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Die sieben Faktoren
die zur Erleuchtung führen können
 

Ein Vortrag von

Ingrid Johnen

Der Dhamekh-Stūpa in Sārnāth.


Vielleicht denken nun einige: "Was für ein Thema? So weit bin ich noch lange nicht, um mich mit Bojjhaṅgas zu beschäftigen. Erleuchtung, das liegt doch für mich noch in weiter Ferne."

Ich möchte heute versuchen, Euch ein wenig Mut auf Eurem Praxisweg zu machen. Wir werden uns Schritt für Schritt jedes Erleuchtungsglied etwas genauer anschauen und einige werden dabei bemerken, so schwierig ist das Ganze ja vielleicht nun doch nicht. Auch in unserem oft schwierigen Alltag können wir die Praxis, das Üben, integrieren und Erfolge erzielen. Erkenntnisse und "Erleuchtung" sind nicht nur, wie oft behauptet, den Ordinierten (Mönchen/Nonnen) vorbehalten.

Anmerkung: In den zitierten Lehrreden kann das Wort "Mönch" mit dem Wort "Mensch" ausgetauscht werden.

 

Was bedeutet überhaupt Bojjhaga?

Das Wort bojjhaṅga setzt sich aus den Worten bodhi ("Erwachung, Erleuchtung, Wissen, Erkenntnis") und aṅga ("-glieder") zusammen. Spricht man von bojjhaṅga, so sind folgende sieben Faktoren gemeint:

1 Achtsamkeit (sati-sambojjhaṅga)
2 Ergründung von Gesetzmäßigkeiten (dhammavicaya-sambojjhaṅga)
3 Willenskraft, Anstrengung (vīriya-sambojjhaṅga)
4 Verzückung, Freude (pīti-sambojjhaṅga)
5 Ruhe, Gestilltheit (passaddhi-sambojjhaṅga)
6 Sammlung, Konzentration (samādhi-sambojjhaṅga)
7 Gleichmut (upekkha-sambojjhaṅga)

 

"Weil sie zur Erleuchtung führen, darum nennt man sie Erleuchtungsglieder" (Samyutta Nikāya 46.5).

Diese, im ersten Augenblick recht unscheinbare Aussage, ist eine Kernaussage des Buddhismus. Während in anderen Religionen das so genannte "Heil" von höheren Wesen oder Gottheiten abhängig ist, wird hier ein Weg gezeigt, wie man sich selbst befreien und erlösen kann. Dieser Weg ist nicht nur einem Buddha vorbehalten. Alle können ihn gehen und zum gleichen Ergebnis wie der Buddha kommen. Das, was einen von einem Buddha unterscheidet, ist lediglich, dass der Buddha den Weg zur Befreiung aus sich selbst heraus entdeckt und erkannt hat, während alle anderen, die seiner Lehre folgen, den daraus entwickelten und aufgezeigten Weg fertig übernehmen können. Aber ausnahmslos alle müssen ihre Erleuchtung "aus sich selbst heraus" (paccattam) erlangen, sich selber erkämpfen. Niemand ist also abhängig von irgend etwas oder irgend wem, um zum gleichen Ergebnis wie der Buddha zu gelangen. Der Buddha mahnt sogar: "Seid eure eigene Leuchte (attadīpa viharatha)" . Ob ein Feuer ursprünglich durch Reibung entstanden ist, oder ob es an einem anderen Feuer angesteckt wurde, macht für das Verlöschen keinen Unterschied.

Bojjhaṅga sind ein Teil der 37 erforderlichen Dinge zur Erleuchtung (bodhipakkhiyadhamma). Siehe auch Anhang.

 

Erleuchtung, was ist damit gemeint?

In dem Augenblick, wo man diese so genannte "Erleuchtung" erlangt, legt man jegliches Unwissen und jegliche Lebensgier von sich ab. Man erkennt, dass jede Existenz letztendlich leidvoll/unvollkommen/unzulänglich ist. Man durchschaut die Ursache, die Entstehung des Leidens. Man erkennt, wie das Leiden aufgehoben werden kann und hat den Weg dahin gefunden. Dieses so genannte "Leuchten" entsteht aus der erkannten Gewissheit um die endgültige Erlösung von allem Leidhaften. Im Stadium der vollständigen Erleuchtung ist das Weltliche für den Erleuchteten erloschen, bzw. der Erleuchtete ist für die bestehende Welt erloschen und hat das Nibbāna erreicht. Nur die noch vorhandene Körperlichkeit trennt ihn noch vom körperlosen völligen Nibbāna bei seinem Tod.

Es scheint erst einmal ein Widerspruch zu sein, wenn man von "Erleuchtung" und gleichzeitig von "Erlöschen" spricht. Viele Menschen machen sich Gedanken über den Sinn des Lebens, klammern aber den Tod dabei aus. Sie wollen nicht wahrhaben, dass das Leben untrennbar mit dem Tod verbunden ist. Hat man den Sinn des Lebens für sich erst einmal erkannt, bzw. seinem Dasein einen Sinn gegeben, so wird man auch das naturgemäß dazu gehörende Sterben und das, wovon man meint, es käme "danach", nicht länger als Schrecken betrachten.

