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Die Mystik des Abhidhamma
 

Ein Essay von Bhikkhu Sujāto

Übersetzung: Dhammadāsa & Santuṭṭho

Abhi-Dhamma Studien
Foto: AGF, Burma 2004


[Hinweis: Dieses Essay ist in einem spielerisch provokativen Sinn gedacht. Ich hoffe, es wird auf die gleiche Art gelesen. Es ist eher philosophisch statt wissenschaftlich. Damit ist gemeint, dass ich mir nicht die Mühe gemacht habe, irgendwelche Referenzen/Literatur nachzulesen. Sofern nicht anders angegeben, benutze ich den Begriff 'abhidhamma' hauptsächlich in Bezug auf die scholastische Theravāda-Tradition im Allgemeinen, als auf den Abhidhamma-Piṭaka im Besonderen.]


 

Vorwort

Es gelang dem großen Physiker mühelos das Publikum in seiner Hand zu halten, fasziniert von der großen, sich entfaltenden Vision. 'Solch chaotische Systeme, nachdem sie sich selbst in eine im Kern dynamische, relationelle Ordnung organisiert haben, kollabieren letztendlich in eine super-dichte Singularität, in der Zeit endet und die Gesetze der Physik aufgehoben werden. Ein neues 'Baby'-Universum wird aus dem Trümmerhaufen des 'Mutter'-Universums hervorgebracht und neue Raum-Zeit Strukturen treten in Erscheinung, die von physischen Gesetzen beschrieben werden, die in geringfügiger Weise anders als die vorherigen sind. Über unzählige Zyklen wird dieser Prozess, in Übereinstimmung mit den Prinzipien der natürlichen Selektion physische Gesetze entwickeln, welche die Produktion von solchen Singularitäten maximieren. Um das tun zu können, muss es die Entstehung von schwarzen Löchern auf ein Höchstmaß bringen, ebenso von Sternen, erd-ähnlichen Planeten, intelligentem Leben und schlussendlich', er kicherte, 'von Physik-Professoren.'
Hier unterbrach eine ältere Dame, ihr Haar fest in einem Dutt verknotet. 'Das mag so sein, mein Herr. Aber ich weiß zufälligerweise, dass die Welt auf dem Rücken einer gigantischen Schildkröte sitzt.'
Verdutzt erwiderte der Professor 'Ist dem so?'
'Ist es' kam die entschlossene Antwort.
'Aber worauf steht dann die Schildkröte?'
'Sie halten sich wohl für sehr clever, nicht wahr, junger Mann?' parierte die Dame. 'Da stehen lauter Schildkröten aufeinander.'

 

AM ANFANG...

Ich bin ergriffen von einer ein wenig sonderbaren Beklemmung als ich auf Zehenspitzen die heiligen Portale des Abhidhamma passiere und meine Füße hallen zu laut wider in der höhlenhaft strengen Enthaltsamkeit. Da ist so eine Aura des undurchdringlichen Mysteriums, der Eindruck von unbezwingbaren Höhen, unergründlichen Tiefen und unerforschlichen Labyrinthen. Nichtsdestotrotz beabsichtige ich in diesem Essay ganz verwegen eine komplett neue Theorie vorzutragen und auf eine, wie ich glaube bis dato unbeachtete Rolle des Abhidhamma hindeutend. Gewiss beabsichtige ich nicht in diesem Essay irgendetwas zu beweisen oder erst Recht nicht zu überzeugen; ich würde einfach gerne meine Idee den Bewusstseinsstrom hinuntertreiben lassen.

Um die vorwegnehmende Ablehnung meiner Theorie zu verhindern, muss ich ihr erstmal den Boden bereiten. Den Großteil des Essays werde ich lediglich, auf eine ungehobelte Art, kritische Abhandlungen über bestimmte Konzepte des Abhidhamma wiederholen, die schon oft genug besprochen wurden und das auch von wesentlich würdigeren Personen, als ich es bin. Ich bitte den Leser daher um Nachsicht, meine Erörterung wird bei genauen Angaben kurz und bei Verallgemeinerungen eher lang sein. Ich beabsichtige, den Abhidhamma auf zwei der fundamentalsten philosophischen Konzepte anzuwenden: Sein und Zeit.

Welch bessere Art gibt es eine Untersuchung der Zeit zu beginnen, als mit einer Reise durch die Zeit selbst? Lasst uns das langsame Boot der Geschichtsschreibung betreten, zu einem Zeitpunkt lange vor dem Buddha. Zu diesen uralten Tagen war der breite Fluss der Zeit dunkel und tückisch, die Karten nicht verlässlicher als die Weltkarten des 16. Jahrhunderts; gerade genug Licht scheint durch, um die Hauptströmungen erkennen zu können. Was sehen wir, wenn wir die Flussufer entlang blicken? Für eine lange Zeit nur Pflanzen und Tiere, vielleicht einige primitive Stämme, nach Nahrung jagend, ein nacktes Überleben verlängernd. Aber an einem Punkt sehen wir Menschen etwas merkwürdiges machen - sie nehmen völlig gutes Essen und schmeißen es weg! Sie werfen es einfach auf den Boden! Welcher prähistorische Einstein es war, der die Landwirtschaft erfunden hat, wir werden es nie erfahren. Aber welche Revolution des Verständnisses dazu nötig gewesen sein muss! So viel Arbeit da reinzustecken, so viel Zeit und Essen zu opfern, die Jahreszeiten so gut zu kennen, die Bildung einer Pflanze aus dem Samen zu verstehen; zu begreifen, dass es einem möglich ist, in einer entfernten Zeit die Resultate der heutigen Arbeit zu erhalten - die schnellen Schritte im Bewusstsein, die Zivilisation möglich machen.

Wenn wir diese einzigartigen Wesen näher betrachten, sehen wir sie etwas noch seltsameres machen. Im Zentrum ihrer Städte, in allen, steht ein Gebäude, das größer ist als die anderen. Dorthin gehen die Bewohner, vielleicht einmal die Woche und bringen Gaben, opfern Tiere und mit einer verstörenden Häufigkeit sogar andere Menschen. Aus welchem unerfindlichem Grund sollten sie so etwas ohne irgend einen sichtbaren Nutzen tun? Eventuell sollten wir unser Boot rüber zum Ufer lenken und fragen. Die Antwort: 'Wir säen die Felder für unseren Wohlstand in diesem Leben; aber den Göttern bringen wir Opfergaben dar für unseren Wohlstand im nächsten.' Den jährlichen Kreislauf von Geburt und Tod des Getreides sehend, macht man sich ein Bild von der Zeit, von einem selber in der Zeit. In einem Jahr werde ich die Resultate meiner heutigen Arbeit ernten. Aber wenn ich mir ein Bild von mir selbst als in einem Jahr existierend machen kann, ist es kein großer Sprung zu zwei oder drei Jahren. Nun, wie viele genau? … In die schreckliche Stille, die dieser Frage folgen muss, fällt ein Schatten, der Geist des Todes. Unsere Dunkle Frau der Zeit - mit ihrer linken Hand spendet sie das Geschenk des Getreides; aber in ihrer rechten hält sie die Sichel.

So wie wir sie kennen, stellen alle Religionen Versuche dar, die Angst vor dem Tod zu verringern. Daher kommt es kaum überraschend, dass die Ideen, welche die Religionen dafür in Anspruch nehmen, direkt aus der Landwirtschaft abgeleitet sind. Das 'Selbst' ist wie ein 'Samen', der den Tod des Körpers überlebt. Er mag entweder auf guten oder schlechten Boden fallen - infolgedessen die Bedeutung des 'Kultivierens' von gutem 'Kamma', was sowohl 'ethische Handlungen' als auch 'Arbeit' bedeutet. Dementsprechend erklären die Sutten Wiedergeburt, indem sie die universelle Symbolik auf ihre eigene Weise nutzen: 'Kamma ist das Feld; Bewusstsein der Samen; Gier die Feuchtigkeit.'

Es gab natürlich viele Spekulationen bezüglich dieser jenseitigen Welt. Werden wir als Schildkröte wiedergeboren? Als Mensch? In einem Himmel? Ein oder viele Male? Eine Idee, eine Synthese aus Ackerbau und Astrologie, war die von unzähligen Serien von Leben, die sich spiralförmig wie eine riesige Schlange durch die Zeitalter winden. Bis zu diesem Punkt hätte unser Fluss der Zeit überall sein können, eben nur mit kleinen Abweichungen. Aber wenn unser Fluss durch Nordindien fließt, wie die lang verschwundene Sarasvatī, dann kommen wir zum bemerkenswertesten Anblick von allen. Nicht zufrieden mit dem Opfern von Samen für das Getreide im nächsten Jahr oder sogar dem Opfern von Tieren im Tempel für das nächste Leben, gibt eine kleine Anzahl von Menschen all ihre weltlichen Besitztümer auf und zieht in die Wildnis. Auf abgelegenen Bergen oder im dichten Dschungel lebend, gehen sie den bizarrsten, absurdesten Praktiken nach, die vorstellbar sind - foltern ihren eigenen Körper, sitzen für Stunden unbeweglich, fasten. Dieses Mal trifft unsere höfliche Nachfrage auf eine noch seltsamere Antwort: 'Was ist der Sinn wiedergeboren zu werden, nur um dann wieder zu sterben? Wir werden nicht eher ruhen, bis wir nichts geringeres erreicht haben wie die völlige Befreiung vom Kreislauf der Wiedergeburt!' Und so kommt ein neues Wort ins religiöse Vokabular - Befreiung. Der Auftritt des Buddha.

Jetzt würde ich ganz gerne kurz den Umgang mit der Zeit im frühen Lebensabschnitt des Buddha durchgehen. Zwei Fragen würde ich gern beantworten: Wie wird Zeit behandelt? Und wie wichtig ist das? Anschließend würde ich gerne die einfache Schlussfolgerung ziehen, dass die Auffassung von Zeit ein erstklassiges Gerüst zum Interpretieren der Suttas im Ganzen hervorbringen sollte. Vielleicht ganz harmlos führt diese Annahme jedoch zu eineg radikalen Schlussfolgerungen, wie wir sehen werden.

Laut den Suttas brüllte der Bodhisattva nachdem er geboren wurde 'Dies ist meine letzte Geburt! Nun wird keine weitere Existenz folgen!' Als Erwachsenen haben den Bodhisattva die Merkmale eines alten und eines toten Mannes angespornt hinauszuziehen, reflektierend: 'Warum sollte ich, der Geburt, dem Altern, dem Tod und der Verunreinigung unterworfen, etwas anstreben, das ebenfalls der Geburt, dem Altern, dem Tod und der Verunreinigung unterworfen ist? Sollte ich nicht etwas anstreben, das der Geburt, dem Altern, dem Tod und der Verunreinigung nicht unterworfen ist?' Er lehnte seine früheren Lehrer ab, weil deren System 'nur zu Wiedergeburt' in höheren Ebenen führt. In der Nacht seiner Erleuchtung erinnerte er sich zuerst seiner früheren Leben; dann sah er wie Kamma zu Wiedergeburt führt; dann letztendlich vernichtete er die Verunreinigungen, die zu Wiedergeburt führen. Er wusste: 'Geburt ist beendet ... es gibt keine Wiederkehr zu dieser Form von Existenz.' Seine ersten Worte waren: 'Durch viele Geburten im Saṃsāra bin ich gewandert, suchend, aber nicht den Hauserbauer findend. Leidvoll ist immer wiederkehrende Geburt.' In seiner ersten Predigt galten seine ersten Worte dem Definieren des spirituellen Problems: 'Geburt ist Leiden, Altern ist Leiden, Tod ist Leiden ...' Der Grund: 'Die Gier verursacht Wiedergeburt ...' Die Lösung: 'Das Versiegen eben jener Gier ...'

Bisher ist bei jedem größeren Geschehnis in Buddha's Leben Zeit das zentrale Thema und die einzige Beschreibung von Zeit ist Geburt, Altern und Tod. Das ist unglaublich! Sicherlich muss das als das definitive Paradigma zum Verstehen der Sutten-Belehrungen bezüglich Zeit zählen. 'Geburt' bedeutet natürlich stets 'Wiedergeburt'. Es gibt nichts, das gegen das Leiden infolge der Geburt, des Alterns und Todes in diesem Leben unternommen werden kann und der Buddha hat seine Zeit nicht damit verschwendet über unlösbare Probleme zu reden.

Aber, mag mancher einwenden, es gibt andere Lehren, deren Auslassung hier das Argument einfärbten. Leiden, zum Beispiel, ist nicht nur Geburt, Altern und Tod. Stimmt. Aber wenn wir uns diese Lehrreden näher ansehen werden wir bemerken, dass sie meine These genau genommen unterstützen. So der Satz 'Trauer, Klage, Schmerz, Kummer, Verzweiflung sind Leiden'. Dem Anschein nach beschreibt das einfach unser alltägliches Unglück. Und es ist tatsächlich eine fabelhafte Qualität des Dhamma, dass korrekte Praxis zu beispielloser Freude und einem erleichterten Herzen im Hier und Jetzt führt. Aber die Tatsache, dass die oben genannte Formulierung ausnahmslos nach 'Geburt, Altern und Tod' auftaucht, legt nahe, dass sie sich primär auf Unglück zukünftiger Leben bezieht. Die Sutten sagen, dass das Leiden in diesem Leben wie ein Staubkorn ist, aber die Leiden der Zukunft wie der mächtige Himālaya. Dieser Eindruck wird bestätigt wenn wir zur Kenntnis nehmen, dass die Formulierung 'Schmerz' beinhaltet, was ausdrücklich physischer Schmerz bedeutet. Es ist allgemein bekannt, dass selbst Buddhas nicht ausgenommen sind von körperlichen Schmerzen, daher muss sich das ausschließlich auf zukünftige Leben beziehen.

Oder man nehme die Formulierung 'Nicht bekommen, was man will, ist Leiden.' Wenn ich ein Wettspieler wäre, würde ich viel Geld darauf setzen, dass niemand, der diese Formulierung heutzutage liest, sie mit Wiedergeburt assoziieren würde. Aber was sagen die Sutten dazu? "Für Wesen, die der Geburt unterworfen sind, obgleich sie wünschen mögen 'Ach mögen wir nicht der Geburt unterliegen! Möge Geburt nicht auf uns zukommen!' kann das nicht durch Wünschen erreicht werden. Das bedeutet 'Nicht zu bekommen, was man will. ' ..."

