als wir das ohne dieses Mittel getan hätten." So viel dazu aus einem Text von einem recht bekannten Bhikkhu.

Auch ich habe seinem Beispiel folgend in das Regal gegriffen und ein Büchlein namens "METTA - Die Praxis liebender Güte als Grundlage der Vipassana Meditation" heraus gegriffen. Ein Text von einem burmesischen Lehrmeister (Sayadaw U Indaka). Gleich auf den ersten Innenseiten eine Beschreibung, was Mettā bildhaft sein soll [Zitat]: "Das Umschlagsbild mit dem von bewaldeten Hügeln eingerahmten Fluss und dem Vollmond stellt sehr treffend die Eigenschaften von Metta dar. Das sprudelnde Wasser, das sich zwischen den Felsblöcken seinen Weg sucht, wird in Verbindung gebracht mit dem kühlen und erfrischenden Metta, das aus einem Herz voll liebender Güte strömt. Metta ist auch strahlend wie der Mond, der klar und leuchtend ist, und doch kühlend wirkt. Daneben vermitteln auch die grünen Hügel ein Gefühl der friedvollen und erfrischenden Natur von Metta." Na wenn das nichts ist... Demnach reicht es aus, ein schönes Bild zu betrachten, um zu verstehen, was Mettā ist. Wenn es bloß so einfach wäre... Die Kälte der zwischenmenschlichen Beziehungen, soweit überhaupt welche vorhanden sind, bedarf eher der Erwärmung als der erfrischenden Kühle eines nicht näher beschriebenen Gefühles. Doch weiter im Text bzw. im Vorwort [Zitat]: "Es ist mein tiefster Wunsch, dass dieses Buch zu einem besseren Verständnis von Metta und somit zum Wohlsein aller Lebewesen beitragen möchte. Wenn die Feuer der Wut und des Hasses an so vielen Orten in der Welt mit ihren Flammen in den Himmel schlagen, ist es besonders wichtig, die Wesen mit kühlem und erfrischenden Metta-Wasser zu benetzen." Da wird zwar nicht gesagt, wie man das macht, aber immerhin erwähnt, wozu Mettā gut ist. Ansonsten ist dieser Satz eher in esoterisch verwaschenen Kreisen angebracht, wo man noch nicht erkannt hat, dass man zuerst sich selber und erst dann eventuell andere Wesen reinigen sollte. Das hat der Buddha genauso gelehrt, wie auch der spätere Jesus. Weiter aber im Buch. Der Ehrwürdige beschreibt das Wesen von Mettā ganz so, wie er es wohl gerne sähe - und wie es sich leider auch die meisten Interessenten WÜNSCHEN [Zitat]: "Das Wesen von Metta ist der Wunsch nach Wohlbefinden und Glück aller Lebewesen. Nie ist es der Wunsch nach etwas Schädlichem. ... ist immer sanft, mild, fein und zart. ... hält nur nach den guten Seiten Ausschau und sucht nicht nach Fehlern. ... ist immer zur Vergebung bereit. ..." Dem zur Folge geht sein Verständnis über das Wünschen nicht hinaus. Mettā wird also nur gewünscht und nicht praktiziert. Ganz konkret wird gleich darauf beschrieben, wie das geht: "Wenn wir Metta-Meditation praktizieren, müssen wir den aufrichtigen Wunsch für unser eigenes Glück und das Glück anderer Lebewesen entwickeln. Indem wir allen Wesen gegenüber Metta entfalten und ihnen gute Gesundheit und Glück wünschen, füllen sich unsere Herzen mit Glück und Frieden. Infolge des Praktizierens von Metta erfahren wir selber dieses Gefühl von Glück und Frieden." Das sagt alles und nichts zugleich. Weiter unten noch etwas interessantes: "... Erst wenn wir mit einer jähzornigen Person zusammen leben müssen, lernen wir den friedvollen Geschmack von Metta schätzen und wissen ihn zu genießen. Wenn wir hingegen in der Nähe einer Person leben, deren Herz voll Metta ist, sind wir von einem Gefühl der Heiterkeit und des Friedens durchdrungen. ... Falls wir mit einer übel gesinnten Person zusammen leben müssen, ... Zu einer solchen Zeit lernen wir, die heitere und friedvolle Qualität von Metta, die von einer Metta-Meditation praktizierenden Person ausgeht, zu erkennen und klar zu verstehen. Erst dann verstehen wir den wahren Wert von Metta. Das ist der Segen, den eine Person, die in der Nähe einer Metta übenden Person weilt, erfahren kann." Weiter lese ich dieses Buch mit Sicherheit nicht. Mag dieser Lehrer auch sehr hoch angesehen sein, aber ehrlich gesagt, meiner Meinung nach muss man nicht unbedingt mit einer übel gesinnten, übellaunigen Person zusammen leben, um Mettā zu verstehen.