Im alltäglichen Sprachgebrauch findet man viele Äußerungen, die auf den Sinn des Wortes "Erleuchtung" hinweisen und erahnen lassen, was damit gemeint sein könnte. Da sind zum Beispiel: "Es wird mir klar." "Mir geht ein Licht auf." "Der ist aber helle im Kopf." "Mit leuchtenden Augen." "Der ist eine Leuchte in seinem Fach." "Licht ins Dunkle bringen." Erleuchtung bedeutet also "Licht, Helligkeit, von innen heraus leuchten, klar und leuchtend im Geist sein". Es ist ein Zustand, der für Außenstehende durchaus sichtbar sein kann, aber nur vollkommen nachvollzogen werden kann, wenn man ihn selbst erlangt hat. Deswegen sind jegliche Beschreibungen über Erleuchtung, die von einem noch nicht Erleuchteten getan werden, immer nur Erahnen, Vermutung, Gelesenes oder Hören-Sagen. Nur die eigene Erfahrung lässt einen den Begriff "Erleuchtung" begreifen. Erst dann vollzieht sich die Umwandlung, in welcher "Erleuchtung" aufhört ein bloßer begrifflicher Standpunkt zu sein, sondern statt dessen zur Wirklichkeit wird. Aus der Wirklichkeit als Erfahrung wird die Wirklichkeit als Erleben, oder anders ausgedrückt, es findet der Übergang von Erfahrung zum Erleben statt.

Was aber nicht heißt, dass man dann auch in der Lage ist, es anderen zu beschreiben oder zu erklären. Warum auch - es ist für jeden ein persönliches Erlebnis!

Es kann sogar zu einem Hemmnis werden und zu Verirrungen führen, wenn man sich an Erfahrungen, die andere gemacht haben, anlehnen oder - noch schlimmer - messen möchte. Den Weg aber der zur Erleuchtung führt, den hat uns der Buddha aufgezeigt. Er wurde schon von vielen gegangen und hat nachweislich zum Ziel geführt. Einen Versuch, den Zustand der Erleuchtung zu beschreiben, findet man im vierten Kapitel des Mahāvagga I (13/57.):

Da sagte der König von Magadha, Seniya Bimbisāra, zum Erhabenen, nachdem er die Wahrheit gesehen, die Wahrheit erlangt, die Wahrheit verstanden, die Wahrheit durchdrungen, den Zweifel überwunden, die Ungewissheit beseitigt, die vollkommene Zuversicht aus eigener Kraft in der Lehre erlangt hatte: ... wie wenn (man) etwas Umgedrehtes richtig hinstellen würde oder etwas Verdecktes aufdecken würde oder einem Verirrten den Weg zeigen würde, oder wie wenn man in der Dunkelheit eine Öllampe hinhalten würde, damit wer Augen hat, die Gestalten sieht...

Bei diesen Worten kann man einen Geschmack dafür bekommen, was Erleuchtung bedeutet. Im Gegensatz zum Begriff "Erleuchtung", "das Helle" steht "das Dunkle", dass wir in folgenden Ausdrücken in unserem Sprachgebrauch wiederfinden: " ... ist geistig umnachtet", "dunkle Gestalten", " Sein Geist verdunkelt sich.", "Trübung des Geistes", usw.

Bojjhaṅga besteht, wie am Anfang erwähnt, aus sieben Faktoren, die einem nach Erleuchtung (bodhi) Strebenden dienlich sind. Diese Faktoren oder Glieder sind wie eine Kette miteinander und ineinander verknüpft und haben immer wieder einen Bezug zueinander. Alle Faktoren sind mit Achtsamkeit zu betrachten. Die Achtsamkeit ist der rote Faden, der sich durch alle Erleuchtungsglieder hindurch zieht, bzw. die einzelnen Glieder miteinander verbindet, in dem Sinne, dass alle Faktoren mit Achtsamkeit betrachtet und geübt werden sollen.

Es wird immer wieder behauptet, dass man im Laienleben niemals Erleuchtung erlangen kann. Das stimmt nicht: Gerade im Alltag können alle sieben Faktoren konditioniert werden.

Eine große Rolle spielen allerdings die äußeren und inneren Bedingungen, in denen man lebt.

Es muss karmisch gerade passen. Das passende Umfeld, die passenden Lebenskonditionen müssen vorhanden sein, um überhaupt die Saat der Lehre des Buddha legen, keimen und wachsen lassen zu können, um Erkenntnisse überhaupt erst möglich zu machen.

Es ist wesentlich schwieriger, wenn man in einem unguten sozialen Umfeld aufwächst und lebt, wenn man von Menschen umgeben ist, die ihren Sinn nur darin sehen, ihr eigenes Leben mit Gier, Hass und Verblendung zu füllen, und man nur dieses vorgelebt bekommen hat. Wie heißt es so schön: "Die Umwelt formt den Menschen."

Auch tiefste Armut, der tägliche Kampf zur Befriedigung der Grundbedürfnisse - wie Nahrung, Kleidung, Wohnung - geben selten Raum für die Zeit und Ruhe, derer es bedarf, um sich mit oben genannten Dingen zu beschäftigen.

Dagegen ist ein offenes und tolerantes Umfeld, in dem keine materielle, sowie emotionale Not besteht, wo Zeit und Raum geboten werden, um sich zu entwickeln, mit Sicherheit förderlicher.

Ein gewisses Maß an Intelligenz ist auch von Vorteil. Aber was ist Intelligenz? Jeder kann, wenn es denn karmisch passt, Erleuchtung erlangen.

Manchmal reicht ein kleiner Funke, um das Licht des Erkennens zum Leuchten zu bringen.

Sollte einem die Erleuchtung trotz eifrigen Strebens nicht zuteil werden, so hilft die ständige Konditionierung der sieben Faktoren jedoch an jedem Tag, das Gespür für die Dinge, wie sie denn tatsächlich sind, immer wieder neu zu entwickeln. Das alltägliche Leben wird harmonischer, allmählich kehrt Ruhe in den Geist ein und man wird nicht mehr von den "Alltäglichkeiten" in "Beschlag" genommen. Sich in den sieben Faktoren zu üben, bedeutet auf Dauer, Freiheit von allen inneren und äußerlichen Unwägbarkeiten einer sich immerwährend verändernden Welt zu erlangen.

