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Ein misslungenes "Encroachment"
 

von Dr. H.W. Schumann

 

c Santuttho 2008


Die Geschichte ist so hochgradig dumm, dass sie mitgeteilt werden muss.

Am 24. November 2005 veröffentlichte das "Albuquerque Journal" (New Mexico, USA) einen aus Kathmandu eingegangenen Bericht, dass in dem nepalischen Dorf Bara (südlich von Kathmandu) seit Monaten ein fünfzehnjähriger Junge mit gekreuzten Beinen meditierend unter einem Baum sitze, weder spreche noch esse, und von vielen Menschen als Wiedergeburt des Gautama Buddha verehrt werde. Zehntausende von Personen, so der Bericht, pilgerten täglich an dem Wunderjüngling vorbei, eine Absperrung sei eingerichtet, die Polizei regele den Menschenstrom. Nachts werde der Wiedergeborene allerdings vor Blicken abgeschirmt. - Gleichartige Berichte erschienen in vielen Zeitungen Asiens und Europas.

Jeder, der mit Buddhismus halbwegs vertraut ist, weiß, dass ein Buddha mit der Erwachung, die ihn zum Buddha machte, Gier, Hass und Wahn überwunden hat und ihm keine Wiedergeburt mehr bevorsteht: Wenn er stirbt, ist er endgültig verloschen. In Nepal, auf dessen Boden der historische Buddha Gautama geboren wurde, ist dieses Wissen anscheinend nicht allgemein. In seinem Buch "How Buddhism Began" (London 1996, S.15) erklärt der Oxford-Indologe und Pali-Professor Richard Gombrich, warum das so ist: "Eine moderne Methode, ... den Buddhismus zu kolonisieren, ist die offizielle Regierungsmeinung in Nepal, der Buddhismus sei lediglich ein Zweig des Hinduismus. Das heißt, er braucht im Lehrplan der Schulen nicht zu erscheinen: Hinduismus wird unterrichtet, aber es ist nicht notwendig, seinen 'buddhistischen Teil' zu lehren."

Wie lange der Wunderjüngling aus Bare seine Rolle durchgehalten hat, ist in der Presse nicht berichtet worden. Er ist verschwunden. Der Fall hat auch eine juristische Seite. Was der junge Mann (auf sinnloser Voraussetzung) versuchte, war ein "Encroaching", was man am besten mit "schleichende Besitzergreifung" übersetzt. Indischen Stadtverwaltungen ist das Phänomen bekannt. An einem ehrwürdigen alten Baum innerhalb einer Stadt hängt plötzlich das Papierbild eines Hinduheiligen. Wenige Tage später brennen am Fuß des Baumes Räucherstäbchen und liegen geopferte Blumen. Wieder ein paar Wochen später ist das Papierbild ersetzt durch ein solideres Bildwerk, vielleicht einen steinernen Lingam; der Fluss der Opfergaben verstärkt sich. Eines Tages steht eine Donation Box bereit und ein Pujari (Zelebrant) vollzieht an dem neuen "Shrine" Rituale. Sofort nehmen Läden in der Umgebung des "heiligen Baumes" Interesse, weil sie den neuen Attraktionspunkt als wirtschaftfördernd erkennen.

Wenn die indische Stadtverwaltung jetzt nicht aktiv wird, ist sie im Nachteil.

Aber sie kennt den Encroachment-Trick, hinter dem oft planende Banden stehen, und wird aktiv. Nachts rückt sie an mit drei Arbeitern, geschützt durch vier Polizisten mit Karabinern. Der ganze pseudo-fromme Tand wird abgebaut, auf einen Wagen geworfen und abgefahren. Das Encroachment ist fehlgeschlagen.

 

Der Verfasser ist Indologe und war 20 Jahre in Indien, Burma und Ceylon. Er hat den vorstehend beschriebenen Vorgang mehrfach beobachtet. Ergänzend zum obigen Text führt Dr. Schumann aus: "Der 'Buddha-Boy' hält in seiner Unwissenheit den Buddha wohl für einen Avatara des Vishnu, der nach Belieben immer mal wieder auf Erden erscheint. Die Affassung ist in doppeltem Sinne Quatsch, denn erstens ist ein Buddha erloschen und kann nicht mehr auf Erden erscheinen, und zweitens betrachten die Hindus den 9. Avatara des Vishnu als einen Pashanda, der nur auf die Welt kommt, um die guten Hindus, die Hindus bleiben, von den schlechten zu trennen, die Buddhisten werden."

Anmerkung:
hier finden Sie eine Liste seiner Werke

 

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