Obiges im Geist behaltend, lasst uns einen erneut Blick auf die zweite und dritte Lehrrede werfen. Nicht von unserer Perspektive als säkularisierte moderne Menschen durch 2500 Jahre verkrusteter Interpretation hindurchspähend, sondern durch die Augen des ursprünglichen Publikums. Hier müssen wir uns an eine goldene Regel erinnern - nicht psychologisieren! Das Publikum, die Gruppe der fünf Mönche, tat das auch nicht; sie konnten es nicht. Psychologie war damals noch nicht erfunden. Bedenke: Diese Mönche haben Jahre damit verbracht, ihre Körper unerbittlich zu verwildern mit Hilfe brutalster nur vorstellbarer Selbstfolterung. Haben sie das in der Hoffnung auf eine komfortable und glückliche Existenz in diesem Leben getan? Ganz im Gegenteil, sie hätten solch ein Ziel als trivial und töricht angesehen. Getrieben von der Angst vor dem Tod haben sie ihre Leben der vollkommenen Gleichgültigkeit diesem Leben gegenüber gewidmet, in einem traurigerweise fehlgeleitetem Versuch, Erlösung im nächsten zu finden. Kein Zweifel, sie haben diese Erlösung in Begriffen des Überlebens einer gewissen Art von 'Selbst' verstanden.

Diese Gruppe von fünf Mönchen lebte zuvor einige Zeit mit dem Bodhisattva, sie waren also vertraut mit den Grundzügen dessen früheren Lebens wie es oben beschrieben wurde. Aber die einzige Dhamma-Unterweisung, die sie gehört haben war die erste Lehrrede. In dieser endete die Beschreibung des Leidens mit den Worten: 'Zusammenfassend sind die fünf Daseinsgruppen in Verbindung mit Gier Leiden.' Man beachte den Begriff: 'Zusammenfassend'. Die fünf Daseinsgruppen leiten kein neues radikales Paradigma ein. Die zweite Lehrrede kann daher als Erweiterung dieser kurzen Formulierung angesehen werden; Der erste Kommentar. Er beginnt: 'Physische Form ist nicht das Selbst.' Was wird das wohl für die Gruppe der Fünf bedeutet haben? Der interne Beweis in den Sutten legt nahe, dass die fünf Daseinsgruppen ein vor-buddhistisches eschatologisches System darstellten, ein geeignetes Gerüst, um die zahlreichen Spekulationen über das den Tod überlebende "Selbst" zu klassifizieren. Das Sutta verwirft eine Art eschatologischer Theorien: Es ist nicht angemessen Erlösung vom Tod anzustreben, indem man sich mit dem Überleben eines physischen Prinzips identifiziert. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens, führt physische Form zu Krankheit. In der Zukunft wie auch jetzt, wird sie alt und stirbt. Zweitens, können wir der physischen Form nicht kommandieren: 'Sei so! Sei nicht so!' In diesem Licht bedeutet das ganz offensichtlich, dass wir unserer physischen Existenz im nächsten Leben nicht befehlen können so zu sein, wie wir es gern hätten. Das Verb hier, hoti, wird normalerweise in einem eschatologischen Kontext benutzt. Das Sutta wiederholt die Analyse der verbleibenden Daseinsgruppen Gefühl, der Wahrnehmung, Willensakte und Bewusstsein. Hier und weiter unten werde ich nur die physische Form als Beispiel verwenden.

Als nächstes fragt das Sutta: 'Ist physische Form beständig oder vergänglich?' - 'Vergänglich, Ehrwürdiger.' Das ist die allererste unspezifische Behandlung der Zeit in den Sutten. Da bisher die einzige Bedeutung der Zeit Geburt, Altern und Tod gewesen ist, wäre es verkehrt, hier eine andere Bedeutung zu vermuten. Aber wir können eine leichte Veränderung ausmachen. 'Vergänglichkeit' ist ein eher philosophischer Begriff, der einen Schritt in Richtung einer allgemeineren Betrachtung der Zeit nahelegt, bei der Geburt, Altern und Tod Paradigmen für Zeit in verschiedenen Kontexten werden.

'Ist etwas Vergängliches Leiden oder Freude?' - 'Leiden, Ehrwürdiger.' Normalerweise halten wir Abwechslung und Veränderung für stimulierend und angenehm, daher mag diese Antwort etwas seltsam erscheinen. Aber wenn 'Veränderung' Geburt, Altern und Tod meint, verwundert es nicht, dass es Leiden ist.

'Ist es in diesem Fall passend, physische Form wie folgt zu betrachten: "Das ist mein, das bin ich, das ist mein Selbst"?' - 'Nein, Ehrwürdiger.' Also kann man physische Form, vergänglich wie sie ist, d.h. dem Altern und Tod unterworfen, nicht als unsterbliche Seele betrachten.

Als nächstes betrachte man alle physische Form 'mit dem richtigen Verständnis in Übereinstimmung mit der Realität' als Nicht-Selbst: 'Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart' (d.h. vergangene Leben, zukünftige und das jetzige Leben) 'innen' (d.h. ein inneres physisches Phänomen als Seele betrachten, wie z.B. den Atem) 'außen' (die äußere Seele war eine geläufige Idee im Altertum - ein Vogel, ein Baum, einfach alles konnte man als die eigene Seele betrachten) 'minderwertig oder höherwertig' (d.h. in besseren oder schlechteren Ebenen der Wiedergeburt) 'nah oder fern' (vermutlich bedeutend 'auf Erden oder im Himmel').

So gesehen, gibt der 'geschulte edle Jünger' Befleckungen auf. Bisher ist die einzige Beschreibung von Befleckungen auf die wir gestoßen sind 'diese Gier, die erneute Existenzen hervorbringt'. Die Formulierung 'geschulter edler Jünger' als auch 'rechte Weisheit in Übereinstimmung mit der Realität' beziehen sich spezifisch auf den Stromeintritt oder höheres. Das ist sozusagen abhängig von Einsicht in die Wiedergeburten. Nach all dem sollte es keine Überraschung sein, wenn das Sutta die Erfahrung der Erleuchtung wie folgt ausdrückt: 'Geburt ist beendet ...'

Wir wollen uns nun der dritten Lehrrede1 zuwenden. Wir werden eine signifikante Entwicklung bei der Betrachtung der Zeit feststellen. Dieses Mal belehrt der Buddha eine andere Gruppe von Yogis, die wie auch immer geartete, ähnliche vorgefasste Meinungen hatten. Diese Belehrung wird in Begriffen der sechs Sinne ausgedrückt. Der Buddha erfindet nun die Psychologie, indem er seine grundlegende Analyse der kognitiven Prozesse weiterentwickelt. Hier sehen wir zum ersten Mal eine spezifisch-psychologische Betrachtung der Zeit. 'Gefühl' heißt es, 'entsteht in Abhängigkeit von Kontakt', wohingegen zuvor Entstehen und Vergehen ausschließlich Entstehen und Vergehen von Wiedergeburt darstellte. Die auffälligste Eigenschaft dieser Lehrrede ist, dass die Betonung nicht auf technischer Definition und abstrakter Analyse liegt, sondern auf der aufwühlenden, beständig wiederholten Warnung: 'Alles brennt! ... Wodurch brennt es? Durch das Feuer von Gier, Hass und Unwissenheit...' Diese berühmte Dreiergruppe ist offensichtlich eine detailliertere Analyse von 'Gier verursacht Wiedergeburt', die hier vorgestellt wird, um sich auf die Dreiergruppe der Gefühle zu beziehen. '… mit dem Feuer von Geburt, Altern und Tod ...' Der Grund, warum Auge etc. brennen ist, weil Anhaftung aufgrund von Sinneserfahrungen Befleckungen aufkommen lassen, was Wiedergeburt erzeugt.

Demnach zeigt die Feuer-Predigt, auf eine Anregung zurückgreifend, die bereits verborgen in der 'Vergänglichkeit' der zweiten Lehrrede vorhanden war, die Verbindung der Erfahrung der Zeit im psychologischen gegenwärtigen Moment und das eschatologische Gerüst, welches die ursprüngliche Motivation für spirituelle Praxis war. Diese Beziehung wird auf viele Arten in den Sutten untersucht und all die psychologischen Belehrungen der Sutten sollten in diesem Licht gesehen werden. Die Innovation des Buddha war nicht den Fokus religiösen Interesses von Eschatologie zu Psychologie zu verschieben, sondern die Eschatologie zu 'demetaphysieren', Wiedergeburt in rationalen, empirischen Begriffen zu erklären, was heutzutage keinen prinzipiellen Unterschied zum wahrnehmbaren psychologischen Prozess darstellt. Indem man die Sutten also 'hinter' ihnen stehend betrachtet, sehen wir ein recht anders geartetes Szenario, als würden wir vom 21. Jahrhundert auf sie zurückblicken.

Wenn das Hauptaugenmerk der Sutten auf die Zeit eschatologischer Art ist, muss, um das zu erklären, das Grundgerüst Ursprungs-abhängig sein. Das ist die Erklärung Buddhas, warum Wiedergeburt ohne eine Seele stattfindet, indem man die psychologische Analyse aus der dritten Predigt nimmt und zeigt, wie diese in den Kreislauf der Wiedergeburt passt. Ungeachtet der verschiedenen Betrachtungen in den Sutten ist das immer die Kernaussage, wodurch die Zwölferkette unzählige Male mit peinlicher Beständigkeit auftaucht.

Wir können der Betrachtung der Zeit im Abhidhamma als Evolution von diesen Elementen nachspüren. In der frühesten Schicht der Abhidhamma-Literatur, die Sutta-Erläuterung des Vibhaṅga, finden wir die gleiche Zwölferkette. Aber die nächste Schicht, die Abhidhamma-Darlegung, führt viele Variationen ein, indem sie die Zwölferkette neu auf eine Weise definiert, die der Buddha nie gelehrt hat. Der Sarvāstivāda-Abhidharma entwickelte ähnliche Ideen und auch dort war man gezwungen, die einzelnen Glieder anders zu definieren, damit sie Sinn ergaben. Der Hauptzweck scheint eine weiterführende Psychologisierung der Lehren zu sein, indem die in modernen Zeiten berühmt gewordene 'abhängiges Entstehen in einer Lebensspanne' eingeführt wird. Das wird als Rückkehr zu den ursprünglichen psychologischen Unterweisungen des Buddha bezeichnet, frei von der eschatologischen Perspektive, die von vermutlich Brahmanischem Einflüssen stammt. Aber wie wir gesehen haben ist genau das Gegenteil der Fall. Es sind die Sutten, welche die Eschatologie so stark betonen - Ich kann mir nicht vorstellen, was der Buddha hätte machen können, um sie noch mehr hervorzuheben. Der Abhidhamma-Piṭaka, die psychologischen Belehrungen von ihrem ursprünglichen eschatologischen Kontext trennend, fängt an, sich zu einer Psychologie um ihrer selbst willen zu werden. Demgemäß treiben die modernen 'Ein-Leben-Anhänger' das Abhidhamma-Programm nur einen Schritt weiter, die Rolle der Wiedergeburt ganz abschaffend.

Vielleicht ist es erwähnenswert, dass die atheistische Saṅkhya-Schule zur gleichen Zeit entstand wie der Abhidhamma. Diese Schule wurde wie folgt vom angesehenen Wissenschaftler Heinrich Zimmer in seinem Werk "Philosophies of India" beschrieben: 'Ihre Analyse des Mikromakrokosmos, ebenso wie der gesamten Bandbreite menschlicher Probleme werden in Begriffen einer Art ur-wissenschaftlichen psychologischen Funktionalismus dargestellt ... ein akribischer und nüchterner Positivismus.' In Anbetracht der nahen Identität der philosophischen Grundsätze dieser beiden Schulen - Rationalismus, Dualismus, Realismus - und dem offenkundigen Einfluss solcher Saṅkhya-Konzeptionen, wie dem 'sabhāva' auf den Abhidhamma, mag man uns vergeben, für die Verwunderung, wenn es nicht das abhängige Entstehen in drei Leben wie in den Sutten ist, sondern vielmehr die Ein-Leben-Theorie des Abhidhamma, die einige nicht-buddhistische Einflüsse reflektiert.

Zur Zeit des Dhammasaṅgaṇī, welche vermutlich später als die obigen zu datieren ist, wird Zeit schlicht mit 'zu dieser Gelegenheit' behandelt. Die entsprechende Verschwommenheit - in einem Text, dessen vordergründiges Ziel präzise Definitionen sind! - erlaubt nahezu jegliche Interpretation der Zeit, was vermutlich auch beabsichtigt war. Vorbei ist die Dringlichkeit, vergangen die Inspiration, weg die Menschlichkeit, verschwunden die Relevanz. Das ist nun alles Vergangenheit.

Das Dhammasaṅgaṇī ist zu solch verkümmerter Zeit aufgrund seiner universalistischen Ordnung gelangt. Es muss Definitionen bieten, die auf jede mögliche Art von Erfahrung anwendbar sind. Aber es behauptet ebenso eine legitime Auslegung der Sutten zu sein, die eine ganz andere Absicht verfolgen. Um diese beiden Perspektiven wieder zu vereinen greift das Dhammasaṅgaṇī mit erstaunlicher Naivität auf einen gedanklichen Fehler zurück, den Unterschied zusammenbrechen zu lassen zwischen einem Geschehnis im gegenwärtigen Moment, erfahrbar durch direkte Beobachtung und einem sich über die Zeit entwickelndem Prozess, erfahrbar durch folgerndes Verstehen kausaler Prinzipien. In den Sutten bezeichnet der Begriff 'Daseinsgruppe' (khandha) eine Oberkategorie für eine bestimmte Klasse von Phänomenen. Die Daseinsgruppe der Wahrnehmung wird z.B. definiert als 'jegliche Wahrnehmung, vergangen, gegenwärtig oder zukünftig ...' Aber das Dhammasaṅgaṇī fragt 'Was ist die Daseinsgruppe der Wahrnehmung zu dieser Gelegenheit?' Das ist ebenso unsinnig wie die Frage 'Welcher Hund ist die Hundespezies?' Das Dhammasaṅgaṇī peitscht so grob eine Bedeutung durch, dass es nicht fähig ist zwischen einer Klasse und einem Mitglied einer Klasse zu unterscheiden. Eine Klasse ist zu offensichtlich ein Konzept und es würde einfach keinen Sinn machen, den Abhidhamma mit bloßen Konzepten zu beschmutzen.

Im späteren Abhidhamma wird die Betrachtung der Zeit von einer radikalen neuen Theorie dominiert, die völlig von allem in den Sutten oder sogar im kanonischen Abhidhamma verschieden ist, die Theorie der Momente (khaṇavāda). Diese postuliert, dass Zeit aus einer Serie von eigenständigen, unteilbaren Einheiten besteht, ungefähr wie eine Reihe von hintereinanderliegenden Billardkugeln auf einem Tisch. Jede Einheit bzw. jeder 'Moment' ist winzig klein, sodass Billionen während einem Lichtblitz vergehen. Während die Sutten also die Länge der Zeit betonen, hebt der Abhidhamma deren Kürze hervor. Diese Theorie formt die Konzeption des Abhidhamma auf einer ganzen Bandbreite von Doktrinen. Folglich wird Vergänglichkeit nicht einfach der Geburt und dem Tod unterworfen, Entstehen und Vergehen, sondern die augenblickliche Aufhebung aller Phänomene - ein dhamma entsteht und vergeht in einem Augenblick, keine Spur eines Rückstandes im nächsten hinterlassend. Samādhi wird keine erhabene, stabile Sammlung des Geistes, sondern ein 'momentanes samādhi', das der Fluktuation der Phänomene hinterherrennt. Der Pfad wird, vom graduellen Programm spiritueller Entwicklung, zum 'Pfad-Moment', innerhalb eines Augenblicks vergangen. Und der Geist selbst wird schlichtweg zu einer Serie von 'Geist-Momenten'.