 

Achtsamkeit (sati)

Jemand, der nach Erleuchtung strebt, achtet stets wachsam auf die Absichten, die hinter seinen Gedanken stehen, und auf alle Aktivitäten seines Körpers. Achtsamkeit ist einer der essentiellen Ausgangspunkte der Meditation. Besser ausgedrückt, jederzeit und immerzu sollte man sich die Achtsamkeit vergegenwärtigen (sati + upatthāna). Man soll sich besinnen und sich die Besinnung vergegenwärtigen. Was aber bedeutet "Achtsamkeit", bzw. "Besinnung", "sich auf etwas besinnen"? Es bedeutet, sich etwas ins Gedächtnis zurückzurufen, sich zu erinnern, im Gedächtnis zu behalten, Nicht-Vergesslichkeit, Nachsinnen. Dabei helfen die vier Pfeiler der Achtsamkeit (sati = "Fähigkeit" und patthāna = "Errichten"). Sie beinhalten folgende Betrachtungen:

1 Die Betrachtung des Körperlichen (kāyānupassanā)
2 Die Betrachtung der Gefühle (vedanānupassanā)
3 Die Betrachtung des Bewusstseins (cittānupassanā)
4 Die Betrachtung der Geistobjekte (dhammānupassanā)

Diese Meditationspraxis findet man ausführlich im Satipatthāna-Sutta beschrieben.

Außer in der Meditation kann (sollte) die Achtsamkeit bei jeder täglichen Verrichtung geübt und kultiviert werden. Wenn man spült, spült man. Wenn man putzt, putzt man. Wenn man telefoniert, telefoniert man. Man konzentriert sich auf eine Tätigkeit und macht sich bewusst, WAS man gerade in diesem Moment tut. Man konzentriert sich auf das Hier und Jetzt. Es wird keine Zerstreuung zugelassen, wie z.B. Telefonieren und Computerspielen gleichzeitig. Putzen, während das Radio läuft und man überlegt, was man zum Mittag kocht, usw. Jede Handlung ist von Achtsamkeit geprägt. Bei jeder Tätigkeit können die vier Betrachtungen geübt werden. Achtsamkeit zu konditionieren, hat noch einen weiteren Nutzen. Da man alles mit Bedacht tut, ist es leichter, sich ethisch korrekt zu verhalten, was wieder zu einer Gemütsruhe führt, die von "unguten" Geisteszuständen abhält. Ungute Geisteszustände, wie Zorn, Ärger, Groll, Neid, Eifersucht usw., die z. B. dazu führen, zu fluchen, anderen Übles zu wünschen, usw., lenken den Geist ab, sind störend, lassen die Achtsamkeit schwinden. Wird man jedoch von unguten Gedanken abgelenkt (was menschlich ist!) gilt es, inne zu halten, diese achtsam, ohne Ablenkung zu betrachten, bis sie erkannt, durchdrungen und eliminiert sind, also keine Nahrung und Ablenkung für den Geist mehr sind.

Im Saṃyutta-Nikāya 46.51 heißt es:

Was aber ist, ihr Mönche, die Nahrung, um das noch nicht erschienene Erwachungsglied Achtsamkeit erscheinen, und das erschienene sich weiter entfalten und reif werden zu lassen? Es gibt, ihr Mönche, Gedanken, die das Erwachungsglied Achtsamkeit fördern: was dabei an gründlicher Aufmerksamkeit sich ausbreitet, das ist die Nahrung, um das noch nicht erschienene Erwachungsglied Achtsamkeit erscheinen und das erschienene sich weiter entfalten und reif werden zu lassen. Was aber ist, ihr Mönche, der Nahrungsentzug für das Erscheinen des noch nicht erschienenen Erwachungsgliedes Achtsamkeit und für Entfaltung und Reifwerden des erschienenen? Es gibt, ihr Mönche, Gedanken, die das Erwachungsglied Achtsamkeit fördern: dazu keine Aufmerksamkeit ausbilden, das ist jener Nahrungsentzug für das Erwachungsglied Achtsamkeit.

 

Als zweiter Faktor der Erleuchtungsglieder wird die

Gesetzesergründung (dhammavicaya-sambojjhaṅga) angeführt.

Sie beinhaltet das Wissen um die Dinge, wie sie denn tatsächlich sind. Karmisch Heilsames, nicht Heilsames und Neutrales müssen unterschieden werden. Weiterhin beinhaltet sie die Erforschung der Charaktereigenschaften, die Wirklichkeitsergründung und die Einsicht in das Gesetz der Daseinserscheinungen. Es erfordert ein systematisches Herangehen an alles das Dasein Betreffende, um Erkenntnisse und Wissen über die logischen Gesetzmäßigkeiten zu erlangen. Als Ergebnis entsteht ein analytisches Wissen. Es wird aufgeteilt in vier analytische Wissensformen.

1. Das Analytische Wissen vom wahren Wesen (attha-patisambhidā).
attha: Sinn, Zweck, Ergebnis, Bedeutung, wahres Wesen
patisambhidā: Kenntnis der Bedeutung (von Wörtern)
Diese Erkenntnis beinhaltet das Wissen um das bedingte Entstehen, das Nibbāna, Wortbedeutungen, karmische Wirkungen und karmisch unabhängige Funktionen. Des Weiteren die Erkenntnis vom Leiden.

2. Das Analytische Wissen vom Gesetz, den Gesetzmäßigkeiten (dhamma-patisambhidā).
dhamma: Bedingung, Gesetz, Gesetzmäßigkeit, Träger (tragen), Phänomen, Gegebenheit, Ding.
Diese Erkenntnis beinhaltet das Wissen über jede ein Ergebnis erzeugende Ursache, das gesprochene Wort, der Edle Achtfache Pfad, das karmisch Heilsame und das karmisch Unheilsame, des weiteren die Erkenntnis vom Entstehen des Leidens.