Kommen wir nun zum eigentlichen Kern der Sache: Mettā - ganz nüchtern.
Die dazu gehörende Lehrrede vom Buddha wird auch gleich so genannt: Mettā-Sutta. Um diese Lehrrede nicht mit anderen Sutten zu verwechseln, in denen Mettā ebenfalls Thema ist, wird sie "Karaṇīya-Mettā-Sutta" genannt. Es wird also das Anfangswort hinzu gefügt. Hier ergibt sich dann auch gleich der erste gravierende Fehler, sowohl bei Rezitation als auch beim Verständnis. Die erste Zeile lautet wie folgt:
Karaṇīyam-atthakusalena, yan-taṃ santaṃ padaṃ abhisamecca:

Beim Rezitieren hört man manchmal von denen, die gar nicht wissen was sie da rezitieren: "Karania-mettakusalene", etwas, was gar keinen Sinn macht. Karaṇīyaṃ bedeutet "zu tun", "Aufgabe, Pflicht", "dies sollte getan werden". Und attha-kusalena bedeutet, wenn wie in diesem Fall mit dem Instrumental versehen, "Bedarf an" oder "Wunsch nach". Bitte denken Sie jetzt nicht, dass ich der totale Pāli-Experte bin. Nein, keine Sorge, ich möchte Ihnen nichts vormachen. Eher im Gegenteil: ich versuche Ihnen zu verdeutlichen, dass Sie nicht studiert haben müssen, um das, was der Buddha lehrte, zu verstehen. Auch möchte ich Ihnen den gesamten Wortlaut dieser so wichtigen Lehrrede vorläufig ersparen, auch wenn sie noch so wichtig ist. Was ich hier anstrebe ist, dass Sie sich freiwillig ein wenig mit den Grundlagen der buddhistischen Lehre, dem Dhamma, beschäftigen. Nicht als Konsumenten nur alles in sich hineinstopfen, sondern dies auch verdauen können. Also: die erste Zeile lautet wortgetreu übersetzt: Dies ist zu tun von denen, die Heilsames wünschen, die vollständig den Frieden verstanden haben. Tja. Auch das lässt Unverständnis aufkommen. Kein Wunder, ist doch das Wort Frieden schon so oft missbraucht worden. In dieser ersten Strophe wird ganz klar gesagt, für WEN diese Lehrrede gedacht ist. Nämlich für jene, die Heilsames wünschen, für jene, die verstanden haben, was Frieden tatsächlich ist. Das macht Sinn, das ist auch logisch nachvollziehbar. Selbstverständlich können wir nicht einen Alleinvertretungsanspruch erheben, was Mettā betrifft. Von kühlenden und erfrischenden Effekten ist in der ganzen Lehrrede kein Wort zu finden. In den nur zehn Versen des Mettā-Sutta wird ganz klar und deutlich gesagt:

1. Wer sollte (Vers 1, Zeilen 1 und 2),
2. mit welchen Eigenschaften ausgestattet (Vers 1, Zeile 3 bis Vers 3, Zeile 2),
3. wie und was praktizieren (Vers 3, Zeile 3 bis Vers 9 Zeile 3),
4. und was ist das Ziel (Vers 10, Zeile 4)?

Man findet 15 Eigenschaften, Fähigkeiten, mit denen der Mettā-Übende ausgestattet sein sollte:
1 = sakka fähig, tüchtig
2 = uju aufrecht, aufrichtig, geradlinig
3 = sūjū richtig ~, sehr ~
4 = suvaca nett sprechend, zugänglich sein
5 = mudu mild, sanft, sachte
6 = atimāna ohne Hochmut, ohne Arroganz
7 = santussaka befriedigt, genügsam, zufrieden
8 = subhara leicht zu befriedigen, bescheiden
9 = appakicca wenig Pflichten, nicht viel geschäftig
10 = sallahuka genügsam, einfach, bedürfnislos
11 = santindriya ruhige Sinne, friedvolle Sinne
12 = nipaka weise, intelligent
13 = appagabbha nicht dreist, kühn, frech, unhöflich, unverschämt
14 = anugiddha nicht gierig, wunschlos
15 = na...upavadeyyuṃ nichts tun, was Weise tadeln würden

Wie und/oder was sollte da praktiziert werden? Wie, bedeutet gegenüber wem, also gegenüber den genannten Wesen, und was bedeutet, eine Gesinnung hegen.

Die Wesen:
1 tasa = sich bewegend, furchtsam, schreckhaft, schwach, zitternd
2 thāvara = unbeweglich, standhaft, stark, fest, beständig
3 anavasesa = komplett alle, restlos, ausnahmslos
4 dīgha = lang
5 mahanta = groß
6 majjhima = mittelgroß
7 rassa = klein
8 āṇu = sehr klein, kleinst
9 thūla = grob, derb
10 diṭṭha = sichtbar
11 adiṭṭha = unsichtbar
12 dūra = fern
13 avidūra = nicht fern, d.h. nahe
14 bhūta = entstanden, existierend
15 sambhavesi = zum Entstehen strebend

Die Gesinnung:
a) sukhino = glücklich
b) khemino = friedvoll
c) sukhitatta = glück-für sich selbst
sukhino vā khemino hontu sabbe sattā bhavantu sukhitatta
Sie mögen glücklich und voll Frieden sein! Glück erfülle ihr Herz!