Nun, es ist gut möglich diese Theorie zu nehmen, mit den Sutten zu vergleichen und sie Punkt für Punkt zu widerlegen. Aber ich würde hier gerne einfach erwähnen, was für eine unplausible und nutzlose Idee das ist. Es ist recht offensichtlich, möge Zeit auch so fein analysiert werden, wie wir nur wollen, ihre Teilbarkeit wird einzig und allein durch die Schärfe unserer analytischen Klinge festgelegt. Jede Zeiteinheit hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Der Anfang hat ebenso einen Anfang, eine Mitte und ein Ende, und so weiter ad infinitum. Es gibt einfach keinen guten Grund eine ultimative Grundlage der Zeit zu postulieren, auf die andere Schichten reduziert werden kann. Diese Idee scheint einen Teil ihrer Eindringlichkeit zu beziehen von ihrer Luft aus beißender, pessimistischer, reduktionistischer Schwierigkeit, die häufig fälschlicherweise für eine wirklich kompromisslose Weisheit gehalten wird.

Der leitende Ansatz für die Formulierung einer Geistmoment-Theorie würde selbstverständlich bei der Genauigkeit der Definition liegen. Während der Buddha also vom Geist als 'sich verändernd während er besteht' sprach, spricht der Abhidhamma einfach von 'beständig'. Es ist wesentlich einfacher, ein statisches Gebilde, als einen sich entwickelnden Prozess zu definieren. Das ist der Grund, warum ein Schmetterlingssammler diese tot mit einer Stecknadel durch's Herz gesteckt haben möchte und mit einem kleinen Schild darunter, und nicht wie verrückt in den Wäldern umherschweifend. Der tote Geist. Aber der Buddha war kein Sammler von Schmetterlingen, er war ein Beobachter der Natur. Er wollte, dass wir den Flug und das Geflatter des Schmetterlings betrachten, um zu verstehen wie er sich in seiner natürlichen Umgebung verhält und ihn vorsichtig, sanft und leise zu verfolgen, bis er sich niedersetzt, um immer noch mit seiner Natur übereinstimmend auszuruhen - das ist es, was er 'samādhi' nannte.

Mittlerweile stelle ich mir vor, wie unser armer Geistmoment sich recht freundlos vorkommt. Ich sollte mehr gutes buddhistisches Mitgefühl haben und versuchen, die Dinge vom Standpunkt des Geistmoments aus zu betrachten - was, laut den Abhidhammikas, die einzige Sichtweise ist, die uns alles sehen lässt. Wie wäre wohl ein Moment des Stillstands? Eine seltsame Welt! Man könnte gewiss nicht die Vergänglichkeit sehen, ebensowenig wie man den Moment erinnert, in dem man eingeschlafen ist. Laut Definition bedeutet das Ende auch immer das Ende der Achtsamkeit. Alles was man wissen könnte, jemandes ganzes Leben, wäre beständig. Vom Standpunkt des Geistmomentes aus, wäre Existenz gleichbedeutend mit Ewigkeit. Das ist eine sehr wunderliche Schlussfolgerung für eine Theorie, deren Absicht es war, die Vergänglichkeit zu erklären.

Aber die Abhidhammikas selbst waren nicht fähig dazu, eine schlüssige Darlegung ihrer Theorie zu formulieren. Sie blieben mit der Aufgabe zurück zu erklären wie der Geist funktioniert, was letztendlich der Grundgedanke war. 'Geist' (citta) wird im Abhidhamma normalerweise 'Bewusstsein' (viññāṇa) gleichgestellt. Die Funktion des Bewusstseins ist laut den Sutten, vernünftigerweise, zu erkennen. Aber der Abhidhamma ordnet seinen Geistmomenten ein irreführendes Spektrum an anderen Funktionen zu. Ihnen wird nachgesagt zu 'vibrieren', 'hinzuweisen', zu 'registrieren' und sogar zu 'aktivieren' (javana, wörtlich 'rennend'). Es ist gewiss sehr geschickt von unserem Geistmoment zur gleichen Zeit fähig zu sein, zu 'stehen' (bzw. 'beständig' zu sein) und zu 'rennen'! Man sollte bedenken, dass nach dem anstrengenden Moment des 'Rennens' oder 'Hinweisens' unser armer überarbeiteter Geistmoment es schwierig finden würde, ein bisschen Erkennen dazwischen zu quetschen.

Einige, vielleicht alle dieser mutmaßlichen Funktionen des Geistmoments überlappen sich mit Funktionen, die laut den Sutten dem 'Namen' oder laut Abhidhamma den 'geistigen Faktoren' zugerechnet werden, diese betreffen vielmehr die Funktionen, die dem Bewusstsein assistieren, als das Bewusstsein selbst. Das Hinweisen = Aufmerksamkeit, Aktivieren = Willenskraft etc. Auf der einen Seite sollen sie also universale Funktionen sein, die dem Bewusstsein assistieren, während sie andererseits Funktionen sind, die von bestimmten Arten von Bewusstsein ausgeübt werden. Generell scheint der Abhidhamma nicht fähig zu sein, zwischen Bewusstsein und den geistigen Faktoren zu unterscheiden. Wenn es beansprucht über Bewusstsein zu reden, spricht es üblicherweise über dessen begleitenden Faktoren.

Außerdem können wir sehen, dass jede dieser Funktionen oder tatsächlich überhaupt jede wirksame Funktion, ein Prozess sein muss, der mit zeitlicher Veränderung verwickelt ist, im Gegensatz zur anfänglichen statischen Definition. Sie ist daher teilbar. Es gibt nichts 'ultimativeres' irgend einer oder eine anderen Stufe der Analyse mehr. Unsere Entscheidung, ein Spektrum von Phänomenen unter einer bestimmten Kennzeichnung zusammenzufassen, ist völlig konventionell. Der Geistmoment ist nichts weiter als ein Konzept - und kein besonders gutes.

Was läuft hier? Warum so eine seltsame Theorie postulieren, so viele Pseudo-Probleme aufbringen und das auch noch so konträr zu den Sutten, zum gesunden Menschenverstand, zur Erfahrung? Ich lege nahe, dass sich der Bereich der Diskussion vom Empirischen zum Metaphysischen verlagert hat. Die Sutten betrachten Zeit mit direkten, pragmatischen, empirischen Begriffen - Geburt, Altern und Tod, die sich verändernden Stufen des Geistes, die schrittweise Entwicklung spiritueller Qualitäten. Der Zweck, der einzige Zweck ist, den Praktizierenden zu befähigen, damit sein Leben in den Griff zu bekommen, indem er die Aufmerksamkeit auf den Kern des Problems lenkt - wie unsere Anhaftungen Leiden verursachen und wie wir durch Loslassen Frieden finden. Aber der Abhidhamma zielt darauf ab, nicht nur das spirituelle Problem und seine Lösung zu beschreiben, sondern die Totalität der Existenz. Zwangsläufig wird der subjektive Standpunkt der Sutten objektiviert und wie der Fokus sich von der Meditation zum Studium verschiebt, werden die Konzepte in den Büchern der Realität aufgedrängt; tatsächlich werden sie selbst zur Realität. Die Suche nach Wahrheit wird zu einer Suche nach Definition, und Realität wird wie eine mathematische Tabelle ordentlich in Abteilungen aufgegliedert. 'Ultimative Realität' wird nicht was du gerade erfährst, sondern das, was du darüber in Abhidhamma-Büchern liest.

Ist das schwer zu schlucken? Es wird dich vielleicht interessieren, dass in heutigen Abhidhamma-Kreisen die orthodoxe Position besagt, dass nur Buddhas und vielleicht einige der wichtigsten Schüler die Kette von 'Geistmomenten' direkt sehen können. Zugegeben, das wird von einigen angefochten, die behaupten, man könne es in der Meditation sehen. Auf die gleiche Art, wie ein christlicher Meditierender behaupten wird Gott zu sehen, oder ein Hindu das universale Selbst. Suchet so werdet ihr finden. Die Tatsache, dass solch eine Kontroverse überhaupt entstehen konnte zeigt, wie weit wir von Buddha's pragmatischem Empirismus abgekommen sind. Das ist schlimm genug. Noch schlimmer wird es, wenn wir realisieren, dass die fragliche Theorie ein Jahrtausend nach Buddha's Zeit aufgetaucht ist. Das ist aus meiner Sicht so gut wie das Zugeständnis, dass das ganze Ding eher eine metaphysische Spekulation ist. Kein Wunder, dass die Abhidhammikas so erpicht darauf waren, den kanonischen Abhidhamma (manchmal sogar die Kommentare!) auf Buddha selbst als Urheber zurückzuführen, ungeachtet der massiven gegenteiligen Beweise.

Kein Aspekt des Abhidhamma spricht so wortgewandt von der Verwerfung der Erfahrung, wie die Behandlung der Gefühle. Der Abhidhamma besagt, dass 'heilsames Bewusstsein' ausnahmslos entweder mit Freude oder Gleichmut verknüpft ist. Das widerspricht unverhohlen dem Mahādhammasamādāna Sutta (Majjhima Nikāya 46,16): 'Voll Schmerz und Trauer enthält sich jemand davon, Lebewesen zu töten und er erlebt Schmerz und Trauer, die das Enthalten vom Töten lebender Wesen zur Bedingung haben.' Das theoretische Missverständnis scheint aus der Gewohnheit des Abhidhamma zu entstehen, hauptsächlich von der ethischen Qualität des Bewusstseins ('heilsames Bewusstsein') zu sprechen und die ethische Qualität einer beabsichtigten Handlung aus deren 'Assoziation' mit einer bestimmten Art von Bewusstsein abzuleiten. Das Bewusstsein als heilsam ansehend, scheinen die Abhidhammikas es unbequem gefunden zu haben, einzugestehen, dass ein 'heilsames Bewusstsein' schmerzvoll sein könnte oder anders herum. Aber für die Sutten ist es die Absicht, und nicht das Bewusstsein, das heilsam ist und daher kann die resultierende Freude zu späterer Zeit erfahren werden: 'Jemand hält die richtige Ansicht aufrecht und erfährt Schmerz und Kummer, die bedingt sind durch richtige Ansicht. Nach Auflösung des Körpers, nach dem Tod, wird ein solcher in einem glücklichen Zustand wiedergeboren, sogar in einer himmlischen Welt. Das nennt man die Art, Dinge zu verrichten, die jetzt schmerzhaft ist und in der Zukunft als Glück heran reift.' Uns braucht nicht groß zu überraschen, dass die Abhidhammikas die Sutten ignorieren. Es ist viel beunruhigender, dass sie ihre eigene Erfahrung ignorieren. Wir alle, einschließlich der Abhidhammikas, haben das eine oder andere Mal (zu oft!) Leiden erlebt, als wir Gutes taten. Anstatt ihre Theorie nun in Einklang mit Erfahrung zu bringen, entscheiden sich die Abhidhammikas, in Rücksicht auf ihre Theorie, die Erfahrung beiseite zu schieben. Es ist viel zu einfach zu argumentieren, dass die 'Geistmomente' so schnell vergehen, dass wir einfach nicht erklären können, welche 'cittas' heilsam und freudvoll und welche unheilsam und traurig sind.

Eine ähnliche Aussage kann gemacht werden in Bezug auf die seltsame Analyse des Abhidhamma bezüglich der Arten von Gefühl, in Verbindung mit den sechs Arten von Sinnesbewusstsein. Gefühle, die mit Auge, Ohr, Nase und Zunge verbunden sind, werden als rein neutral bezeichnet. Das scheint zur Folge zu haben, dass Blumen wunderschön und Lebensmittel nur deshalb wohlschmeckend sind, weil sie dich glücklich machen. Hat nie ein Abhidhammika eine Mango gegessen, während er deprimiert war und sie dennoch schmackhaft gefunden? Oder Müll gerochen, während er glücklich war und es dennoch unangenehm gefunden? Abermals, die Tatsache, dass diese Doktrin den Sutten widerspricht (welche vom 'Gefühl geboren durch einen Sehreiz, ob nun angenehm, unangenehm oder neutral...' sprechen) ist nicht so Besorgnis erregend wie der Fakt, dass sie der lebhaften Erfahrung der Abhidhammikas ins Gesicht fliegt, jeden Moment jeden Tages. Weder nachweis- noch widerlegbar, bewohnt die Theorie der Momente ein epistemologisches Niemandsland, wie ein verlorener Albatros über dem weglosen See des Paradoxen treibend, einen Platz zum Landen suchend, aber nie findend.

 

… DA WAR …

Lasst uns Zeit - für einen Moment - beiseite lassen und einen Blick auf diesen anderen großen philosophischen Buhmann werfen, dem Sein. In den Sutten, war laut der oben genannten Sichtweise, die Hauptbedeutung von 'Existenz' (bhava) 'Stätten der Wiedergeburt'. Aber damit ich nicht als obsessiv angesehen werde und der gute Leser nicht fälschlicherweise denkt, den Sutten fehle es an psychologischer Tiefe, würde ich 'Sein' gerne von einer psychologischen Perspektive angehen, der Entwicklung des wichtigen Begriffes nāmarūpa folgend, was wörtlich 'Name und Form' bedeutet. Obwohl meine folgende Betrachtung größtenteils psychologisch sein wird, sollten wir nicht vergessen, dass es an eschatologischen Kontexten nicht mangelt. Somit sorgt die 'Fixierung' des Bewusstseins auf Name und Form für das Entstehen von 'zukünftiger Geburt, Altern und Tod, dem Ursprung des Leidens'. Es wird behauptet, dass Name und Form selbst wiedergeboren werden.