3. Das Analytische Wissen von der Sprache (nirutti-patisambhidā).
nirutti: Ausdrucksweise, Aussprache, Dialekt
Dies bedeutet, dass man immer die richtige Wortwahl hat, um es wirklichkeitsgemäß "auf den Punkt" zu bringen, und dass die Ausdrucksweise präzise ist.

4. Das Analytische Wissen von der Schlagfertigkeit (patibhana-patisambhidā).
patibhana: Redegewandtheit, Schlagfertigkeit
Auf alle Fragen, die einem gestellt werden, oder in Diskussionen hat man immer die richtige Antwort.

Wie erlangt man die vier analytischen Wissen?

Im Aṅguttara-Nikāya VII. 37 lesen wir:

Im Besitze von sieben Eigenschaften, ihr Mönche, mag sich ein Mönch nach gar nicht langer Zeit die vier Analytischen Wissen zu eigen machen, sie selber erkennend und verwirklichend; und mit ihnen ausgestattet, hat er sich die vier Analytischen Wissen zu eigen gemacht, sie selber erkennend und verwirklichend. Welches sind diese sieben Eigenschaften? Da weiß, ihr Mönche, der Mönch der Wirklichkeit gemäß: 'Diese geistige Schlaffheit besteht in mir.' Ist sein Geist innerlich verkrampft, so weiß er der Wirklichkeit gemäß: 'Mein Geist ist innerlich verkrampft.' Ist sein Geist nach außen hin zerstreut, so weiß er: 'Mein Geist ist nach außen hin zerstreut.' Bewusst steigen die Gefühle in ihm auf, bewusst sind sie da, bewusst schwinden sie. Bewusst steigen die Wahrnehmungen in ihm auf, bewusst sind sie da, bewusst schwinden sie. Bewusst steigen die Gedanken in ihm auf, bewusst sind sie da, bewusst schwinden sie. Bei den zuträglichen und unzuträglichen, den gemeinen und edlen Dingen und den Gegensätzen von Gut und Böse, da hat er die Ursache wohl erfasst, wohl erwogen, wohl verstanden, in Weisheit wohl durchdrungen.

Um analytisches Wissen zu erlangen, ist ein hilfreiches, eigentlich das wichtigste! Instrument die "Durchschauung" (vipassanā). Man unterscheidet drei weltliche Durchschauungen:

1. Die Durchschauung des Erkannten (ñāta- vipassanā)
2. Die untersuchende Durchschauung (tirana- vipassanā)
3. Die überwindende Durchschauung (pahāna- vipassanā)

Man kann eine ausführliche Beschreibung im Visuddhimagga finden.

Oft stößt man dabei an Grenzen des eigenen Denkens und die Gedanken drehen sich immer wieder im Kreis. Dann hilft manchmal ein geduldiges Ruhenlassen des Denkens, so lange, bis man erkennt: "Ja, genau so ist es." Des Weiteren ist es von Vorteil, sich jederzeit ethisch korrekt zu verhalten, denn nur mit einem beruhigten Geist (kein "schlechtes" Gewissen) ist man in der Lage, Wissen zu erlangen und nicht Verblendungen anheim zu fallen, auf Irrwege zu gelangen. Das heißt, nicht nur durch Lesen und (Auswendig-) Lernen der Lehrreden des Pālikanon (Vinaya, Sutten und Abhidhamma) erreicht man analytisches Wissen (Wissensbildung), sondern nur in der Kombination Lesen, Lernen, Nachdenken, Analysieren, Diskutieren, In-Frage-Stellen. Man versucht, das Gelesene bzw. Gehörte zu verstehen (wann, zu wem wurde was gesagt, welche Umstände führten eben dazu, usw.). Und in der Meditation versucht man, mit Achtsamkeit ALLES zu durch-schauen (vi-passanā), und nicht länger - wie die meisten Menschen - alles nur an-zuschauen.

Dazu folgendes Zitat aus dem Saṃyutta-Nikāya 46.51:

Was aber, ihr Mönche, ist die Nahrung, um das noch nicht erschienene Erwachungsglied Lehrergründung erscheinen und das erschienene sich weiter entfalten und reif werden zu lassen? Es gibt, ihr Mönche, heilsame und unheilsame Dinge, tadelhafte und untadelige Dinge, niedere und erlesene Dinge, es gibt Dinge mit dem Gegensatz von Dunkel und Hell: was dabei an gründlicher Aufmerksamkeit sich ausbreitet, das ist die Nahrung, um das noch nicht erschienene Erwachungsglied Lehrergründung erscheinen und das erschienene sich weiter entfalten und reif werden zu lassen. Was aber ist, ihr Mönche, der Nahrungsentzug für das Erscheinen des noch nicht erschienenen Erwachungsgliedes Lehrergründung und für Entfaltung und Reifwerden des erschienenen? Es gibt, ihr Mönche, heilsame und unheilsame Dinge, tadelhafte und untadelige Dinge, niedere und erlesene Dinge, es gibt Dinge mit dem Gegensatz von Dunkel und Hell: dazu keine Aufmerksamkeit ausbilden, das ist jener Nahrungsentzug für das Erwachungsglied Lehrergründung.

 

Ohne den dritten Faktor der sieben Erleuchtungsglieder ist dies aber nicht zu bewerkstelligen.

Willenskraft (viriya-sambojjhaṅga)

Viriya bedeutet "Willenskraft, Energie" und ist identisch mit dem 6. Glied des achtfachen Pfades, Rechte Anstrengung (sammā-vāyāma). Diese Willenskraft, Energie wird benötigt, um gegen Unheilsames anzukämpfen, bis man es überwunden hat.