Wie sieht aber eine solche Gesinnung aus, was ist zu tun dafür?
a) na paro paraṃ nikubbetha = keinen hintergehen, oder hinter dessem Rücken reden,
b) nātimaññetha katthaci naṃ kañci = niemanden verachten, auch wenn er noch so "schlecht" sei (oder war),
c) byārosanā = niemandem zornig sein, warum auch immer, Übles wünschen,
d) paṭigha-saññā = Abscheu wahrnehmend, d.h. Abscheu fühlen gegenüber
e) dukkham-iccheyya = und möge niemandem Leid wünschen.

Wie sollte man dies tun?
Mātā yathā niyaṃ puttaṃ āyu-sā ekaputtam-anurakkhe
Wie eine Mutter mit ihrem Leben ihr einziges Kind behütet, beschützt.

In welchem Maß?
Mettañ-ca sabba-lokasmiṃ ~ mānasaṃ bhāvaye aparimāṇaṃ,
Unbegrenzt (aparimāṇaṃ) voller Wohlwollen (mettañ-ca) mit der ganzen Welt (sabbalokasmiṃ) den Geist (mānasaṃ) entwickeln (bhāvaye).

Zusammengefasst:
Der Geist ist damit zu beschäftigen, Güte, d.h. unendliches Wohlwollen, also liebende Güte (Mettā) auszustrahlen, welche man zuvor in sich selbst entwickelt, kultiviert hat:
I.) in jede nur denkbare Richtung (also dreidimensional):
a) uddha = nach oben
b) adho = nach unten
c) tiriya = quer (inmitten), über Kreuz
himmelwärts, höllenwärts und in jede Richtung der Kompassrose.

II.) frei von Hass, Herzensenge und jeglicher Feindschaft,
a) averaṃ = nicht-feindlich
b) asapattaṃ = keine-Feindschaft hegend

III.) und zwar unbehindert, uneingeschränkt (asambādhaṃ),

IV.) wann immer man von Schlaffheit (midha) frei ist. Midha ist übrigens zusammen mit thīna eines der fünf Hindernisse (pañca-nīvaraṇa).

V.) Und außerdem in jeder der vier Körperhaltungen:
a) caraṃ = gehend
b) tiṭṭhaṃ = stehend
c) nisinno = sitzend
d) sayāno = liegend

I.) Schon jetzt gilt diese Praxis als "göttliches" Verweilen (brahmam-vihāraṃ). Wobei allerdings göttlich nicht mit dem christlichen Gottesbegriff gleich zu setzen ist. Brahma-vihāra bedeutet genauer gesagt, weilen auf einem Niveau wie ein Brahmane, ein (indischer) Heiliger, bzw. wie der Weltschöpfer nach der indischen Mythologie.

II.) Ist man also mittels dieser Praxis:
a) diṭṭhiñ-ca an-upagamma = frei von (falschen) Ansichten
b) sīlavā = in Sittlichkeit wohl geübt
c) dassan-ena sampanno = zur Erkenntnis geneigt
d) kāmesu vineyya gedhaṃ = hat man Sinnenlust + Gier überwunden
so geht man nicht (na hi) mehr zu einer Geburt (jāti) aus dem Mutterschoß (gabbhaseyyaṃ) ein, was nichts anderes bedeutet, als dass man Nicht-Wiederkehrer (Anāgāmi) wird, eine Stufe vor der Heiligkeit im buddhistischen Sinne.

Der Ehrwürdige Ñāṇapoṇika schrieb:
Liebe, die eine wissende, verstehende, helfende Güte ist, Liebe, die Kraft ist und Kraft gibt - das ist die höchste Liebe.
"Befreiung des Herzens" nannte der Erhabene die Liebe.
"Erhabenste Schönheit" nannte der Erhabene die Liebe.
Und was ist die höchste Tat der Liebe?
Den Wesen durch Tat und Wort den Weg der Leidbefreiung zu zeigen, wie er gewiesen, gegangen und vollendet wurde von Ihm, dem Erhabenen,
dem Buddha.

Hier nochmals und abschließend die Aufforderung an Sie: Bitte beschäftigen Sie sich mit dem, was der Buddha SELBER lehrte. Die Lehrreden sind in meist brauchbarer Übersetzung verfügbar. Fragen Sie, wenn Sie etwas nicht ganz klar erfasst haben. Das ist keine Schande, ganz im Gegenteil: es zeigt Ihr Interesse am Verständnis dessen, was der Buddha lehrte: Dhamma. Lassen Sie es nicht so weit kommen, dass Sie zu stumpfsinnigen Hinterherläufern werden. Benutzen Sie Ihren eigenen Verstand, vielleicht tut sich ja doch mal etwas anderes, als bloß zu wünschen,

"mögen alle Wesen glücklich sein".

 


 

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