In den prä-buddhistischen Traditionen stand Name und Form für die Welt der Phänomene, dieser Illusion der Vielfalt. 'Form' ist der äußere Bereich der Erscheinungen, der Eindrücke, wohingegen 'Name' die innere Reflektion dessen darstellt, was durch die Sinne aufgenommen wird - 'Information'. 'Name' repräsentiert den Sieg der Intelligenz über das ursprüngliche Chaos. Die wirbelnden Gewässer der undifferenzierten, ungeformten, rohen Natur sind besiegt mit der magischen Macht des Namens, der den Kosmos organisiert und verständlich macht, und daher Bedeutung, Verständnis des eigenen Platzes in der Natur, sowie die Kraft diese zu manipulieren verleiht - die selbe Kraft, aus der sich ultimativ die moderne Wissenschaft ergeben hat. Name und Form entsprechen sich so eng, dass die Ideen, die Namen, den wahrgenommenen Formen innezuwohnen scheinen, eine mysteriöse Macht über die äußere Welt denen versprechend, die Namen kennen. Diese Stufe der Erkenntnis wird in der indischen Tradition des Veda repräsentiert, der ältesten erhaltenen indischen Literatur. Noch stimmten die prä-buddhistischen Traditionen darin überein, dass Erlösung nicht durch andere Mittel erreicht werden kann, als durch die Auflösung von Name und Form in den kosmischen Ozean (vijñāṇa), befreit von den Begrenzungen der Konzepte. Aber Buddha's Einsicht legte offen, dass Bewusstsein selbst mit Name und Form in einer Beziehung von gegenseitigen Abhängigkeit verbunden ist. Für den Buddha bedeutete endloses Bewusstsein endloses Leiden. Die folgenden Verse, der eine aus den Upaniṣhaden und der andere aus dem Sutta-Nipāta, illustrieren, wie gleiche Begriffe anschaulich gänzlich verschiedene Ideen ausdrücken können, wenn sie von der Magie der Metapher transformiert werden. (Im Sutta-Nipāta-Vers ist der Begriff 'Namensgruppe' kein Synonym für Name und Form, sondern meint einfach 'Name'. Dieser Vers wurde einem brahmanischen Asketen vorgetragen, der um das Schicksal von einem wissen wollte, der Erlösung erreicht hat, die auf der Sphäre der Nichtsheit basiert, eine formlose Erreichung.

Yathā nadyas syandamānās samudre
Accī yathā vātavegena khittā
Gleichwie sich Flüsse in den Ozean ergießen Gleichwie die Flamme ausgelöscht vom Wind
Astam gacchanti nāmarūpe vihāya Atthaṃ paleti na upeti saṅkhaṃ
gehn sie ihrem Ende entgegen,
haben Name & Form fallen gelassen.
zu Ende kommt
und nicht mehr in Benennung eingeht
Tathā vidvān nāmarūpād vimuktaḥ Evaṃ munī nāmakāyā vimutto
So hat sich der verwirklichte [Weise]
von Name & Form befreit
So auch ein Weiser,
der befreit von Namensgruppe ist
Parātparam puruṣam upaiti divyam Atthaṃ paleti na upeti saṅkhaṃ
Jenseits vom Jenseits
ist der dorthin gehende Mann, göttlich.
zum Ende kommt und nicht mehr in Benennung eingeht.
(Muṇḍaka Upaniṣad 3.2.8) (Sutta Nipāta 1080)

Lasst uns die Geschichte von Name & Form im spezifisch buddhistischen Kontext der bedingten Entstehung fortführen. Hier werden Name und Form als abhängig von Bewusstsein dargestellt. Das spricht dafür, dass 'Name' ein Begriff für eine bestimmte mentale Funktion ausschließlich des Bewusstseins ist, während 'Form' physische Phänomene bezeichnet. Es gibt eine sehr interessante Passage im Mahā-Nidāna-Sutta, welche die ursprüngliche Bedeutung von 'Name' hervorhebt. Daher würde ich das als ein frühes Konzept von 'Name' ansehen. Die Passage ist selbst im Pāli undurchsichtig und in einer wortwörtlichen englischen Übersetzung nahezu unbegreiflich, daher paraphrasiere ich.

'Name' und 'Form' werden beide als in Wechselbeziehung mit einer bestimmten Art von 'Kontakt' beschrieben. Name hängt mit 'benennendem Kontakt' zusammen, während 'Form' sich auf einen 'Eindruckskontakt' bezieht. Also sehen wir uns diesen 'Kontakt' mal an. In der üblichen Analyse des Kontaktes, wird dieser als ein Zusammenspiel dreier Faktoren bezeichnet: das äußere Sinnesobjekt (z.B. 'Bild'), das innere Sinnesorgan (z.B. 'Auge') und der entsprechenden Bewusstseinsart (z.B. 'Sehbewusstsein'). Im Fall der fünf physischen Sinne, wäre der 'Eindruckskontakt' der 'Eindruck' des äußeren Sinnenobjektes auf das innere Sinnesorgan - Licht 'trifft' das Auge oder ein Geräusch 'trifft' das Ohr. Im Fall des geistigen Bewusstseins haben wir geistige Objekte (dhamma), mano (normalerweise mit 'Geist' übersetzt) und mano-Bewusstsein.

Was ist dieses mano? Es wird in diesem Zusammenhang nicht in den Sutten definiert, jede Erklärung bleibt also spekulativ. In einfacheren, unspezifischen Zusammenhängen, wie dem der drei Handlungstore (Körper, Sprache und Geist) ist mano mehr oder weniger ein Synonym für 'Geist' (citta) oder 'Bewusstsein' (viññāṇa). Aber hier scheint es, dass mano klar von mano-Bewusstsein getrennt ist und eine speziellere Nuance trägt.

Die Abhidhammikas bringen hier ihren geliebten 'Geistmoment' ein, sie meinen, dass mano sich auf eine bestimmte Art von Geistmomenten im Prozess des Bewusstseins bezieht, wohingegen mano-Bewusstsein einer anderen zugewiesen ist. Im Besonderen wird das manodhātu als 'Fünf-Tor hinweisendes Bewusstsein' {Geist-Element} und 'Empfangendes Bewusstsein' definiert, das den Fünf-Sinne-Eindruck akzeptiert; was recht merkwürdig anmutet, da manodhātu die Unterstützung für das mano-Bewusstsein ist, und nicht das Fünf-Sinne Bewusstsein. Anderswo wird mano inkonsequent mit bhavaṅga identifiziert, dem angenommenen unterschwelligen 'Daseinsstrombewusstsein', das vom 'Hinweisenden Bewusstsein' unterbrochen wird, um einen Prozess aktiven Denkens entstehen zu lassen. Und das trotz der Tatsache, dass die relevante Sutta-Passage klar feststellt, dass mano intakt sein muss, nicht abgeschnitten, damit sich mano-Bewusstsein manifestieren kann. Außerdem machen die Sutten deutlich, dass die 'Kooperation' (saṃgati, 'zusammenkommen') von mano, geistige Objekte und mano-Bewusstsein den Kontakt darstellt. Wie können separate Geistmomente simultan auftreten? Da im Abhidhamma das gleichzeitige Auftreten der drei Faktoren zu aufeinander folgendem Auftreten gestreckt wird, würde es nur natürlich erscheinen, den Kontakt weiter einzuteilen, es mit einer eigenständigen realen Existenz auszuzeichnen, statt es nur eine bloße Funktion sein zu lassen. Die Abhidhammikas ändern also die Sutta-Aussage, dass die drei Kontakt sind (tiṇṇaṃ saṃgati phasso) zu die drei führen zu Kontakt (tiṇṇaṃ saṃgatiyā phasso). Zusammenfassend steht in den Sutten: 'Abhängig von mano und mentalen Objekten entsteht mano-Bewusstsein. Das Zusammenwirken der drei ist Kontakt.' Der Abhidhamma erklärt: 'Abhängig von bestimmten Arten von Bewusstsein und geistigen Objekten entsteht Sinnesbewusstsein oder andere Arten von geistigem Bewusstsein. Aufgrund des Zusammenwirkens der drei findet Kontakt statt.' In aller Bescheidenheit, ich denke, das können wir ein bisschen besser.

Mano und geistige Objekte lassen hier Bewusstsein entstehen, auf die gleiche Art, wie Name & Form Bewusstsein entstehen lassen. Ebenso wie die physischen Sinnesorgane physische Konstrukte sind, die körperliches Bewusstsein begünstigen oder ermöglichen, so würde scheinbar auch mano ein geistiges 'Konstrukt' sein, das geistiges Bewusstsein begünstigt oder ermöglicht. Ich würde daher nahelegen, dass es vergleichbar, wenn nicht sogar identisch mit 'Name' selber ist. Wir mögen es daher in diesem Kontext als 'Denkweise' übersetzen. Die 'geistigen Objekte' würden zumeist aus 'Gedanken' etc. bestehen, die sich auf 'Name' beziehen und 'geistige Bilder', die Teil der 'Form' sind.

Wir schweifen ab. Zurück zum Mahā-Nidāna-Sutta. Wir haben jetzt Form, die 'Eindruckskontakt' entstehen lässt, bestehend aus dem Eindruck äußerer Sinnesobjekte auf die Sinnesorgane, und Name, der passenderweise 'Benennungskontakt' entstehen lässt, welcher aus konzeptuellen Prozessen der Sinnesdaten besteht. Ich strample verzweifelt beim vermutlich zum Scheitern verdammten Versuch herum zu vermeiden, dass diese Diskussion zu technisch wird. Es gibt einige wichtige Voraussetzungen, die bezüglich meiner Diskussion sowohl oben wie unten gemacht werden müssen, aber ich hoffe, dass ich durch einige Vereinfachungen die Grundzüge ohne Verfälschungen verdeutlichen kann. Wir können sehen, dass sich 'Eindruckskontakt' hauptsächlich mit von außen erhaltenen Daten beschäftigt, während sich 'Benennungskontakt' hauptsächlich mit inneren Prozessen, den konzeptuellen Informationen befasst. Dementsprechend erhält das frühere mystische Verständnis von Name und Form eine strikt rationale, psychologische Behandlung. Name und Form sind, wie gezeigt, voneinander abhängig. Wenn da kein Name wäre, könnte es kein Benennen geben, d.h. kein konzeptuelles Verarbeiten sensorischer Erfahrung. Wenn es keine Form gäbe, würde kein Gewahrsein der äußeren Welt statt finden. Schlussendlich fährt die Passage mit der Durchführung einer Synthese fort, um zu zeigen, dass beide dieser Prozesse essentielle Aspekte des 'Kontaktes' sind.

Bisher habe ich diese Analyse als generelle Psychologie behandelt. Aber der Kontext und auch anderes legt nahe, dass es vielmehr gezielt auf die kindliche Entwicklung angewandt werden sollte. Folglich können wir sehen, dass sich der Geist des Kindes ohne sensorische Stimulation nicht weiter als bis zu einem undifferenzierten, 'ozeanischen' Unterbewusstsein entwickeln würde, wie ein Fötus im Mutterleib. Ohne das Entwickeln konzeptueller Fähigkeiten, könnte man nicht lernen sensorische Informationen in einer nutz- und bedeutungsvollen Weise aufzunehmen und zu verarbeiten.

Aber ich habe den wichtigsten Aspekt zum Verständnis der frühen buddhistischen Ontologie weg gelassen. Normalerweise wird bei der bedingten Entstehung die Existenz einfach in Begriffen der Existenz, des Faktors selber beschrieben, wie in der berühmten Formel: 'Dieses Wesen, das ist … dieses Nicht-Wesen, ist nicht.' Aber unser momentaner Textabschnitt spricht nicht von der Existenz von, z.B. 'Name', sondern von der Existenz, 'den Faktoren, Eigenschaften, Merkmalen und Zusammenfassungen, aus denen sich das Konzept von Name ergibt'. Wenn diese 'Eigenschaften' abwesend sind, kann kein 'Benennungskontakt' bezüglich 'Form' 'gefunden' werden. Im Gegenzug, wenn die 'Eigenschaften' durch die sich das 'Konzept' von 'Form' ergibt abwesend sein, kann kein 'Eindruckskontakt' bezüglich 'Name' 'gefunden' werden.

Das demonstriert auf sehr eindringliche und eindeutige Weise, dass die 'Eigenschaften' durch die Phänomene erkannt werden, für alle Dhamma zweckdienlich sind, gleichbedeutend mit den Phänomenen selbst, da sie die identische Funktion bei der bedingten Entstehung ausüben. Wir können nicht zwischen den Eigenschaften eines Dinges und diesem Ding selbst unterscheiden, da die Bezeichnung die wir einem 'Ding' geben einfach ein Konzept ist, das die Ausübung bestimmter Funktionen anzeigt. Zu sagen, dass etwas 'existiert' bedeutet zu sagen, dass es 'vorkommt'. Und die eigentlichen Funktionsweisen der Erfahrung, die grundlegende Struktur der Informationsverarbeitung hängt notwendigerweise von diesem konzeptuellen Apparat ab. Ohne 'Benennen', ohne die Eigenschaften über die ein Ding 'konzeptualisiert' wird, kann Berührung und damit der gesamte Wahrnehmungsprozess nicht funktionieren. Folglich zerstört diese Passage gründlich jeglichen Versuch, einen Keil zwischen 'ultimativer' und 'konventioneller Realität' zu treiben. Weisheit besteht nicht darin, über sämtliche Konventionen zur ultimativen Grundlage zu kommen, sondern im Verstehen, wie das Konzeptualisieren selbst dem kognitiven Prozess innewohnt. Dementsprechend sagte der Buddha, dass der Umfang der Konzepte, der Sprache und des Benennens genau der Bereich der Weisheit ist; das bedeutet Geburt, Altern und Tod, Bewusstsein zusammen mit Name & Form.

Wie auch immer, Bhikkhu Bodhi liest diese Passage genau andersherum. Für ihn bedeutet die Erwähnung der 'Eigenschaften', dass diese konzeptuell verschieden vom Ding und von sich selbst sind. Er interpretiert sicherlich nur eine ältere Agenda in eine frühere Belehrung hinein. Er unterstützt seine Position mit Bezug auf die drei 'Wege' des Sprechens, der Bezeichnung und Sprache, wie etwas weiter unten in unserem Sutta erwähnt. Indem er Unterstützung von den Kommentaren beansprucht, (obwohl sie hier nicht stimmig sind - immer ein verdächtiges Signal) sagt er, dass sich 'Sprache' auf konzeptuelle Beschreibung bezieht, wohingegen sich der 'Weg' der Sprache auf den objektiven Referenten der Sprache, d.h. die fünf Daseinsgruppen bezieht. Unglücklicherweise bezieht sich die identische Textstelle, wenn sie im Khandha-Saṃyutta auftaucht nicht auf fünf, sondern drei 'Wege' des Sprechens - und zwar Vergangenheitsform, Zukunftsform und Gegenwartsform (nicht zu vergessen, dass diese Formen im Pāli oft vergangene, zukünftige und das jetzige Leben bedeuten). Jede Behauptung muss in derartigen Begriffen ausgesagt werden und muss daher in Zeit versetzt werden, in den Kreislauf der Wiedergeburten. Das ist erst Recht in einer so stark gebeugten Sprache wie Pāli so, bei der die Fälle in Verbformen eingebaut werden. Diese Aussage würde vermutlich einiges an Kraft verlieren, wenn sie auf, sagen wir mal, Chinesisch oder andere ungebeugte Sprachen angewendet würde, in denen Fälle weg gelassen werden.