In einer Lehrrede wird Folgendes beschrieben:

Da erzeugt, ihr Mönche, der Mönch in sich den Willen, nicht aufgestiegene üble, unheilsame Dinge nicht aufsteigen zu lassen; er strebt danach, setzt seine Willenskraft ein, spornt seinen Geist an und kämpft darum. Er erzeugt in sich den Willen, aufgestiegene üble, unheilsame Dinge zu überwinden; er strebt danach, setzt seine Willenskraft ein, spornt seinen Geist an und kämpft darum. Er erzeugt in sich den Willen, nicht aufgestiegene heilsame Dinge aufsteigen zu lassen; er strebt danach, setzt seine Willenskraft ein, spornt seinen Geist an und kämpft darum. Er erzeugt in sich den Willen, aufgestiegene heilsame Dinge zu festigen, nicht schwinden zu lassen, sondern sie zu Wachstum und voller Entfaltung zu bringen; er strebt danach, setzt seine Willenskraft ein, spornt seinen Geist an und kämpft darum.

In diesem Erleuchtungsglied steht also das Wollen, die Energie, der feste Wille, die Anstrengung im Zentrum der Handlung. Wollen bedeutet nicht, etwas haben zu wollen. Eher das Gegenteil ist gemeint: Man möchte Unheilsames ablegen, nicht mehr haben wollen, z. B. unheilsame Gemütszustände wie Zorn, Hass, Neid, Begierde, usw. Alle die Dinge, die im menschlichen Dasein Unruhe und Leiden/Unwohlsein bereiten und den Geist davon abhalten, die Dinge zu erkennen, wie sie denn tatsächlich sind, will man nicht mehr haben. Wenn man über einen gewissen Grad von Einsichtsfähigkeit verfügt, erkennt man eigentlich recht schnell, wie es funktionieren kann. Aber die Verinnerlichung, das Erleben, das Einfach-Vorhanden-Sein im alltäglichen Dasein, die Erleuchtung eben muss meist hart erarbeitet werden. Dies erfordert sehr viel Energie und Willenskraft. Zu sehr sind der Lebenswille, das Anhaften, das Nicht-Aufgeben-Wollen von liebgewonnen Handlungen/Dingen/Menschen, das Streben nach glücklichen Momenten, das "Ich" im Menschen verankert. Meist ist es ein ständiger Kampf mit sich selbst, bis zur Erleuchtung, bis einem "ein Licht aufgeht". Das Licht, die Helligkeit aber bedeutet, das Unaussprechliche sehen und mit allen Sinnen spüren, darin ein- und aufgehen, bzw. darin "endgültig vergehen", das Erkennen des "Nichts", den endgültigen Frieden, die Erlösung vom Immerwiederkehren, vom Leiden. Nur wenigen Menschen wird die Erleuchtung zuteil durch ein gelesenes oder gehörtes Wort des Buddha, was aber vorkommt und in den buddhistischen Schriften beschrieben wird. Die meisten Menschen müssen sich die Erkenntnis/Erleuchtung hart erarbeiten, "erkämpfen". Fleiß, Ausdauer und Kontinuität sind essentielle Voraussetzungen, um alles Unheilsame für immer zu überwinden. Diese Anstrengungen sind allerdings ohne ein gewisses Maß an Freude nicht möglich. Nur die Freude an der eigenen Entwicklung der Erleuchtungsglieder ist der Motor des Ganzen. Aber auch, wenn die Freude mal nicht vorhanden ist, ist es ratsam, trotzdem und gerade dann Kontinuität zu zeigen. Auch wenn es mal schwer fällt, sauer wird, heißt es, einfach sitzen bleiben (in der Meditation) und auch diesen Zustand betrachten und durchschauen, nicht aufgeben. Es geht vorbei, wie alles vorbei geht. Nichts ist von Dauer. Nach so einer "schweren" Phase wird man meist mit Fortschritt und Freude "belohnt". Es erfordert also wie bei allen "Kämpfen" auch eine gewisse Tapferkeit.

Im Saṃyutta-Nikāya 46.51 heißt es:

Was aber ist, ihr Mönche, die Nahrung, um das noch nicht erschienene Erwachungsglied Tatkraft erscheinen, und das erschienene sich weiter entfalten und reif werden zu lassen? Es gibt, ihr Mönche, die Art des Aufraffens, die Art des Ausbrechens, die Art des Transzendierens, was dabei an gründlicher Aufmerksamkeit sich ausbreitet, das ist die Nahrung, um das noch nicht erschienene Erwachungsglied Tatkraft erscheinen, und das erschienene sich weiter entfalten und reif werden zu lassen. Was aber ist, ihr Mönche, der Nahrungsentzug für das Erscheinen des noch nicht erschienenen Erwachungsgliedes Tatkraft und für Entfaltung und Reifwerden des erschienenen? Es gibt, ihr Mönche, die Art des Aufraffens, die Art des Ausbrechens, die Art des Transzendierens: dazu keine Aufmerksamkeit ausbilden, das ist jener Nahrungsentzug für das Erwachungsglied Tatkraft.

 

Freude (pīti-sambojjhaṅga)

Wie schon erwähnt, geht es nicht ohne ein Mindestmaß an Freude. Die Freude über das schon Erfahrene, die hoffnungsvolle Freude auf das Kommende sind immer wieder die Triebfeder, diesen Weg weiter zu gehen. Vor allem die Freude, die man in der Meditation erfahren kann, ist eine Triebfeder. Wer die vier Vertiefungen (jhāna) praktiziert, kennt den Zustand der allumfassenden Freude aus der 2. Vertiefung.

Jhāna bedeutet: "Meditation, Versenkung, Vertiefung" in vier Stufen, wobei die vierte noch weitere Stufen enthält. Im weitesten Sinne gesprochen, ist jhāna ein durch intensive Konzentration auf ein einziges (geistiges oder körperliches) Objekt hervor gerufener Versenkungszustand des Geistes. Es handelt sich hierbei um vier Vertiefungen der feinkörperlichen Sphäre (rūpa-jhāna oder rūpavacāra-jhāna) und zusätzlich um vier unkörperliche Vertiefungen (arūpayatana / aruppa), die der vierten Vertiefung der feinkörperlichen Sphäre angehängt oder als fünfte Stufe bezeichnet werden.

