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Die Verbündeten

Beziehungen, die das Erwachen fördern

 

Ein Artikel von Tan Piyadhammo

aus dem Englischen übersetzt von Beate und Viriya

 

Tan Ajahn Piyadhammo

Bild: http://sas-thinkforward.de/
content/beitraege/inhalt_1___2013/big_data_im_kloster/e


Menschen können nicht in einem Vakuum existieren. Sie leben in abhängigen Beziehungen mit anderen Menschen. Das Leben eines Menschen beginnt schon vor der Geburt durch den Kontakt mit anderen Menschen. Die Menschen zehren körperlich und emotional von anderen Menschen: sie sind akzeptierte Mitglieder eines engen Kreises anderer Menschen. Die vollständige Abhängigkeit von ihren Mitmenschen ist länger als bei jedem Tier.

Die Abhängigkeit von bzw. Unterstützung durch andere Menschen ist sehr weitreichend und dauert das ganze Leben lang an. Zunächst werden alle materiellen Bedürfnisse von anderen erfüllt, in der Regel vorwiegend von den Eltern, aber auch Werte, Einstellungen, Fähigkeiten und Vorlieben werden fast vollständig von anderen Personen erworben. Kinder, die bis zum Alter von etwa zwölf Jahren durch Nachahmung der Sprache anderer nicht lernen zu sprechen, lernen es nie. Motorische Fähigkeiten, wie das Gehen und das gesamte Spektrum der sozialen Fähigkeiten, werden durch das Beispiel anderer und mit der Hilfe anderer erhalten.

Vor allem aber hat die emotionale und geistige Gesundheit tiefe Wurzeln in der Unterstützung durch andere. Säuglinge, die zwar gefüttert, gewaschen, angezogen und vor Gefahren geschützt, mit denen aber nicht gekuschelt und geredet wird, sterben einfach. Das wichtigste emotionale Bedürfnis von Kindern ist viele Jahre lang einfach Liebe. Sie werden alles und jedes tun, um sie zu bekommen und werden andernfalls selbstzerstörerisch, geisteskrank oder sterben sogar.
Diese Beziehungsmuster setzen sich während des gesamten Lebens in verschiedenen, sich entwickelnden Formen fort. Die Bildung von verschiedenen Arten von Freundschaften, hierarchischen, intimen oder familiären Beziehungen müssen alle in einem wesentlichen Maße beherrscht werden, um ein einigermaßen glückliches und erfolgreiches Leben zu führen. Viele Studien zeigen, dass die körperliche Gesundheit und die Fähigkeit, Stress zu bewältigen, in einem direkten Verhältnis zur Größe und Nähe des sozialen Netzwerks stehen, das eine Person in der Lage war aufzubauen.

 

Keine Feinde - keine Verbündeten

"Wer mit Gewalt überwältigt hat, hat nur die Hälfte seines Feindes überwunden." John Milton
"Der macht keinen Freund, der nie einen Feind gemacht hat." Alfred Tennyson


Der Begriff "Verbündeter" impliziert in vielen seiner Anwendungen, dass verschiedene Gruppen eine besondere Art von Freundschaft bilden, um einem oder mehreren "Feinden" zu begegnen. Auf diese Weise werden Feinde zu einem Katalysator für diese Arten von Freundschaften. Mut, Zuverlässigkeit, Kreativität, Initiative, moralisches Gefestigtsein, Weisheit und andere Qualitäten wurden alle im Angesicht des gemeinsamen Feindes erprobt und somit übertreffen diese Kontakte Schön-Wetter-Freundschaften in Bezug auf Nähe und Zuverlässigkeit.
Das gilt ebenso und vor allem im Bereich der spirituellen Freundschaft, denn der größte Feind der Wesen liegt in ihnen selbst, nämlich der Impuls, Gier, Hass und Verblendung zu folgen. Diese nach innen gerichtete Perspektive konzentriert sich auf das Finden einer Reaktion, die keine Abneigung ("Hass") zur Konfliktlösung nutzt. Nach außen hin bedeutet das auch, nach Konfliktlösungen zu suchen, die es ermöglichen unfreundliche Beziehungen nicht weiterzuführen und stattdessen wirkliche Freunde oder spirituelle Verbündete zu gewinnen. Dazu ist es unabdingbar "Freund und Feind" unterscheiden zu lernen und zu verstehen wie man ihnen zu begegnen hat.