Den Unterschied zu verstehen zwischen 'absoluter' und 'konventioneller' Wahrheit wurde von späteren Buddhisten als Zeichen von profunder Weisheit hochgehalten, ein Schlüssel zum Eindringen in die inneren Mysterien des Dhamma. Aber jedes spezialisierte Feld der Anstrengung - von Mechanik zu Mathematik, vom Angeln zur Physik - wird ein technisches Vokabular entwickeln, von Begriffen, die auf eng definierte und manchmal exzentrische Art verwendet werden - ein Jargon. Der Dhamma ist da keine Ausnahme. Wir nehmen unseren Jargon nur ein wenig zu ernst. Die willkürliche und inkonsequente Benutzung dieser ontologischen Apartheid in ihrer wechselvollen Karriere durch die buddhistische Geschichte verfolgend, kann ich nur einen konstanten Faktor erkennen - die eigenen Lehren als 'absolut' zu erheben und die der anderen als 'konventionell' zu verunglimpfen. So ist der Abhidhamma 'absolut', wohingegen die Sutten 'konventionell' sind; oder die Mahāyāna-Sutten sind 'absolut' während der Abhidhamma 'konventionell' ist. Es ist ein Stück Standard der Abhidhamma-Rhetorik zu beanspruchen, dass der gesamte Abhidhamma in Begriffen der 'ultimativen Wahrheit' verfasst ist. Aber das ist bloßes Geschrei. Da gibt es zwei ganze Bücher und viel Material anderswo im Abhidhamma Piṭaka, das geradezu davon spricht, was sogar die Abhidhammikas als 'konventionelle Wahrheit' bezeichnen würden. Daher erleuchtet uns das Kathavatthu mit gelehrten Diskussionen bezüglich solch wichtiger Themen wie den Geruch von Buddha's Exkrementen. Wie auch immer, ich behaupte, dass jedes Wort im Abhidhamma Piṭaka von 'kusala' bis 'paccayo' nichts weiter ist als Konvention. Vermutlich würden die Verfasser des Abhidhamma Piṭaka mir zustimmen. Das Puggala Paññatti ('Die Charakterisierung der Person') listet sechs Konzepte auf: die Konzepte der Daseinsgruppen, Sinnesgrundlagen, Elemente, Wahrheiten, Fähigkeiten und Personen. Das Puggala Paññatti selbst behandelt augenscheinlich die sechste Konzeptart und der Rest des Abhidhamma Piṭaka befasst sich mit den übrigen Konzepten. Entsprechend gibt es, in Harmonie mit den Sutten und dem Rest des Abhidhamma Piṭaka, keinen Versuch, die Daseinsgruppen etc. mit einem privilegierten ontologischen Status über der 'Person' zu verheiligen.

Die späteren Abhidhammikas, von der subtilen Erkenntnislehre der Sautrantikas inspiriert, schlugen vor, dass konventionelle Wahrheit durch Rückschluss erkannt wird (anvaya, anumāna), wohingegen die absolute Wahrheit durch direkte Wahrnehmung (paccakkha) erkannt wird. Anschließend wird behauptet, die absolute Wahrheit macht die Objekte von vipassanā aus, während die Objekte von samatha eher konventionelle Wahrheit sind. Ich habe anderswo ausführlich argumentiert, dass samatha und vipassanā in den Sutten nicht durch ihre Objekte getrennt werden, sondern durch ihre charakteristische Gewichtung auf entweder Frieden oder Erkenntnis. Aber ich brauche nicht auf die Feinheiten der Dialektik zurückgreifen, um diese Theorie zu widerlegen. Wir brauchen nur einen Blick auf die Art zu werfen, wie 'direkte Erkenntnis' (dhamme ñāṇaā) und 'schlussfolgernde Erkenntnis' (anvaye ñāṇaṃ) im Nidāna-Saṃyutta behandelt werden, um zu sehen, dass beide Aspekte von vipassanā sind. Direkte Erkenntnis versteht die Gegenwart; schlussfolgernde Erkenntnis die Vergangenheit und Zukunft.

In der Textstelle des Mahā-Nidāna-Sutta werden Name und Form auch 'Namensgruppe' und 'Formengruppe' genannt, damit andeutend, dass beide aus einer Anzahl von Faktoren bestehen. Woanders in den Sutten werden sie tatsächlich definiert, nicht synthetisch wie oben, sondern analytisch. Name ist Gefühl, Wahrnehmung, Aufmerken, Kontakt und Willenskraft. Form sind die vier großen physischen Bestandteile und abgeleitete Form. Die Verbindung zwischen Name und seiner originalen Bedeutung werden schwächer. Es ist nun ein Oberbegriff für eine Klasse geistiger Funktionen, nur einige davon sind direkt mit Begriffsbildung verbunden. Einer der Faktoren, die mit Begriffsbildung zusammenhängen ist die 'Wahrnehmung'. Das ist der assoziative Aspekt des Bewusstseins. 'Wahrnehmung' (saññā) steht zum 'Bewusstsein' (viññāṇa), so wie 'Nebenbedeutung' zu 'Hauptbedeutung' steht. Die Sutten behandeln das als einen der Schlüsselaspekte der Konzeptbildung. Im alltäglichen Sprachgebrauch kann es 'Vertrag' oder 'Übereinkunft' bedeuten. In diesem Sinne erreicht Wahrnehmung (saññā) die Bedeutung von Konvention (sammuti). Diese beiden sind etymologisch gleich. Aufgrund seines Nichtvorhandenseins in 'Name' ist der 'Gedanke' erwähnenswert, der kein notwendiger Faktor für Bewusstsein ist. Anderswo heißt es, die Faktoren für Name würden dem Gedanken vorausgehen. Es scheint, dass sich, trotz der Begriffe 'Name' und 'Bezeichnen', 'Name' mit sehr fundamentalen, vor-sprachlichen, ur-konzeptuellen Prozessen beschäftigt.

Zur Zeit des Abhidhamma hat sich 'Name' noch weiter von seiner ursprünglichen Bedeutung entfernt. Jetzt wird es ein Oberbegriff für alle geistigen Phänomene, einschließlich Bewusstsein, was, wie wir oben gesehen haben, in den Sutten ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Das wird begründet, indem man sich auf eine fadenscheinige Verbindung verlässt, die zwischen dem Verb 'biegen' und der Annahme liegt, dass Bewusstsein sich zu seinen Objekten 'beugt' - eine sehr athletische Leistung für unser gelenkiges Geistmoment! Demnach wird 'Name und Form' als 'Geist und Körper' übersetzt, die 'absolute Realität' und Weisheit ist die Fähigkeit, diese in sehr kleine Happen zu zerkleinern. Was vielmehr den eigentlichen Sinn verfehlt. Ein fähiger Chirurg ist nicht einer, der seine Patienten in Schnipsel hackt, sondern einer, der vorsichtig nur das kranke Gewebe entfernt.

Lasst uns also die analytische Betrachtung der Sutten und des Abhidhamma vergleichen. Denkt an das berühmte Kutschen-Gleichnis. Erst wenn die Teile zusammenkommen, wird das Wort 'Kutsche' gebraucht, so gebraucht man auch das Wort 'Selbst' wenn die fünf Daseinsgruppen vorhanden sind. Nirgends gibt es eine Erwähnung, dass die Teile auf irgend eine Art eher 'absolut' wären, als die Kutsche im Ganzen. Die Teile sind vielmehr auch nur Konstrukte, die weiter analysiert werden könnten. Ebenso gibt es nirgends einen Hinweis darauf, dass es irgend einen Nutzen bringen würde, die Kutsche auf 'absolute' Teile zu reduzieren und jedes Element zu definieren, selbst wenn es möglich wäre. Die Absicht der Analyse ist lediglich zu zeigen, dass das Wort 'Kutsche' eine Bezeichnung ist, und nicht zu beweisen, dass da noch etwas anderes wäre, das keine Bezeichnung ist. Durch das Postulieren einer ontologisch-privilegierten absoluten Ebene des Seins, begeht man genau den Fehler, den das ursprüngliche Gleichnis zerstreuen wollte. Es gibt Sutta-Passagen, wo der Buddha betont, bemerkenswerterweise wenn Theorien von 'Selbst' diskutiert werden, dass er gerade konventionell spricht. Moderne Übersetzer liefern oft die hilfreiche Notiz dazu, die uns informiert, dass das ein Bezug auf die 'zwei Ebenen der Wahrheit' ist, absolute und konventionelle; aber diese Textstellen sagen nichts über 'absolute Wahrheit'!

Ein anderer Aspekt des Kutschen-Gleichnisses ist, dass es nicht reduktionistisch ist - keines der Kutschenteile führt die Funktionen des Ganzen aus. Wir können eine große Kutsche nicht in zwei kleine Kutschen unterteilen. Mehr noch, die Funktion einer Kutsche ist ihre 'Fahrfähigkeit'. Eine Eigenschaft, die aus der harmonischen Zusammenarbeit der verschiedenen Teile entsteht. Aber der Abhidhamma erstellt einen ultra-unbeholfenen Reduktionismus, jenseits von allem, was die Wissenschaft erträumt. Ein einzelnes kalāpa - die kleinste Einheit der Materie, von modernen Abhidhammikas mit dem Konzept des 'Atoms' oder 'Elektrons' verglichen, hat seine eigene Farbe, einen eigenen Geschmack, Geruch und Nahrung. Statt dass 'Geschmack' ein komplexes Phänomen ist, dass chemische, physische und psychologische Faktoren innehat, ist er einfach ein großer Haufen von kleinen Geschmäcken. Vielleicht mögen die Physiker eine Meinung bezüglich des Geschmacks sub-atomarer Partikel haben. Diese Art von Analyse überträgt einfach Ideen von der 'großen' Welt auf die 'kleine' Welt und klopft sich selbst auf die Schulter, weil sie so pfiffig ist. So ist also auch das Selbst (attā) ein großer Haufen von 'Selbst-Existenzen' (sabhāva).

Diese Art der Analyse erinnert an den Jain-Animismus, der alles Existierende als aus Atomen (paramaṇu) bestehend ansieht, die er 'Personen' (pudgala) nennt. Diese sind elementare Seelen (jīva, Leben), die Farbe, Geruch und Geschmack besitzen. Die Seelen der Erde etc. sind winzig, unentwickelt und können nur wahrgenommen werden, wenn sich riesige Anzahlen von ihnen an einem Ort anhäufen. Die Seelen der Menschen sind bloß eine weiterentwickelte Version. Die einfachen animistischen Theorien der frühen Jain-Sutren, deren Konzepte vermutlich vor Buddha zu datieren sind, wurden durch ihre Kommentare bis in abstruse und rätselhafte Details entwickelt. Tatsächlich, die Elemente der Erde, des Wassers etc. wurden in antiken Zeiten üblicherweise als Götter verehrt. Das wirft Zweifel bezüglich der Behauptung auf, dass der Buddha Nicht-Selbst einfach demonstriert hat, indem er zeigte, dass das, was wir eine 'Person' nennen nichts weiter ist als ein Konglomerat von Elementen, da die Zuhörer diese Elemente als Selbst oder Seelen betrachteten. Noch einmal: wir können nicht widersprechen, dass das, was wir normalerweise als Selbst betrachten, bloß die fünf Daseinsgruppen sind, da es eben genau die fünf Daseinsgruppen sind, die mit dem Selbst identifiziert werden: 'Physische Form ist das Selbst, Gefühl ist das Selbst ...'. Dinge noch weiter zu teilen multipliziert die 'Selbste'. Schrecken über Schrecken!

Mit dieser Neudefinition von Name und Form, die im Abhidhamma begann zu überwiegen, scheinen wir uns in Richtung einer Verdinglichung der Behandlung der Phänomene zu bewegen, sie also als Wesenheiten und nicht als Ereignisse aufzufassen. Dieser Eindruck wird noch verstärkt, wenn wir uns ansehen, wie der Abhidhamma die schwierige Aufgabe der Definition handhabt, angeblich seine Stärke. Wir haben gesehen, dass die Sutten typischerweise ein Nomen mit einem Verb definieren, z.B. 'Erkenntnis' = 'erkennen'. Diese Art der Definition entspricht der Mehrdeutigkeit zwischen Wellen und Partikeln in der Quantenphysik. Sie deutet an, dass eine 'Sache' und ein 'Ereignis' auf gewisserweise gleichbedeutend sind, oder allgemeiner gefasst, dass 'Sein' und 'Zeit' zwei verschiedene Methoden sind, die gleiche Realität zu beschreiben. Eine andere Art das zu sehen ist, dass 'Sein' und 'Zeit', da sie Konzepte darstellen, nicht imstande sind, die Fülle von Erfahrung vollständig zu erfassen. Wir mögen provisorisch einen Aspekt der Erfahrung in Begriffen des 'Seins' mit einem Substantiv bezeichnen, oder in Begriffen der 'Zeit' mit einem Verb, aber die Realität der Erfahrung wird immer etwas anderes sein, mehr. Die flexible Einsetzung dieser beiden Versuche wird sich als authentischer erweisen, als das Festhalten an einer harten und festen Unterscheidung dieser beiden. Aber der Abhidhamma ist natürlich darauf eingeschworen, eine starre, mechanistische, absolute 'Zeit' zu postulieren, die aus einer Reihe von 'Seins'-Klötzen besteht. Der Abhidhamma definiert Bewusstsein, indem er die Feinheiten der Sutten durch das bloße Auflisten einer Reihe von Synonymen ignoriert.2

Die verdinglichende Tendenz erreicht ihre volle Höhe in der späteren Abhidhamma-Literatur. Hier ist der Schlüsselbegriff 'dhamma'. Wir haben gesehen, dass sich dhamma in den Sutten ausschließlich auf das empirische Phänomen der Existenz bezieht - der Buddha hat ausdrücklich erklärt, dass alles was er lehrt über das Leiden und dessen Beendigung ist. Aber der Abhidhamma macht eine scheinbar harmlose Veränderung - dhammas werden durch ihre 'sabhava', ihre 'innewohnende Essenz' oder 'Eigennatur' oder 'Selbstexistenz' definiert. Die Kommentare gebrauchen manchmal die Methode, ein Substantiv mit den Begriffen von Verben zu definieren. Aber sie sagen vorsichtig, dass das bloß eine zufällige Verwendung ist. Die absolute Methode der Definition ist, ein Phänomen (dhamma) über seine innewohnende Essenz (sabhava) zu definieren. Dass sabhava genau das gleiche wie das dhamma sei, wird uns erklärt, aber die Unterscheidung muss zwecks der Definition gemacht werden. Wie bitte? Warum ist es verflixt nochmal einfacher ein sabhava statt eines dhamma zu definieren? An diesem Punkt wird der vertrauende und leicht zu beeindruckende Neuling - wie dein gegenwärtiger Autor in seiner blauäugigen Jugend - weise in vorgeheucheltem Verstehen nicken und damit fortfahren, diesen seltsamen unverständlichen Kommentar zu vergessen, während dieser mit einem Meer von Details bedeckt wird. Die Lehre der sabhavas war von Anfang an vernichtender Kritik ausgesetzt, nichtsdestotrotz schlendert sie fröhlich umher und ignoriert unbekümmert ihre eigene Albernheit. Der wahre Zweck der sabhava-Lehre ist, so unterstelle ich mal, den Gegenstand des Themas erneut hinter einen metaphysischen Vorhang zu schieben. Die tatsächliche Aktion, die 'absolute Realität', findet im Hintergrund statt.