In vielen Lehrreden können wir folgenden Text lesen:

1. Da, ihr Mönche, gewinnt der Mönch, den sinnlichen Dingen entrückt, frei von unheilsamen Geisteszuständen, die mit Gedankenfassung' (vitakka) und diskursivem Denken (vicāra) verbundene, in der Abgeschiedenheit geborene, von Verzückung und Glücksgefühl erfüllte erste Vertiefung.
2. Nach Stillung von Gedankenfassung und diskursivem Denken aber gewinnt er den inneren Frieden, die Einheit des Geistes, die von Gedankenfassung und diskursivem Denken freie, in der Vertiefung (samādhi) geborene, von Freude (pīti) und Glücksgefühl (sukha) erfüllte zweite Vertiefung.
3. Nach Aufhebung der Verzückung aber verweilt er gleichmütig, achtsam, klar bewusst, und er fühlt in seinem Innern jenes Glück, von dem die Edlen sprechen: Glückselig weilt der Gleichmütige, der Achtsame. Und so gewinnt er die dritte Vertiefung.
4. Nach dem Schwinden von Wohlgefühl und Schmerz und durch Untergang des früheren Frohsinns und Trübsinns gewinnt er einen leidlosen, freudlosen Zustand, die gleichmütig/geistesgeklärte vierte Vertiefung.

Nachfolgend werden meist noch die vier arūpa-jhānas, die unkörperlichen jhānas, die "überweltlichen" Vertiefungen beschrieben, wobei hier die erste davon als Beispiel angeführt wird:

5. Durch völlige Überwindung der Körperlichkeitswahrnehmungen aber, das Schwinden der Rückwirkswahrnehmungen, das Nichterwägen der Vielheitswahrnehmungen, gewinnt er in der Vorstellung: 'Unendlich ist der Raum' das Raumunendlichkeitsgebiet.

Das heißt, es handelt sich hier um einen Geisteszustand, der nur in der "meditativen Vertiefung" erreicht werden kann.

Dies möge folgendes Zitat aus dem Saṃyutta-Nikāya 46.51 verdeutlichen:

Was aber ist, ihr Mönche, die Nahrung, um das noch nicht erschienene Erwachungsglied Entzücken erscheinen und das erschienene sich weiter entfalten und reif werden zu lassen? Es gibt, ihr Mönche, das Erwachungsglied Entzücken fördernde Gedanken: was dabei an gründlicher Aufmerksamkeit sich ausbreitet, das ist die Nahrung, um das noch nicht erschienene Erwachungsglied Entzücken erscheinen und das erschienene sich weiter entfalten und reif werden zu lassen. Was aber ist, ihr Mönche, der Nahrungsentzug für das Erscheinen des noch nicht erschienenen Erwachungsgliedes Entzückens und für Entfaltung und Reifwerden des erschienen? Es gibt, ihr Mönche, Gedanken, die das Erwachungsglied Entzücken fördern: dazu keine Aufmerksamkeit ausbilden, das ist jener Nahrungsentzug für das Erwachungsglied Entzücken.

 

Gestilltheit (passaddhi-sambojjhaṅga)

Ebenfalls im Saṃyutta-Nikāya (46.3 I) steht:

Entzückt im Geiste wird der Körper gestillt, wird das Herz gestillt. Zu einer Zeit, ihr Mönche, in der von dem Mönche entzückt im Geiste der Körper gestillt, das Herz gestillt wird, zu einer solchen Zeit ist von dem Mönch das Erwachungsglied der Gestilltheit begonnen. Das Erwachungsglied der Gestilltheit entfaltet der Mönch zu einer solchen Zeit. Das Erwachungsglied der Gestilltheit wird von dem Mönch zu einer solchen Zeit zur Vollendung der Entfaltung gebracht.

Ruhe kehrt ein in Körper und Geist. Ist der Zustand der Gestilltheit erreicht, wird man frei von den sogenannten fünf Hemmungen des Geistes. Die fünf Hemmungen des Geistes sind Wollen/Gier, Hass, Stumpfheit/Müdigkeit, Aufgeregtheit, skeptischer Zweifel und Gewissensunruhe . Die Triebe (Antrieb, Getriebenheit) versiegen und die Reize der Welt können einen nicht mehr berühren. Man erkennt die Dinge, wie sie wirklich sind. Irrglauben, Selbsttäuschungen, Einbildungen und Anhaftungen können abgewehrt, durch Achtsamkeit überwunden und eliminiert werden. Durch gründliche Achtsamkeit wird dies alles nicht wieder aufkommen. Allein die Erkenntnis der "Ich"-losigkeit/ "Seelen"-losigkeit gilt als die "Befreiung" schlechthin. Das Erkennen der karmischen Zusammenhänge und das Wissen um den Ausweg daraus lassen einen zur Ruhe kommen. Gestilltheit entsteht und man ist in der Lage, alles loszulassen.

Hierzu wieder ein Zitat aus dem Saṃyutta-Nikāya (46.51):

Was aber ist, ihr Mönche, die Nahrung, um das noch nicht erschienene Erwachungsglied Gestilltheit erscheinen und das erschienene sich weiter entfalten und reif werden zu lassen? Es gibt, ihr Mönche, Gestilltheit des Körpers, Gestilltheit des Herzens: was dabei an gründlicher Aufmerksamkeit sich ausbreitet, das ist die Nahrung, um das noch nicht erschienene Erwachungsglied Gestilltheit erscheinen und das erschienene sich weiter entfalten und reif werden zu lassen. Was aber ist, ihr Mönche, der Nahrungsentzug für das Erscheinen des noch nicht erschienenen Erwachungsgliedes Gestilltheit und für Entfaltung und Reifwerden des erschienenen? Es gibt, ihr Mönche, Gestilltheit des Körpers, Gestilltheit des Herzens: dazu keine Aufmerksamkeit ausbilden, das ist jener Nahrungsentzug für das Erwachungsglied Gestilltheit.