Der Buddha rät nicht dazu, auf eine Art zu denken, die Fehlverhalten billigt oder relativiert. Noch empfiehlt der Buddha, die Augen vor dem Bösen zu verschließen. "Niemanden zu beurteilen", wie es das häufig vorkommende Diktum zeitgenössischer spiritueller Lehrer ist, ist nicht Teil des Buddhismus. Nicht zu beurteilen, d.h. die Erfahrungen, die man hat, nicht einzuschätzen, ist einfach unmöglich - der Wahrnehmungsprozess impliziert das. Eine Person oder Situation richtig zu beurteilen ist Weisheit.
Die Beurteilung der Lehre des Buddha gibt dem Schüler das Vertrauen, dem Weg zu folgen. Es ist natürlich auch Teil der Weisheit zu wissen, inwieweit man seiner Einschätzung trauen und diese mit entsprechender Leichtigkeit halten kann1. Im Großen und Ganzen empfiehlt der Buddha die Anwendung eines angemessen gesunden Menschenverstandes zum Umgang mit inneren und äußeren Feinden. Der Buddha erklärt dazu zahlreiche Möglichkeiten, sich von Groll zu befreien, einschließlich solcher praktischer Betrachtungen wie zu bedenken, dass Kamma sich darum kümmern wird, was diese Person tat.

Der Umgang mit schlechten Menschen ist allerdings zu vermeiden, ähnlich wie wilde Elefanten oder Stiere (Ärger) oder Stoppelfelder (Belästigungen/Verdruss). Diese interessante von Buddha in MN 2 verwendete Analogie scheint darauf abzuzielen, dass schlechte Freunde ebenso wie Elefanten und Stoppelfelder vermieden werden müssen.2
Und der Buddha befürwortet eine entschiedene Vorgehensweise gegen diejenigen, die zu Ärger neigen und Streit in der Gruppe verursachen. Es wird in unmissverständlichen Worten empfohlen, nichts mit denen zu tun zu haben, die Anzeichen von Ärger zeigen - anscheinend sogar unabhängig von ihrer Seniorität, ihrer Absicht oder dem Grad ihres Geläutertseins.3 Der Buddha schlägt vor, Unruhestifter durch eine zusammenstehende Gemeinschaft zu vertreiben, und wie es scheint, ohne ein weiter vorgeschriebenes Verfahren.4
Die Kosten für die Praxis in Gemeinschaften sind einfach zu hoch, da Zorn Furcht und subtile Formen von Vergeltungsmaßnahmen hervorbringt. Die Menschen werden defensiv und richten ihren Fokus intensiv nach außen, wenn doch der einzige Zweck für das Leben in einer spirituellen Gemeinschaft ist, einen äußerlich sicheren Ort für den inneren Fokus anzubieten.
Der harte Widerspruch zwischen der monastischen Aufgabe und Anzeichen von Ärger führt unweigerlich dazu, dass Laien, Mönche und Nonnen sowie angehende Mönche und Nonnen das Vertrauen verlieren. Als Charakterzug kann Ärger oft nicht einfach durch Erläuterung oder Ermahnung behoben werden. Wenn, dann nicht selten nur durch Schocktherapie, wie dem kategorischen Ausschluss aus der Gruppe.5
In den meisten Streitschlichtungsfällen betont der Buddha jedoch ein faires Verfahren. Von einem Lehrer oder anderen älteren Mönchen fortzugehen, erfordert das Erbitten von Vergebung als Teil des klösterlichen Protokolls. Auch für Schwierigkeiten und Krisen aufgrund von Respektlosigkeiten zwischen Student und Lehrer gibt es Regeln, wie um Vergebung zu bitten ist.6
In nicht-konfrontativen Situationen bedeutet das, einen Mönch erst zu ermahnen, nachdem sichergestellt ist, dass er dafür besonders empfänglich ist, indem man einen guten Zeitpunkt wählt. Das würde auch die Rücksichtnahme darauf mit einschließen, dass er zu der Zeit nicht beschäftigt ist und auch, dass er entweder allein oder zumindest nicht in einer öffentlichen Situation ist, die wahrscheinlich eine Abwehrhaltung erzeugen würde.
Der ermahnende Mönch muss dem Beschuldigten die Möglichkeit zur Rechtfertigung geben. Andernfalls begeht er eine kleine Übertretung. Der beschuldigte Mönch kann diese Möglichkeit dazu nutzen, sein Verhalten zu rechtfertigen oder Krankheit als Begründung anzuführen. Er kann aber auch um eine andere Zeit oder Umgebung bitten. Diese Regel ist mehr als eine Formalität, sie ist der Versuch eine herzliche Atmosphäre zu gewährleisten.7
Als nächstes muss der ermahnende Mönch bei den Tatsachen bleiben, was auch bedeutet, sie nicht zu dramatisieren. Auch diese Maßnahme erhöht die Glaubwürdigkeit und damit die Bereitschaft die Ermahnung anzunehmen. Seine Darstellung sollte ergebnisorientiert sein (attha-saṃhita). Das heißt, die Gelegenheit für den Mönch, der den Regelverstoß begangen hat, heilsame Qualitäten entwickeln kann, sollte wichtiger sein als zu siegen oder seinen Emotionen Luft zu machen. Das mag häufig eine sehr sorgfältige Vorgehensweise und den allmählichen Gewinn des Vertrauens beinhalten, sowie manchmal den Verzicht auf den Sieg oder Teilsieg in der Streitfrage.
Der Buddha lobt es, erhebliche Schwierigkeiten auf sich zu nehmen, die dadurch entstehen können, dass die andere Person verletzt und rachsüchtig ist, um diesen Zweck zu erreichen.8