Einige raffinierte moderne Abhidhammikas leugnen, dass der Abhidhamma in verhärtete Konzepte verfällt. Geistmomente, sagen sie, sind 'Handlungen' oder 'Geschehnisse' des Bewusstseins. Sie sind das 'wissen', nicht 'das, was weiß'. Großartig! Wir stimmen im fundamentalen Konzept des Bewusstseins überein. Die Frage ist, ob wir finden, dass dieses Konzept den Abhidhamma beherrscht oder nicht. Ich empfinde hier, dass diese Gelehrten - Kritik stillschweigend akzeptierend - den Abhidhamma im Unterbewusstsein anpassen, um seiner Kraft zu entkommen. Da der Abhidhamma (selbstverständlich!) vollständig in Begriffen der absoluten Wahrheit formuliert ist, sollten wir erwarten, dass die Betrachtung des Bewusstseins als Funktion völlig klar und durchweg deutlich sein wird. Aber nein - der Abhidhamma spricht fortwährend von Geistmomenten als Wesenheiten, die Funktionen ausführen, als geistige Begleiterscheinungen oder als ethische Qualitäten besitzend, nicht einfach als das Erkennen dieser Dinge. Man könnte argumentieren, dass das nur aus sprachlicher Zweckmäßigkeit ist. Aber Redensarten sind keine relevanten Kriterien in der Sprache des Abhidhamma. Wenn vom Geist als Wesenheit gesprochen wird, muss es auch eine Wesensart sein. Wird das anderswo verneint, fügt man einfach Zusammenhanglosigkeit dem Fehler hinzu. Bitte beachtet, dass das keine trivialen oder pedantischen Kritiken sind, sie treffen das Herz dessen, was der Abhidhamma bedeutet. Die bloße Idee einer absoluten Wahrheit ist töricht und muss zwangsläufig zum Verständnis des Wortes, des Ausdrucks als die Wahrheit selber führen. Hier ist ein klassisches Beispiel für dickköpfigen ontologischen Realismus eines modernen Abhidhammikas.

"[Rūpa paramatthas] sind ebenso der Veränderung unterworfen, da die unverkennbaren Eigenschaften [sabhava] dieser rūpas identisch sind, ob sie nun in einem Kessel oder einer Vase gefunden werden. Sie bewahren ihre Identität in welcher Kombination auch immer sie gefunden werden - daher die kommentarielle Interpretation von parama als 'unveränderlich' oder 'real'. 'Attha' deckt sich mit dem englischen multi-signifikanten Begriff 'Ding'."
("A Manual of Abhidhamma" Narada)

Verschaffen wir uns einen Überblick über die beiden wichtigsten Bücher des Abhidhamma Piṭaka, dem Dhammasaṅgaṇī und dem Paṭṭhāna. Das erste befasst sich hauptsächlich mit der Analyse und Kategorisierung von dhammas, wohingegen das andere sich mit Synthese beschäftigt und unermüdlich alle möglichen Beziehungen der Phänomene katalogisiert. Das wird manchmal die analytische/synthetische Methode genannt, eine Bezeichnung, die scheinbar erschaffen wurde, um den Abhidhamma gegen die Anklage zu schützen, dass er von dualistischen Analysen besessen sei. Ich würde mir gerne erlauben, diese Vorgehensweise mit der des Schöpfergottes zu vergleichen. Zuerst nehmen wir eine Form aus Ton (= rūpa, als 'ohne Geist' definiert). Dann nehmen wir den Atem Gottes (= nāma, definiert als 'ohne Materie'). Dann pumpen wir das eine in das andere. Dieser Geist-Körper Dualismus - dieses Hydra-köpfige Gespenst, das die Korridore der Gedanken über Tausende von Jahren entlang jagte - schlägt Wurzeln im Buddhismus. Wir bleiben mit diesem Frankenstein-ähnlichen Problem zurück zu erklären, wie zwei völlig verschiedene Wesensarten enden, die das gleiche monströse Konglomerat zusammen bewohnen - der Geist in der Maschine. Diese Aufgabe ist die Bürde des Paṭṭhāna, eines Buches, dessen labyrinthähnliche Irrgärten ideal dazu passen, die Tatsache zu maskieren, dass es eine fadenscheinige Lösung eines Pseudo-Problems ist. Das Paṭṭhāna, das am meisten verehrte - und folglich am wenigsten gelesene - aller Abhidhamma-Bücher soll 24 Methoden bedingt-abhängiger Beziehungen präsentieren. Es tut nichts dergleichen. Das meiste der viel gepriesenen 'Methoden bedingter Beziehungen' sind lediglich Listen von dhammas, die als Bedingungen für andere dhammas herhalten. Der Text sagt wenig über die Kausalität als solche; tatsächlich übertrifft diese Arbeit alle andere Produkte des menschlichen Geistes in seiner Kombination aus langatmigen Formen und Inhaltsleere. Bemerkenswert, es ist weniger intellektuell anregend und unlesbarer als ein Telefonbuch. Das Paṭṭhāna versucht Geist und Körper wieder mit seiner 'Getrenntheits-Bedingung' zusammen zu kleben, einem Begriff, der perfekt die seltsame Welt der Geist-Körper-Zweiheit verkapselt: Dinge sind verbunden, indem sie unverbunden sind. Ich kann gewiss bestätigen, dass ich in einem sehr getrennten Zustand ende, wenn ich über dieses Zeug zu viel nachdenke!

Ich habe das Gefühl, dass dieser stillschweigende Dualismus des späten Buddhismus einen subtilen, aber wichtigen Einfluss auf das gelegentliche Scheitern moderner Buddhisten gehabt hat, die buddhistische Reaktion auf wissenschaftliche Kritiken religiöser Konzepte, am wichtigsten davon das Leben nach dem Tod, zu verstehen oder zu erklären. Die eschatologischen Theorien der meisten Religionen sind ausdrücklich dualistisch. Die Seele und der Körper sind zwei verschiedene Dinge. Beim Sterben wird der Körper zurückgelassen und die Seele lebt für immer weiter. Diese Idee wurde verbissen im Herzen des westlichen Denkens eingepflanzt, seit Gott die Mund-zu-Mund-Übertragung bei Adam machte. Nur im 19. Jahrhundert haben einige radikale deutsche Wissenschaftler, mit der Verwirrtheit und Nachprüfbarkeit metaphysischen Denkens gefüttert, die Seele ganz beiseite gelegt und sich entschieden, sich nur mit beobachtbaren physischen Elementen und Kräften zu befassen. Als Ergebnis schrieben sie ein Manifest und wie Piraten haben sie es mit ihrem eigenen Blut unterschrieben. Es ist ausschlaggebend zu erkennen, dass das eine Reaktion auf den Seele/Körper-Dualismus ist: die Seele ablehnend und den Körper bejahend. Einer dieser jungen Wissenschaftler ging dazu über, die Theorie der Thermodynamik zu gestalten, deren Schlüsselidee - 'für jede Aktion gibt es eine gleichwertige und entgegengesetzte Reaktion' - speziell so formuliert war, dass sie die Möglichkeit metaphysischer Einmischung ausschloss. Die Welt ist ein geschlossenes System. Es gibt keine Lücken, durch die eine göttliche Hand hindurch- und eingreifen kann. Folglich wird behauptet, dass Seele und Körper das selbe sind. Tatsächlich ist das einer der metaphysischen Standpunkte, die einzunehmen, der Buddha ausdrücklich abgelehnt hat: 'Die Seele ist eine Sache, der Körper eine andere' und 'Die Seele und der Körper sind das gleiche'. Der Buddha umging dieses Problem, indem er vermied, diesen Schauplatz zu betreten. Als nutzlos wies er Fragen ab, die mit einer solchen zugrundeliegenden Annahme formuliert waren. Es ist wie das Beantworten der Frage 'Schlägst du deine Frau oft?' Also kann der Buddhist darauf hinweisen dass, wenn die Wissenschaftler die physische Welt als geschlossenes System erklären, dass der Geist bereits vorhanden ist, dass Theorien machen, Annahmen ausdenken und Berechnungen vornehmen in allen Wissenschaften geduldet werden. Wir sind daher recht glücklich, mit den Wissenschaftlern übereinstimmen zu können, dass sich keine metaphysische Wesenheit einmischen oder den physischen Tod überleben kann. Was wiedergeboren wird ist einfach eben derselbe Geist. Buddhismus, der frühe Buddhismus, entkommt also einfach den allgemeinen theoretischen Kritiken der Wissenschaft von den metaphysischen Theorien. Wie auch immer, spezifische buddhistische Ideen bleiben jedoch offensichtlich Gegenstand der empirischen Prüfung durch wissenschaftliche Methoden.

Aber die Abhidhammikas, die auf ihre dualistische Metaphysik festgelegt sind, sind nicht dazu imstande, der wissenschaftlichen Kritik metaphysischer Eschatologie direkt zu entkommen. Stattdessen scheinen sie zu denken, dass sie ihre Psychologie nur reduktionistisch und mechanisch genug machen zu müssen, um dieses Problem zu vermeiden. Sie begreifen nicht, dass sie schlicht eine reduktionistische und mechanische Metaphysik erschaffen. Sie sagen, dass wenn die Kette von Geistmomenten zum Todeszeitpunkt getrennt wird, sofort ein neues Bewusstsein entsteht, und zwar ohne einen dazwischen liegenden Zustand, als ein 'wieder-verknüpfendes Bewusstsein' bei der Empfängnis eines neuen Individuums. Diese Ansicht, die aus dem Kathavatthu abgeleitet ist, versucht augenscheinlich die Vorstellung von Wiedergeburt zu differenzieren von der buddhistischen zur brahmanischen, die hingegen ein 'Selbst' postuliert, das durch eine Existenz zwischen den Geburten wandert. Für die Abhidhammikas gibt es unglücklicherweise eine Anzahl von Sutta-Textstellen, die deutlich einen Zwischenzustand gewisser Art akzeptieren. Das zeigt wieder einmal das Fehlverständnis des 'Nicht-Selbst' des Abhidhamma auf. Wenn eine Person stirbt, geht sie direkt zu einem anderen Körper oder sie durchläuft einen Zwischenzustand (oder hängt herum, um die Verwandten zu erschrecken und von den Süßigkeiten bei der Beerdigung zu Naschen!). Das hat nichts damit zu tun, ob sie nun eine metaphysische Wesenheit oder ein konditionierter Prozess ist. Der Punkt ist, dass diese zwischenzeitliche Existenz vergänglich ist und auf Gier beruht. Wenn ich ein Selbst-Theoretiker wäre, hätte ich kein Problem damit, die reichlich fantasievolle Genehmigung seitens der metaphysischen Spekulation zu nutzen, um ein 'Selbst' im letzten Moment des Bewusstseins zu postulieren, das verschwindet und dann ohne Unterbrechung als 'Selbst' wieder auftaucht, das einer neuen Person zugrundeliegt. Tatsächlich hätte ich kein Problem damit, die gesamte abhidhammische Psychologie zu akzeptieren und einfach zu behaupten, dass jedem der Geistmomente ein Selbst unterliegt. Du denkst, solch eine Theorie wäre absurd. Da stimme ich zu. Aber ich halte alle metaphysischen Theorien für absurd. Sie waren halt die Norm in antiken Zeiten und ich befürchte, die Abhidhammikas folgen einfach der Herde, mit ihrer 'Selbst-Existenz', die jedem dhamma unterliegt.

Die Sutten weigern sich, dualistische Annahmen zu unterstützen und daher taucht das Problem gar nicht erst auf. Zuerst zeigen sie den Fluss der Phänomene auf, wie er in der Erfahrung vorkommt, dann lenken sie die Aufmerksamkeit auf die wesentlichen Aspekte durch Analyse und/oder Synthese. Die Sutten, die ungeachtet der Fehlrepräsentation durch Abhidhamma-beeinflusste Übersetzer sind, sprechen nicht von 'Geist und Körper', sondern von 'Körper zusammen mit seinem Bewusstsein'. Alle diese zahlreichen physischen und geistigen Aspekte oder Qualitäten bringen ihre eigene spezielle Funktion in den großen Wirbel der Beziehung ein, den wir 'Erfahrung' nennen.

Die Doktrin der sabhavas wurde bezichtigt, die bedingte Entstehung zerstört zu haben. Wenn ein Ding 'selbst-existent' ist, wozu braucht es noch Bedingungen? Wenn es bedingt ist, wozu braucht es eine 'Selbst-Existenz'? Die Sutten sprechen typischerweise nicht von Realität als 'existierend' (bhāva), sondern als 'werdend' (bhūta), was bedingt hervorgebracht wurde. Diese beiden sind sicher nicht gleichbedeutend. Nibbāna ist 'Nicht-Werden' (abhūta), aber laut dem Abhidhamma 'selbst-existent' (sabhāva). Die Theorie der sabhavas postuliert folglich eine essentielle ontologische Gleichwertigkeit zwischen Nibbāna und Saṃsāra. Daher muss die sabhavische Vorstellung von Nibbāna dem wichtigsten der Argumente gegen Gott zur Beute werden, einem 'Daseinsgrund', oder jeglichem anderen Versuch das summum bonum in Begriffen eines existierenden metaphysischen Absoluten auszudenken: dem Argument des Bösen. Ist 'sabhāvatā', 'Selbst-Existenz', ein Teil der ersten Edlen Wahrheit, also die der Leidhaftigkeit? Wenn es so ist, muss Nibbāna, da es an sabhāvatā teilnimmt, auch an der Leidhaftigkeit teilnehmen. Aber wenn sabhāvatā nicht leidhaft ist, was macht es dann im Dhamma? Sicherlich ist es als metaphysische Abstraktion von keinem Nutzen beim Lösen unserer spirituellen Probleme. Eine naheliegende Antwort auf dieses Argument ist, anzuführen, dass auch wenn sabhāvatā kein Teil des Leidens ist, dennoch gewisse sabhāvadhammas Teil der Leidhaftigkeit sind, z.B. die fünf Daseinsgruppen, wohingegen andere sabhāvadhammas nicht am Leiden teilhaben, z.B. Nibbāna. Aber auch in diesem Fall müssen wir sehen, dass die Lehre der sabhāvas nicht dazu in der Lage ist, irgend einen relevanten begrifflichen Unterschied zu zeigen, zwischen solch radikal verschiedenen Prinzipien, wie wahrem Glück und echtem Leiden. Wie kann diese Lehre uns dann helfen, vom Schmerz zum Frieden zu kommen?