 

Sammlung (samādhi-sambojjhaṅga)

Samādhi bedeutet "Versenkung, Konzentration, Andacht, Meditation" und ist in diesem Erleuchtungsglied einhergehend mit samatha ("Gemütsruhe"), die durch Achtsamkeit entsteht.

Gemütsruhe, beziehungsweise innere Beruhigung (samatha) erlangt man, indem man mit Be-greifversuchen (= Benennungsversuche), die aus dem Dasein, ob nun im metaphysischen Sinne oder im Sinne einer physischen Realität, ein dem Bewusstsein gegenständliches Etwas machen wollen, in der Meditation ebenso wie im alltäglichen Leben aufhört. Solche Benennungsversuche führen nur zu Unruhe, da der Geist damit beschäftigt ist, immer neue Lebensvorgänge zu schaffen. Man muss jegliche Begrifflichkeit ruhen lassen, wenn das Licht der Wirklichkeit aus der Tiefe hochleuchten und Klarsicht (vipassanā) entstehen soll. Nur so kann man die Erkenntnis/Erfahrung: "So ist es wirklich!" erleben.

Wenn in den Lehrreden von Sammlung (samādhi) die Rede ist, dann ist meistens "Rechte Sammlung" (sammā-samādhi) gemeint. Rechte Sammlung bedeutet, dass diese Sammlung mit einem karmisch heilsamen Bewusstsein verbunden ist. Verkehrte Sammlung (micchā-samādhi) dagegen bedeutet, dass diese Sammlung mit unheilsamem Bewusstsein verbunden ist.

Hierzu wieder ein Zitat aus dem Saṃyutta-Nikāya 46.51:

Was aber ist, ihr Mönche, die Nahrung, um das noch nicht erschienene Erwachungsglied Sammlung erscheinen und das noch nicht erschienene sich weiter entfalten und reif werden zu lassen? Man kann sich, ihr Mönche, Ruhe vorstellen, man kann sich Sammlung vorstellen: was dabei an gründlicher Aufmerksamkeit sich ausbreitet, das ist die Nahrung, um das noch nicht erschienene Erwachungsglied Sammlung erscheinen und das erschienene sich weiter entfalten und reif werden zu lassen. Was aber ist, ihr Mönche, der Nahrungsentzug für das Erscheinen des noch nicht entschiedenen Erwachungsgliedes Sammlung und für Entfaltung und Reifwerden des erschienenen? Man kann sich, ihr Mönche, Ruhe vorstellen, man kann sich Sammlung vorstellen: dazu keine Aufmerksamkeit ausbilden, das ist jener Nahrungsentzug für das Erwachungsglied Sammlung.

 

Hat man in der Meditation erkannt, wie die Dinge denn tatsächlich sind, entsteht:

Gleichmut (upekkhā-sambojjhaṅga)

Es handelt sich hier um eine gleichbleibende Gemütsruhe, die durch keine Ereignisse mehr erschüttert werden kann. Gleichmut (upekkhā) ist nicht zu verwechseln mit Gleichgültigkeit im Sinne von: "Es ist doch alles egal!". Ganz im Gegenteil, man kann sich mit "wacher Kraft", aber entspannt "zurücklehnen" im Wissen, wie die Dinge denn tatsächlich sind. Das Wissen vom bedingten Entstehen, allem Körperlichen und Geistigen, das Veränderliche und das Vergehen lassen den Geist zufrieden und ausgeglichen werden. Alles ist "durchschaut". Das Wissen vom "Nicht-Ich" (an-atta), dass es keine unwandelbare, unbedingte "Persönlichkeit" gibt, ist ein Fundament des Gleichmuts. Man ist als "Person" nicht mehr angreifbar. Kein Ich-Dünkel behindert die geistige Entfaltung im Hier und Jetzt. Keine Angst ist mehr in einem, denn man weiß, dass alles, was einem widerfährt, aus eigenen Taten herrührt. Nichts, was einem widerfährt, kommt von einem "bedrohlichen" Äußeren, sondern alles geschieht aus dem eigenen vergangenen Wirken heraus. In allem, was einem im Leben entgegentritt, begegnet man sich letztendlich nur selbst. Es ist so, als würde einem immer wieder ein Spiegel vorgehalten. Ein deutsches Sprichwort bringt es auf den Punkt: "Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus". Diese Erkenntnis aber gibt einem den Mut und die Kraft, in der Gegenwart Gutes zu bewirken, selbst wenn es bei einem selbst mal nicht so gut läuft. Die Gewissheit, dass nur die eigenen (!) Taten das eigene Geschick bestimmen, lassen einen geduldig und gleichmütig werden. Alles Leidvolle hat ein Ende, wobei körperliche Schmerzen und Krankheit immer noch vorhanden sein können, aber man kann auch diese besser, anders erdulden. Man hat gelernt, jedes Gefühl, jede Regung, jede körperliche Veränderung von außen mit Abstand zu betrachten, zu analysieren, zu beobachten. Es kommt nichts mehr an einen heran (an wen oder was auch?), denn man kennt den Ursprung, wie es entstanden ist, man kennt die Symptome und man weiß, dass es vergeht.