Wenn aber der Mönch, der den Regelverstoß begangen hat, diesbezüglich nicht darauf ansprechbar ist oder eine vollständige Wandlung über ihn hinausgeht, wird es oft als besser erachtet, einen Verlust zu ertragen und das Problem zu übersehen.9 Was den Ton und das Format der Ermahnungen betrifft, so fordert der Buddha, diese immer aus einer freundschaftlichen Geisteshaltung (mettā cittena) und nicht aus Abneigung erwachsen zu lassen, und dass man eine sanftmütige Redeweise verwenden sollte.10
Wenn das Vergehen ernst ist und nicht auf diese Weise beigelegt werden kann, kann ein Treffen der gesamten örtlichen Klostergemeinschaft einberufen werden oder es kommt bei der offiziellen Rezitation des Pātimokkha zur Sprache ("Aussetzung des Pātimokkha"11), wo jeder teilnehmen12 oder - wenn das wirklich unmöglich ist - seine Zustimmung zur Entscheidung senden muss13. Der Mönch, der eines Regelverstoßes beschuldigt wird, hat anwesend zu sein14, und ihm wird die Anschuldigung - wieder unter den oben genannten Voraussetzungen - vorgetragen, und er wird dazu befragt, woraufhin er seine Position erklären kann. Er darf aber nicht verharmlosen, Ausflüchte suchen/machen oder schweigen15.
Die Gruppe muss zu einer einstimmigen Entscheidung kommen - jeder, unabhängig von seinem jeweiligen Mönchsalter hat ein Veto-Recht16. Dann besiegeln ein Antrag (ñatti) und bis zu drei formale Ausrufungen (anussāvana) die Entscheidung.17 Typischerweise wird dabei impliziert, dass der Beschuldigte sein Vergehen nicht einsieht bzw. wiedergutmacht, woraufhin er durch ein weiteres Verfahren zeitweilig aus der Gemeinschaft ausgeschlossen (suspendiert) werden kann18, er also seiner Vorrechte, die er aufgrund seines Mönchsalters hat, verlustig geht.

Alle buddhistischen Lösungen sind gewaltfrei. Gewaltlosigkeit im buddhistischen Sinne bedeutet, niemals körperliche Gewalt, einschließlich Inhaftierung, anzuwenden. Befragung, Isolation von der Gruppe, gelegentlich Einschüchterung, selten Verbannen von jemandem werden als die primären Methoden betrachtet, mit schwierigen Mönchen, Nonnen oder Laien umzugehen.19
Auch wenn die vorübergehende Isolation (Suspendierung) als fast letzter Ausweg (vor dem Ausschluss aus dem Orden) gewählt wird, können einem Ordensangehörigen unter solchen Umständen niemals Requisiten wie Nahrung, Gewand, Obdach oder die Möglichkeit, Meditation zu praktizieren, entzogen werden20. Auch harte Arbeit als Strafe ist nicht Teil des Vinayakatalogs der Disziplinierungsmaßnahmen. Mit anderen Worten, die Bestrafung der Wahl ist eine Form sozialer Isolation, die sich auch nicht sehr negativ auf die Fähigkeiten reiner Mönche oder Nonnen auswirken würde, die irrtümlich beschuldigt werden, und die Möglichkeit zur Reflektion wird immer bewahrt.