Dieses metaphysische Konzept von 'Sein' in Begriffen von sabhava ist der Schuldige für das nahezu durchgängige Missverstehen von Nibbāna als eine Art metaphysisch Absolutes, Daseinsgrund, kosmisches Bewusstsein oder 'Ewige Klar-Lichtig Non-Duale Diamantene Leere'. In Begriffen des frühen Buddhismus wurden solche Ideen als 'absolutes Leiden' übersetzt. Es ist wirklich wahr, dass die Sutten die Realität von Nibbāna ausdrücklich bestätigen. Aber Realität wird in den Sutten in keinster Weise und auf keinerlei Art in metaphysischen Begriffen gedacht. Solche Ideen sind nicht nur inkompatibel mit den Sutten, sondern völlig unvereinbar. Der Buddha hatte nichts zu sagen, wenn er bezüglich metaphysischer Themen befragt wurde. Wenn die Sutten also z.B. sagen 'da ist Ärger in mir', sprechen sie von einer einfach erfahrbaren Realität, ohne irgendwelche unterschwelligen metaphysischen Bedeutungen. Auch wenn gesagt wird 'Es ist das Ungeborene, Ungewordene, Ungeschaffene, Unbedingte ...', dann sprechen sie von dem 'was realisiert werden' soll, ohne unterschwellige metaphysische Bedeutungen. Sie bestätigen die Realität der Vergänglichkeit. Nibbāna existiert im gleichen Sinne, wie Einhörner, Hobbits, Gott, Seele, Geist-Momente oder sabhāvas nicht existieren. Es ist keine Fantasie, keine Illusion, keine Spekulation, sondern das Ende der Fantasie, der Illusion und der Spekulation.

Das Konzept von sabhāva verkündet klar eine Sphäre des 'Seins', die von Bedingungen getrennt ist- und genau das meine ich mit 'Metaphysik'. Es ist eine Schattenwelt, ein Zone des Zwielichts, in der abstrakte Definitionen als 'ultimative Realitäten' herumstolzieren und Phänomene hübsch mit ihrem eigenen Namensschild versehen daherkommen - in Pāli, versteht sich. Lieber Leser, vielleicht denkst du, dass ich es hier übertreibe. Ich wünschte, das würde ich. Aber lass uns die geheiligen Seiten des Visuddhimagga durchsehen, die Bibel der Abhidhammikas. Diese verehrte Ikone behauptet in einer ihrer prächtigen Schnörkel der Absurdität ernsthaft, dass Pāli die 'Muttersprache aller Sprachen', die 'selbst-existierende Sprache' ist, fest im Schaltkreis der Realität verankert (Visuddhimagga 14.25). Es ist ein gediegener Beleg für den Glauben des Visuddhimagga in seinem eigenen begrifflichen Apparat, dass es gewillt ist, den Folgerungen der sabhāva-Theorie bis zu ihrem logischem Schluss zu folgen, wie grotesk der auch sein mag. Was das angeht sind sie vielleicht beeinflusst von zeitgenössischen brahmanischen Theorien. Zum Beispiel betrachteten die Mimamsas die Sprache der Veden als Emanation des Seins in Geräusche und daher vereint man sich beim Rezitieren vedischer Mantras mit den Mustern, die in den Kosmos gewoben sind, dementsprechend erklärt sich die unbezweifelte Wirksamkeit der Mantras. Ähnliche Ideen durchdringen die buddhistische Kultur auch heute. Das erinnert mich an eine Aussage Tertullians, einem der Väter der katholischen Kirche - 'Es ist glaubhaft, weil es absurd ist … Es ist gewiss, weil es unmöglich ist'. Beginnen wir möglicherweise zu sehen, wie ein Meditationssystem, das aus einer benennenden Technik besteht, es geschafft hat, die Welt zu überzeugen, dass das eine Abkürzung zur 'absoluten Realität' ist?

Der Trugschluss der Theorie der sabhāvas liegt ebenso wie bei der Theorie der Momente darin, in die Vorstellungen unserer Begriffe für die Realität, Realität selbst hineinzulesen; das bedeutet, anzunehmen, dass Realität ihre konzeptuelle Beschreibung reflektiert. Lasst mich das illustrieren, indem ich zum Ursprung zurückkehre. Aus unserer Perspektive ist es fast unmöglich, diese Geschichte zu lesen, ohne sie bildhaft darzustellen, wie ich es oben getan habe - hast du das bemerkt? Wir nehmen automatisch an, dass der Atem Gottes ein Bild für eine unsterbliche Seele sei. Aber sieh nochmals hin: nichts legt eine solche Metapher nahe. Das primitive Hirtenvolk, das diese Geschichte geschrieben hat, hatte solch eine sophistische, abstrakte Vorstellung, wie eine immaterielle Seele noch nicht entwickelt. Sie haben einfach bemerkt, dass eine Person lebt wenn sie atmet, und stirbt wenn sie zu atmen aufhört. Die Vorstellung einer immateriellen Seele entwickelte sich schrittweise in einer Kette von immer feineren Stufen. Aber selbst die feinste Vorstellung eines Selbst schließt immer noch Eigenschaften der einfachen Ahnung ein, aus der sie abgeleitet ist. So wie der Atem Licht ist, ist die Seele Licht; wie der Atem empfindlich ist, ist auch die Seele empfindlich; so wie der Atem mit Leben verbunden ist und beim Tod abreist, tut es auch die Seele. Bemerke auch, dass der zugrundeliegende Irrtum nicht durch die Verfeinerung der Theorie verschoben wird, sondern sich selbst vervielfältigt, wie ein Virus, der durch das Austricksen der Antibiotika immer tödlicher wird, die auf ihn geworfen werden. Es gibt einfach keine getrennten Wesenheiten von 'Atem' und 'Körper', die irgendwie zusammengeklebt werden müssen. Ebenso gibt es keine getrennte Wesenheit einer 'Seele' außerhalb der erfahrbaren Realität des Bewusstseins.

Auf die gleiche Art, wie das Wort 'Kontakt' unabhängig vom Wort 'Gefühl' ist, nehmen wir an, dass das sabhāva des Kontakts unabhängig vom sabhāva des Gefühls ist. So wie das Wort 'Geist' die Zeit über gleich bleibt, finden wir, Abhidhammikas, die behaupten, dass die sabhāvas sich über die drei Zeitperioden nicht verändern.3 So, wie das Wort 'dhamma' objektiv auf dem Papier zu existieren scheint, nehmen sie an, dass die sabhāvas objektiv in der Realität existieren. Und wie die Theisten annehmen, dass sich das Wort 'Ich' auf eine offensichtlich existierende Wesenheit bezieht, und sich daraus eine Lehre vom Selbst formen, so nehmen auch die Abhidhammikas an, dass das Wort 'dhamma' sich auf eine offensichtlich existierende Wesenheit bezieht, und formen daraus eine Theorie der sabhāvas (Selbst-Existenzen). Das ist der Grund warum die Ahnen unmissverständlich erklärt haben, dass die Lehre der sabhāvas auf nichts anderes hinausläuft, als auf eine verborgene Lehre vom 'Selbst'. Diese Position ist recht eindeutig in der Hindu-Tradition. Die Bhagavad-Gīta (BG 8.3) sagt: 'Die essentielle Natur (sabhava) wird das Selbst genannt'. Das ist der gleiche psychologische Prozess, der im Mahā-Nidāna-Sutta beschrieben wird. Wir können nicht zwischen Realität und unseren Auffassungen von Realität unterscheiden, denn unser konzeptueller Apparat formt die Realität der Erfahrung - und das ist die einzige Realität, die wir kennen. Die einzige 'absolute Realität' jenseits der Konzepte ist Nibbāna - das Erlöschen des Bewusstseins, das Enden der Zeit, die Beendigung des Seins.

 

... DAS WORT.

Mit der unspektakulären Enthüllung der Grundzüge des Seins und der Zeit stürzen die glänzenden Abhidhamma-Architekturen aus rostfreiem Stahl mit einem Ächzen zusammen, wie das World Trade Center, oder wie die Titanic, vom unbarmherzigen Eis der Dialektik entzwei gerissen. Vermutlich wäre es am besten, sich für einige Zeit vom Unglückort zu entfernen, damit wir nicht noch für philosophische Terroristen gehalten werden, die großtuerisch am Tatort herumlungern. Das könnten wir mit Leichtigkeit tun. Lasst mich eine Geschichte erzählen.

Stell dir das vor, wenn du willst: Vor einer langen Zeit, an einem weit entfernten Ort. Ein einfaches Dorf, in dem die Hühner gackern und sich die Palmen wiegen. Dort ist eine junge Frau, die kürzlich mit ihrem ersten Kind gesegnet wurde. Ohne müde zu werden, schwärmt sie von ihm, säubert und füttert ihn. Sie liebt nichts mehr als dazusitzen und ihren Liebling zu schaukeln, während der Abend kühler wird und sich die Geschäftigkeit des Tages langsam legt.

Aber eines Tages wird das Baby von einem unbekannten Gebrechen geplagt. Es wird täglich schwächer; bis es eines Tages, als die Mutter es an ihre Brust hält, seinen letzten traurigen, leisen Atemzug macht. Seine Mutter ist verzweifelt, angetrieben von Ärger und Verwirrung. Aber ihr Ehemann kann ihr keinen Trost spenden. Ihre Eltern, ihre Brüder und Schwestern, Freunde und Verwandte - alle sind völlig ratlos.

Letztendlich schlägt jemand vor, sie solle in den Tempel gehen. Dort war sie noch nie, war nie daran interessiert. Aber jetzt türmt sich die große Pagode über ihr auf, als sie die Stufen ersteigt. Sie wagt sich an die Schwelle, bleibt stehen, bis sich ihre Augen an das schummerige, rauchige, kerzenerleuchtete Innere gewöhnt haben. Sie schleicht nervös herein, verbeugt sich vor dem Altar und erreicht dann den Priester. Er sitzt, die Augen halb geschlossen, während er ein altes Mantra murmelt. Der Ort ist voller mysteriöser alter Texte und exotischen Objekte. Sie setzt sich neben seinen Sitz und stellt ihre Frage.

"Ehrwürdiger." - "Ja, mein Kind?" - "Ehrwürdiger, was passiert wenn wir sterben?" - Er sieht sie gutmütig auf sie herab und lächelt. "Der Tod, mein Kind, ist kein Mysterium. Lass mich erklären. Wenn du etwas siehst, bist es nicht du, die sieht. Da ist ein kleiner Mann, so groß wie ein Daumen, der lebt in deiner Brust. Er ist es, der sieht. Wenn du etwas hörst, ist es der kleine Mann, der hört. Wenn der kleine Mann seinen Arm hebt, hebst du deinen Arm. Es ist der kleine Mann, der denkt, spricht und fühlt. Wenn du stirbst, stirbt der kleine Mann, der dein Selbst ist, nicht. Er fliegt aus deinem Mund, um für immer im Himmel mit all den anderen kleinen Männern zu leben. Es gibt also keinen Grund, den Tod zu fürchten." Als sie mit wachsendem Verständnis zuhört, füllen sich ihre Augen mit Freudentränen. Sie dankt dem Priester für das Aufklären ihrer Verwirrung, gibt ihm Opfergaben, verbeugt sich und geht, ihrer Sorgen ledig.

Ja, die Details der Geschichte sind ironisch gemeinte Erfindungen. Aber die Theorie ist es nicht. Der kleine Mann in der Größe eines Daumens taucht in den antiken brahmanischen Theorien des 'Selbst' auf. Ähnliche Ideen, die sich wild in den Details unterscheiden, aber die gleiche Essenz haben, sind wortwörtlich von einer großen Mehrheit der Menschen aller Zeiten geglaubt worden, wie auch heute noch.

Es gibt zwei auffällige Eigenheiten bei solchen Ideen. Erstens sind sie so grotesk - schlecht, bedauerlich, irre falsch. Sie sind tatsächlich gänzlich bedeutungslos, größtenteils leere Worte, die ohne jeglichen Anhaltspunkt umherschweben. Die zweite Eigenart ist, dass sie philosophisch nutzlos sind - sie erklären nichts. Die Behauptung, dass ein kleiner Mann in meiner Brust derjenige ist, der sieht, erklärt mir überhaupt nichts bezüglich des Vorgangs des Sehens. Was es tut, das zu sagen werde ich nicht müde, ist, den Bereich der Diskussion von der erfahrbaren in die metaphysische Welt zu verschieben. Es erschafft eine Welt von Schattenspiel-Puppen, die losgelöst von der Natur ist und verschiedenen eigenen Prinzipien folgt.

Nun, eine kleine empirische Untersuchung ist alles, was benötigt wird, um die Nicht-Existenz des kleinen Mannes aufzudecken. Wenn das geschieht, muss unser Priester entweder eine abstraktere Theorie entwickeln oder er verliert einen Anhänger. So macht die Theorie mit einer Schar von Abstraktionen Ausflüchte und versteckt sich hinter immer sophistischeren Vorhängen der Mystifizierung. Es ist nicht wirklich ein kleiner Mann, sondern ein subtiler Körper, der wie ein kleiner Mann ist. Dann wird es, nicht wirklich ein subtiler Körper, sondern eine Lebenskraft; aber dann, keine physische Lebenskraft, sondern eine immaterielle Essenz des Lebens. Bis irgendwann die Seele ein Knoten im kosmischen Fluss des Seins wird, oder ein anderer solcher Unsinn. Solange der Priester die Theorie abstrakt genug hält, dass die Anhänger sie nicht wirklich verstehen - was normalerweise nicht so schwer ist - funktioniert das System sehr gut.