Dazu sei noch ein Wort aus dem Saṃyutta-Nikāya 46.51 angeführt:

Was aber ist, ihr Mönche, die Nahrung, um das noch nicht erschienene Erwachungsglied Gleichmut erscheinen und das erschienene sich weiter entfalten und reif werden zu lassen? Es gibt, ihr Mönche, Gedanken, die das Erwachungsglied Gleichmut fördern: was dabei an gründlicher Aufmerksamkeit sich ausbreitet, das ist die Nahrung, um das noch nicht erschienene Erwachungsglied Gleichmut erscheinen und das erschienene sich weiter entfalten und reif werden zu lassen. Was aber ist, ihr Mönche, der Nahrungsentzug für das Erscheinen des noch nicht erschienenen Erwachungsgliedes Gleichmut und für Entfaltung und Reifwerden des erschienenen? Es gibt, ihr Mönche, Gedanken, die das Erwachungsglied Gleichmut fördern: dazu keine Aufmerksamkeit ausbilden, das ist jener Nahrungsentzug für das Erwachungsglied Gleichmut.

 

Schlusswort

Alle sieben Erleuchtungsglieder müssen nicht hintereinander in einer Reihenfolge geübt und ausgebildet werden. Sie können sich durchaus nebeneinander, miteinander, durcheinander entwickeln. Es handelt sich hierbei um einen interdynamischen Wachstumsprozess. Bei allen Faktoren liegt aber die Grundbetonung auf der Achtsamkeit.

Im Saṃyutta-Nikāya 46.4 steht dazu:

Sieben, ihr Brüder, gibt es der Erwachungsglieder: die Erwachungsglieder der Achtsamkeit, der Lehrergründung, der Tatkraft, des Entzückens, der Gestilltheit, der Sammlung, des Gleichmuts. Das sind, ihr Brüder, die sieben Erwachungsglieder. In welchem der sieben Erwachungsglieder ich auch immer morgens, mittags oder abends zu weilen wünsche, darin weile ich eben morgens, mittags oder abends. In jedem der sieben Erwachungsglieder, ihr Brüder, weiß ich: 'Unermesslich ist es in mir; wohl begonnen ist es in mir; es besteht gerade in mir'; und wenn es schwindet, dann weiß ich, 'durch solche Bedingung schwindet es'.

Nur wenige Menschen erlangen Erleuchtung in diesem Leben. Dieser Weg erfordert sehr viel Selbstdisziplin. Aber die Früchte, die man schon beim Üben der einzelnen Faktoren ernten kann, sorgen mit Sicherheit für eine bessere Lebensqualität. Auch die Beziehungen zu unseren Mitmenschen werden sich qualitativ verbessern. Alle Anhaftungen, an was auch immer, können erkannt und eliminiert werden. Mettā (nichtanhaftende Liebe), Karuṇa (Mitempfinden), Mudita (Mitfreude) und Upekkhā (Gleichmut) für alle Lebewesen werden wie selbstverständlich in einem entwickelt und kultiviert. Man nennt sie auch die vier "Göttlichen Verweilungszustände".

Im Aṅguttara-Nikāya X.102 heißt es zusammenfassend:

Diese sieben Erleuchtungsglieder, entfaltet und häufig geübt, bringen die drei Wissen zustande. Welche drei? Da, ihr Mönche, erinnert sich der Mönch an manche frühere Daseinsform, mit ihren Merkmalen, ihren Kennzeichen. Er erkennt mit dem himmlischen Auge, dem geklärten, übermenschlichen, wie die Wesen abscheiden und wiedererscheinen, erkennt, wie die Wesen ihren Taten entsprechend wiedergeboren werden. Durch Versiegung der Triebe gewinnt er noch bei Lebzeiten die von Trieben freie Gemütserlösung und Weisheitserlösung, sie selber erkennend und verwirklichend.

 

Mögen alle danach Strebenden ihr Ziel auf diesem Pfad erreichen.

 

 

Anhang:
37 erforderlichen Dinge zur Erleuchtung (bodhipakkhiyadhammā)

Die Vier Grundlagen der Achtsamkeit (satipatthāna)
1. Achtsamkeit auf den Körper (kāyānupassanā)
2. Achtsamkeit auf die Gefühle (vedanānupassanā)
3. Achtsamkeit auf den Geist (cittānupassanā)
4. Achtsamkeit auf die Geistesobjekte (dhammānupassanā)

Die Vier Rechten Anstrengungen (sammā-padhāna)
1. Anstrengung der Sinnenzügelung (samvāra padhāna)
2. Anstrengung zur Überwindung (pahāna padhāna)
3. Anstrengung zur Entfaltung (bhāvana padhāna)
4. Anstrengung zur Erhaltung (anurakkhana padhāna)

Die Vier Wege zum Erfolg (iddhipada)
1. Wille, Streben, Absicht (chanda)
2. Willenskraft, Anstrengung, Bemühen (viriya)
3. Reinheit des Bewusstseins (citta)
4. Erforschen, Erwägen (vimamsa)

Die Fünf Fähigkeiten (indriya)
1. Vertrauen, Glauben (saddhā)
2. Willenskraft, Anstrengung (viriya)
3. Achtsamkeit (sati)
4. Sammlung, Konzentration (samādhi)
5. Weisheit (paññā)

Die Fünf Kräfte (bala)
1. Vertrauen, Glauben (saddhā)
2. Willenskraft, Anstrengung (viriya)
3. Achtsamkeit (sati)
4. Sammlung, Konzentration (samādhi)
5. Weisheit (paññā)

Der Edle Achtfache Pfad (ariya atthaṅgika-magga)
1. Rechte Ansicht (sammā diṭṭhi)
2. Rechte Gesinnung (sammā sankappa)
3. Rechte Rede (sammā vāca)
4. Rechtes Handeln (sammā kammantā)
5. Rechter Lebenserwerb (sammā ājiva)
6. Rechte Anstrengung oder Bemühung (sammā vāyāma)
7. Rechte Achtsamkeit (sammā sati)
8. Rechte Konzentration (sammā samādhi)

 


 

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