Während die praktischen Wege, sich im Buddhismus mit "Feinden" auseinanderzusetzen, auf gesundem Menschenverstand und geistiger Reife basieren, sind die spirituellen Wahrheiten über diese unangenehmen Beziehungen komplex. Auf Konflikte aufgrund von Beeinflussungen aus vergangenen Leben oder durch unsichtbare Wesen hat man in der Regel keinen Zugriff, aber sie sind durchaus im Bereich des Möglichen. Es gibt viele Berichte über Rivalitäten und Feindseligkeiten zwischen Menschen oder Gruppierungen, die über Lebensspannen hinweg endlos fortgesetzt werden, ähnlich wie Familienfehden.

Es gibt auch Fälle, in denen man Feindschaft aufgrund früherer Handlungen (kamma-vipāka) anzieht, wenn auch nicht unbedingt in Beziehung zu der gleichen Person. Genauso wie jemand mit einer schwachen Konstitution aufgrund von Mangelernährung zufällige, gerade vorhandene Krankheiten anziehen kann, die unabhängig von der Ursache oder den Besonderheiten der Unterernährung sind, kann jemand eine etwas abstoßende Persönlichkeit aufgrund früherer Handlungen erschaffen haben, die Feindschaften anzieht, diese aber nicht notwendigerweise rechtfertigt.
Dann gibt es mögliche Einflüsse aus anderen, unsichtbaren Bereichen. Medien verschiedener Glaubensrichtungen und Kulturen berichten über ähnliche Erfahrungen mit der Wahrnehmung von Wesen ("Geistern"), die sich von Feindseligkeit ernähren und daher dazu ermutigen. Angesichts der Übereinstimmung dieser Berichte ist für diejenigen Vorsicht geboten, die allzu schnell, mit "gesundem Menschenverstand" urteilen und Schuldzuweisungen machen, die für das Geistesgift Abneigung so typisch sind.
Darüber hinaus helfen Erzählungen von schier endlosen, über viele Leben fortgesetzten Feindschaften dabei, aus dem Konflikt auszusteigen, und zwar durch die einfache Warnung, dass dies zu mehr Kontakt mit der verabscheuten Person in einem zukünftigen Leben führen kann.

Viel Schaden wird in Menschen durch "Feindeshand" angerichtet. Von körperlichem oder emotionalem Missbrauch bis hin zu Angriff, Vergewaltigung, Verrat von Freundschaften und die gesamte Bandbreite krimineller Aktivitäten, schwere Schäden wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression, Verlust der Fähigkeit zu vertrauen und viele, wenn nicht alle Arten von anderen psychischen Störungen können in diesen Erfahrungen ihre Ursache haben.
Mit anderen Worten, die Wirkung von Feinden kann enorm sein und sollte nicht klein geredet werden. Gleichzeitig ist es unmöglich, alle anderen Wesen zu verändern oder zu kontrollieren und die Gefahr, beim Umgang mit Ungerechtigkeit in unheilsame Geisteszustände gezogen zu werden, ist groß, oft praktisch unmöglich zu vermeiden. Diese unheilsame Energie ist jedoch das, was viele dieser Feindseligkeiten weiterführt und, noch schlimmer, die Anhaftung daran verstärkt und damit auch die Möglichkeit in Bereichen, in denen solche Konflikte bestehen, wiedergeboren zu werden.

Aus diesen Gründen ist es in spiritueller Hinsicht am besten, sich auf die Unzulänglichkeit der gesamten saṃsārischen Struktur und nicht auf individuelle Fehler zu konzentrieren, nach dem Motto: "Wenn es Ihnen hier nicht gefällt, kommen Sie nicht her."
Kontemplationen wie die "Reizlosigkeit des ganzen Daseins"21 gehen die wirklichen und gefährlichen Probleme von Feinden auf eine kategorische Weise an und erzeugen ein Gefühl von Gelassenheit und Distanz, das davor schützt, verletzt und geschädigt zu werden. - Der kleine Zusatzanreiz für diejenigen, die bei Angriffen die Ruhe bewahren: In zukünftigen Leben werden sie schön sein.22
Ein weitaus größerer Gewinn können Freundschaften sein, die in schwierigen Zeiten aufgebaut werden. Manche Menschen können in diesen Zeiten auch als Freunde verloren gehen, wenn man gehofft hatte, sich auf sie verlassen zu können, wenn sie einen fallen lassen oder ihre Hilfe nur Lippenbekenntnisse sind, und sie sich allzu vorsichtig aus der Schusslinie zurückziehen. Nicht selten werden Tatsachen in solchen Situationen den Emotionen untergeordnet, mit anderen Worten, auch wenn nicht alle Tatsachen bekannt sein mögen und vielleicht nicht alle Alternativen ausgeschöpft wurden, ist doch eine mutige Stellungnahme durch die Freundschaft zum Zeitpunkt solcher Krisen erforderlich, andernfalls werden vielleicht Lektionen gelernt, die nicht leicht rückgängig gemacht werden können.