Das ist die höchst alarmierende Sache daran. Es funktioniert wirklich. Unsere traurige Anhängerin bekommt, was sie will - sie ist glücklich. Das muss sicherlich eine der außergewöhnlichsten, unglaublichsten, wenn nicht peinlichsten Eigenschaften der menschlichen Geschichte sein - dass so viele an etwas so Albernes so lange geglaubt haben. Die gesamte Aufbau unserer menschlichen Kultur basiert auf Tausenden von Irrungen. Selbstverständlich, oft ist die Massigkeit dieses Aufbaus, die den Eindruck vermittelt, dass das Fundament felsenfest sein müsse. Aber wenn wir uns wieder auf unsere Geschichte beziehen, können wir sehen, dass der Erfolg des Rates vom Priester nichts mit der Korrektheit seiner Theorie zu tun hat und dass alles von der Erschaffung des Glaubens in Autorität abhängt. Das ist wirklich der Schlüssel. Praktisch alle Äußerungen der Religion können diesem Gebot zugeschrieben werden - die Kostüme, die Gebäude, die Initiationen, die Rituale. Sie sind speziell dazu gemacht, der Vernunft standzuhalten, dem Sinn zu trotzen, den überwältigenden Glauben in eine andere Realität zu schaffen - nicht sichtbar, anfassbar oder vernünftig, aber viel realer als die empirische Welt von stumpfsinniger Geburt, Alter und Tod. Sicher, denkt der Anhänger, hier muss einer sein, der es weiß! Sicher sieht dieses heilige Wesen, so belehrt, so weise, so unnahbar, viel tiefer als wir! Aber leider müssen wir rückblickend zugeben, dass dieser Eindruck von Autorität schiere Illusion ist - äußere Form steht in keiner Beziehung zur Tiefe der Weisheit.

Das wirksamste Werkzeug zum verewigen dieser Illusion ist archaische Autorisation. Das ist der Grund, warum Religionen so konservativ sind. Nehmen wir zum Beispiel die Katholiken. Trotz Jahrhunderte von Ausgrenzungen des Heidentums, von Hexenverbrennungen, von Inquisition und Kirchenbann, kann so gut wie jeder Aspekt der katholischen Rituale und Lehre auf heidnische Religionen zurückgeführt werden, die auf Jahrhunderte vor Christus zu datieren sind. Eine der Schlüsselformen archaischer Autorisation ist das Vertrauen auf antike Texte - je älter und obskurer, um so besser. So sehen wir, dass genau so, wie die Katholiken behaupten, die Bibel sei das Wort Gottes, obwohl die Bibel selbst einen solchen Anspruch nicht hat, ebenso auch die Abhidhammikas behaupten, dass der Abhidhamma Piṭaka das Wort Buddhas sei, obwohl kein Text an sich so etwas aussagt. Um die unanfechtbare Autorität der Texte aufrecht zu erhalten, ist es höchst wünschenswert, das Studium zu monopolisieren, und zwar in die Hände der Priester. Die Katholiken haben sämtliche Bibeln verbrannt, die in Umgangssprachen übersetzt wurden und jeden Nicht-Priester auf dem Scheiterhaufen verbrannt, der die Bibel studiert oder gelehrt hat. In Übereinstimmung mit antiken Hindu-Texten sollten die Ohren eines Angehören einer niederen Kaste mit Blei gefüllt werden, sollte er absichtlich einem vedischen Mantra zugehört haben. Wenn er es vorträgt, soll seine Zunge herausgeschnitten werden. Und wenn er es sich einprägen sollte, muss sein Körper halbiert werden. Kein Herumpfuschen. Eine nettere Lösung wäre es, die Texte so unerträglich öde zu machen, dass nur wenige gewillt wären, ihr Lebenswerk ihrer Meisterung zu widmen.

Ich bin nun fertig mit meiner Arbeit der grundlegenden Vorbereitung. Nur weniges in meinem Essay ist bis zu diesem Punkt originell gewesen. Ich habe meistens Stücke von Ideen von hier und da geliehen, um meiner These den Anschein von Glaubwürdigkeit zu verleihen. Meine Methode war eher anzudeuten, als zu beweisen. Wenn du meinem Argument bis hierher gefolgt bist und eine Ahnung von dem hast, was ich sage, wirst du vielleicht denken 'Er kann das nicht! Er will das nicht!' Aber, lieber Leser, da liegst du falsch. Ich kann und ich werde.

Ich behaupte, dass der Abhidhamma am ehesten nicht als Psychologie oder Philosophie, sondern als ein mystischer Kult zu betrachten ist. Seine Komplexität wächst nicht aus der innewohnenden Schwierigkeit der behandelten Themen, sondern aus dem Bedürfnis, den Eindruck unantastbarer Autorität zu erwecken. Seine Spezialisten, die Abhidhammikas, sind die Hohepriester des Buddhismus. Sie spielen, unnahbar in ihrem erhabenen Gedankenschloss, das ultimative Glasperlen-Spiel. Ihre Rolle ist nicht den Dhamma zu verstehen, sondern zwischen den Gläubigen und der Ebene der absoluten Realität zu vermitteln. Das sabhāva des Abhidhamma ist seine Seele, der Moment seine Ewigkeit. Seine Texte sind magische Beschwörungen. Tatsächlich werden Abhidhamma-Passagen scheinbar allein zu diesem Zweck momentan in Thailand von Mönchen die deren Bedeutung nicht kennen, bei Bestattungszeremonien für Laienanhänger rezitiert,denen das egal ist. Diese Texte, diese sieben 'Täler der trockenen Knochen', sind weder zum Studieren noch für die Praxis gemacht, sondern um als stumme und unergründliche Denkmäler dazustehen, beeindruckend wie die Pyramiden in der Wüste. Der hauptsächlichste erlösende Wert des Abhidhamma liegt nicht darin, zum Aufgeben der Gier zu führen, noch in theoretischer Klarheit, sondern im naiven Glauben der Mehrheit, dass irgend einer zumindest das Absolute gut in der Hand hat. Seine Theorien resultieren nicht aus direkter Einsicht in den Dhamma, sondern vom selben Katz-und-Maus-Spiel zwischen Abstraktionskritik-höhere Abstraktion, die auch Gott und die Seele hat entstehen lassen. Ihre unreale, künstliche Luft der Trennung von der Wirklichkeit ist keine unglückliche Konsequenz unserer eigenen mangelhaften Einsicht, sondern ist ihre Essenz: genau der Eindruck, den sie bezwecken sollte.

Vor einem Missverständnis möchte ich hier jedoch schützen. Das war und ist nicht der vorsätzliche Schwindel eines Klerikers gegenüber einer betrogenen Öffentlichkeit. Die Abhidhammikas sind weitestgehend aufrichtig - sie glauben wirklich an das, was sie tun. Und, wie ich angeführt habe, der psychologische Nutzen ist unleugbar. Ich denke, so absurd es auch erscheinen mag, dass dieses ganze große Abenteuer des Abhidhamma, diese 'magische Laterne der Chimären', eine fantastische Projektion dessen ist, was manche das 'kollektive Unbewusste' nennen, eine öffentliche Manifestation vom Bedürfnis eines Glaubens an eine Höhere Realität.

Um den wesentlichen religiösen Zweck des Abhidhamma zu untermauern, müssen wir nicht weiter blicken als bis zum Mythos des Ursprungs des Abhidhamma, der über viele Seiten am Anfang der Abhidhamma-Kommentare beschrieben und auch jetzt noch als nüchterne Geschichte von vielen strenggläubigen Priestern gelehrt wird. Während seiner siebenten Regenzeit-Klausur - eine wichtige Zahl - stieg der Buddha zum Tāvatiṃsa-Himmel auf, um den Göttern den Abhidhamma darzulegen. Er wünschte aus einem passablen obskuren Grund den gesamten Abhidhamma Piṭaka in einer ununterbrochenen Versammlung zu lehren, und Menschen können nicht drei Monate lang stillsitzen. Der himmlische Schauplatz ist ein geeigneter Weg, um den Abhidhamma sowohl zu verherrlichen, als auch die erstaunliche Tatsache wegzuerklären, dass die frühen Sutten und der Vinaya nichts vom Abhidhamma als solchen wissen, auch wenn das Wort selbst ein paar Male auftaucht, aber nur 'fortgeschrittene Unterweisungen' bedeutet. (Ein sehr ähnlicher Kunstgriff wurde auch vom Mahāyāna übernommen - vielleicht ist es das, woher der Theravāda die Idee bekam.) Zur Essensszeit hat der Buddha einen geist-geschaffenen Körper geschaffen, um die Unterweisung fortführen zu können, während er auf Almosenrunde war. Er traf den ehrenwerten Sāriputta und gab ihm eine zusammengefasste Methode. Dieser hat folglich die sieben Bücher des Abhidhamma Piṭaka in drei Monaten fertig gestellt.

Das ist sicherlich ein beachtlicher Beleg seiner Fähigkeit, schnell zu sprechen. Laut den Kommentaren gibt es allein im Paṭṭhāna 404.948.533.248 Fragen. Das macht über einen Zeitraum von drei Monaten rund 52.000 Fragen pro Sekunde. Das sollte jemand dem Guinness-Buch der Weltrekorde sagen! (Ich bin Bhikkhu Varado für diesen schmackhaften Leckerbissen zu Dank verpflichtet.) Bedenkt, was das bedeutet: die verwickelte Struktur des Paṭṭhāna, die die Quintessenz des Dhamma darstellen soll, wurde und wird nie in jeglicher Form wiedergegeben werden, weder durch Chanten, durch Drucken, durch Lesen und sicher nicht durch Verständnis.

Die Überlieferungen erzählen uns, dass der Buddha beim Verlassen des Tāvatiṃsa einen Kristallweg im Himmel erschaffen hat, über den er hin und her gegangen sei, Ströme von Feuer und Wasser aus seinem Körper sendend. Dieser geschmacklose Exhibitionismus entspricht überhaupt nicht Buddha's Verachtung gegenüber überflüssigen magischen Darstellungen, die, wie er sagte, 'wie eine Hure sind, die ihre Scham enthüllt'. Diese ganze fantastische Legende ist ein wortgewandter Beleg für den Grad der Leichtgläubigkeit, der nötig ist, um den Abhidhamma zu schlucken.

Aber für mich ist das Interessanteste an diesem Mythos, dass der Buddha zum Tāvatiṅsa geht, ausdrücklich um seine Mutter zu belehren, die, wie du erinnerst, sieben Tage nach der Geburt des Buddha starb. Warum das? Kurz gesagt, die Sieben hat in der Mythologie, abgeleitet aus den Mondzyklen, die generelle Bedeutung 'gesamter Kreislauf des Daseins'. Diese Bedeutung ist herausragend, so auch bei den sieben Tagen der biblischen Schöpfung. Sie zeigt sich auch oft in den Legenden, die Buddha's Geburt und Erleuchtung umranken, wo es auch stets mit der gleichen Bedeutung gelesen werden sollte. Die selbe Bedeutung wird zweifellos auch bei den sieben Büchern des Abhidhamma verwendet, die Gesamtheit das ganze Dasein an seiner Brust vereinend und die Sicherheit langen Umgangs mit vertrauten Urbildern anflehend.

Die Mutter des Buddha hieß Māyā, was 'Magie' bedeutet. Māyā ist einer der antiken Namen der indischen Inkarnation der universalen Muttergottheit. Es ist interessant, dass auch wenn die Scholastiker, die einer eher trockenen wortgetreuen Neigung entstammen, sich wenn überhaupt nur wenig aus der Gottheiten-Verbindung machen, deren Zeichen die buddhistische Ikonografie seit ihren Anfängen durchdringen. Der Buddha wurde normalerweise durch ein Paar Fußabdrücke, einem Lotussitz, einem Baum oder einem Stūpa dargestellt, alles klassische Symbole antiker indischer Gottheiten. Māyā ist bestens im indischen Gedankengut bekannt als das aus dem Spiel der Welt Entstehende, aus dem Träumen, der verborgenen Grundlage des Seins, symbolisiert als Brāhman oder Viṣṇu. Diese Gedankenschule, ironischerweise 'Non-Dualismus' genannt, kann nicht davonkommen, ohne eine fundamentale Unterscheidung zwischen der zugrundeliegenden Essenz und der oberflächlichen Manifestation zu verkünden, so sehr sie auch darauf besteht, dass diese ein und das selbe seien. Aber im Buddhismus stirbt Māyā, die Personifikation der Illusion des Seins, um der Vision der Wahrheit den Weg zu bereiten. Folglich war Māyā Buddha's erste und größte Lehrerin. Sie, die Macherin, hat ihr Leben für ihren Sohn geopfert. Ihr Tod war kein bloßer Zufall, sondern ein Naturgesetz, eine symbolische Notwendigkeit, das große Musterbeispiel für die Trennung vom Geliebten, für die ultimative Sinnlosigkeit von Geburt. Ist es möglich, Māyā's Tod als Symbol des Todes der Bestrebung anzusehen, zwischen Substanz und Erscheinung zu unterscheiden? Der Tod des triebhaften Bedürfnisses spirituelle Ausführungen zu benutzen, um eine unwiderlegbare Illusion der Erkenntnis zu erschaffen, indem nur von dem geredet wird, was hinter dem metaphysischen Vorhang liegt? Würde es dann zu weit gehen, Māyā's Wiederauferstehung in der Legende der Abhidhamma-Belehrung als symbolische Wiederauferstehung eben der gleichen Illusion anzusehen, der Errichtung einer mystischen Barriere zwischen Erfahrung und absoluter Realität, sowie der Verlagerung der Suche nach spiritueller Wahrheit von jedermanns alltäglicher Erfahrung zum bevorzugten Bereich der Elite?

Oh, ich weiß, es gibt tausend und einen absolut gute Gründe, warum meine Theorie scheitert. Und dennoch … Ich würde niemals auch nur antäuschen, dass solch ein in groben Zügen geschilderter Entwurf auch nur Anspruch darauf erheben kann, solch eine komplexe, althergebrachte, vielfältige Gedankenschule zu erklären. Aber dennoch … Vielleicht magst du das Gefühl haben, dass meine Theorie - und meine leichtfertige Ausdrucksweise! - die majestätische Erhabenheit der Höheren Lehren entehrt. Aber das, fürchte ich, ist genau der Punkt. Ich wünsche die Ansprüche des Abhidhamma zu durchstechen, seine Aura der Unantastbarkeit zu stehlen. Der wahre Dhamma scheint weiter: brillant wie ein Diamant und ebenso widerstandsfähig. Was immer gut und wahr im Abhidhamma ist, wird den Test bestehen. Wenn der Abhidhamma aus der Klasse 'Was der Buddha lehrte' genommen und in die Klasse 'Die Entwicklung des Buddhismus über die Zeitalter', werden wir zumindest dazu fähig sein ihn an seinen wahren Werten zu messen.

 


 

1 Die sog. "Feuerpredigt", Mahāvagga 54. [zurück]
2 Das beinhaltet die kleineren poetischen Begriffe paṇḍara, mānasa und hadaya, aber lässt den wichtigen technischen Begriff ceto weg. Noch einmal, trotz der Erwähnung pedantischer Variationen von mano, von denen einige nicht in den Sutten auftauchen, lässt es das wichtige manodhātu weg. [zurück]
3 Na hi kālabhedena dhammānaṃ sabhāvabhedo atthi. ('Nicht durch die Teilung der Zeit gibt es eine Teilung der wesentlichen Essenz der Dhammas.' Abhidhammatthasaṅgahavibhāvinīṭīkā, Seite 122. Zitiert in Sumanapala 'An Introduction to Theravada Abhidhamma', Seite 94. [zurück]

 

 

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