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Noch einmal: die Sache mit der Seele [Bitte den Artikel "Die Sache mit dem Ich" vorher lesen.] |
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von Dr. H.W. Schumann |
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Im Sanskrit und Pāli wird als Reflexivpronomen das Wort (Skt.) ātman, (P.) attan (in der Deklination des Singulars) benutzt, das wörtlich (ewige) "Seele" bedeutet, von den frühen Übersetzern aber gewöhnlich als "Ich" oder "Selbst" wiedergegeben wird. Und hier beginnt das Problem, denn wenn das Pāli-Wort nicht als Reflexivpronomen erkannt wird, erscheint es in der Übersetzung als das Substantiv "das Selbst" (groß geschrieben!) und es scheint dem zu widersprechen, was der Buddha durch seine An-atta-, seine Nichtseelen-Lehre klargestellt hat: Dass ein (Skt.) ātman, (P.) attan, eine den Tod überdauernde Seele nicht existiert. Die Daseinsformen einer Wiedergeburtenkette sind nicht verbunden durch einen Seelenfaden, der sich unveränderlich und zeitlos durch alle Einzelexistenzen hindurch zieht, sondern durch Kausalität, indem Vorexistenz a die Nachexistenz b "bedingt". Tatsächlich lehrt der Buddha Wiedergeburt ohne transmigrierende Seele. Die irreführende Übersetzung des Reflexivpronomens durch das Substantiv "das Selbst" hat auch in die Dhammapada-Übersetzung des Ehrw. Ñāṇatiloka Mahāthera Eingang gefunden, die der Autor 1943 im Internierungslager Dehra-Dun (Indien) angefertigt hat. In zahlreichen späteren Aufsätzen und Büchern, unter anderem in seinem sehr nützlichen "Buddhistischen Wörterbuch" von 1952, hat der große Bhikkhu die An-atta-Lehre des Buddha treffend beschrieben - das Manuskript seiner alten Dhammapada-Übersetzung aber nahm er nicht mehr zur Hand. Ñāṇatiloka starb 1957 auf der Insel Ceylon. Unrevidiert ist seine Übersetzung dann 1992 im Druck erschienen. Zur Demonstration einer modernen Übersetzung mit der irreführenden von 1943 werden die beiden Fassungen im folgenden nebeneinander gestellt. Wiedergegeben wird das komplette 12. Kapitel des Dhammapada, bestehend aus den Strophen 157 bis 166. Es trägt im Pāli den Titel "Attavagga" - was alle bisherigen Übersetzer verdeutschen durch "Das Selbst-Kapitel". Treffender wäre die Titelangabe "Das Kapitel über die eigene Person", denn es beschreibt, wie man zuerst sich selbst (nicht aber "das Selbst") ethisch in Ordnung bringt, bevor man daran geht, andere Menschen belehren zu wollen. Vom Metrum geforderte kleine Zusätze stehen in Klammern.
Das Ziel (attha, Skt. artha) ist die Arhatschaft. Freilich darf das eigene religiöse Ziel den Heilssucher nicht hindern, sich auch für andere einzusetzen - wenn dieser Einsatz nicht so weit geht, dass er sein eigenes Ziel vergisst. Soweit das Kapitel 12 des Dhammapada. Der Vergleich der Übersetzungen zeigt, dass das Substantiv "das Selbst" das Reflexivpronomen "sich selbst" oder "sich selber" nicht ersetzen kann. Im Gegenteil: Es führt in die Irre, weil es den Anschein erweckt, dass ein Selbst als Gegebenheit existiere. Um es klarzustellen: Die Erkenntnis, dass das Wort attan auch als Reflexivpronomen verwendet wird, ist nicht neu. Vorgetragen hat sie schon der leider fast vergessene Berliner Theravāda-Lehrer Dr. Kurt Schmidt (gest 1975) in seinem Buch "Sprüche und Lieder" (1954) auf Site 8. Dort heißt es: Missverständlich ist es, wenn man "attā" in den Sprüchen mit "das Selbst" übersetzt; es ist hier meist nichts anderes als das Reflexivpronomen "sich" oder "er selbst", im Genitiv "sein eigener". Es lohnt sich, Schmidts Werke mal wieder in die Hand zu nehmen.
Anmerkung:
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