Dieses Prinzip gilt übrigens nicht nur für Freundschaften, sondern auch für Notsituationen oder grobe Misshandlungen - Frauen, die nachts schreien, Männer, die von Banden geschlagen werden, belästigte Migranten oder Kinder, die angeschrieen oder misshandelt werden. Alle diese Fälle bedürfen keiner vorsichtigen Diplomatie, sondern eines Aufschreis und massiver greifbarer Handlung, was möglicherweise mit erheblichen Risiken und Kosten für den Zeugen verbunden ist. Wie im weltlichen Umfeld fordert auch der Buddha von seinen Jüngern diese Risiken einzugehen, "Zivilcourage" zu zeigen.23 Alles andere ist nahe daran, ein Mitwisser oder Komplize eines Verbrechens zu sein und kann zu verdientermaßen alptraumhaften Erinnerungen führen, gelegentlich sogar zu Strafverfolgung24.
Angesichts des Ausmaßes von Tragödien in der Welt kann man mit Recht fragen, wo hier die Linie zu ziehen ist. Die Welt als (bloße) Wahrnehmung zu sehen ist in diesem Fall hilfreich. Wenn man erwarten kann, als Zuschauer wahrgenommen oder gezählt zu werden, als jemand, der etwas auf einer wahrgenommenen individuellen Ebene gesehen und getan haben könnte, ist es notwendig, direkt oder indirekt zu intervenieren. Was nicht im Bereich der eigenen Wahrnehmung auftaucht wird, kann nicht als eigene Verantwortung betrachtet werden. Was in Sicht- oder Hörweite kommt, löst eine Reaktion aus, genauso wie ein persönlicher Gruß, eine Einladung oder ein Angebot eine Reaktion erfordern, nicht aber unerbetene Informationen, die von außen an einen herangetragen werden. Der Buddha reagierte, trotz seiner psychischen Fähigkeiten, mit dem Regelwerk nur auf jenes Fehlverhalten von Ordinierten, die ihm von anderen Mönchen, Nonnen25, Laien oder den Mönchen, die selbst einen Regelverstoß begangen haben26, zur Kenntnis gebracht wurden. Während der Buddha viel mehr Vergehen hätte aufdecken und regeln können, setzt dieses Verfahren einen Standard, der bis heute gültig ist.

Die wichtigste Unterscheidung, vom Standpunkt des Dhamma aus betrachtet, ist, diejenige zwischen heilsam und unheilsam. "Heilsam" wird grundsätzlich definiert als weder sich selbst noch einen anderen zu schädigen, vor allem karmisch, "unheilsam" als das Gegenteil.27
In komplexen Fällen von Feindseligkeit können sowohl aggressive Intervention als auch passive und/oder kaltherzige Feigheit unheilsam sein, wenn letztere das Leiden anderer ignorieren und die ersteren es, beim Versuch, die Welt zu richten, aus den Augen verlieren. Letztlich ist es hier die spirituelle Empfindsamkeit, die in der Meditationspraxis geschärft wird, die der beste, wenn auch nicht notwendigerweise der unfehlbare Wegweiser ist.

 

Freundliche Menschen

"Gott, schütze mich vor meinen Freunden; gegen meine Feinde kann ich mich selbst verteidigen." Lord Acton zugeschrieben


Studien zeigen, dass die Zahl der Kontakte, die ein Mensch pflegen ("in Kontakt bleiben") kann, auf etwa 150 Personen beschränkt ist.28
Es gibt ein typisches Muster für diese Form der menschlichen Gemeinschaft.
Der innerste Kreis besteht aus drei bis fünf Personen, zu denen die gegenseitige Abhängigkeit und Intimität besonders stark ist. Als nächstes kommt eine Gruppe von 12 bis 20 Personen, zu denen besondere persönliche Beziehungen bestehen. Dann folgen normalerweise drei weitere Kreise mit eher informellen Kontakten; die typischerweise aufgrund Familienangehörigkeit, den Arbeitsplatz (Schule), durch Hobbys oder besondere Interessen ergeben. Aus unbekannten Gründen neigen die Gruppen dazu, sich um einen Faktor von drei zu vergrößern.

Eine Möglichkeit, diese uns beeinflussenden Menschen zu klassifizieren, ist, sie in sechs Untergruppen von zunehmender Bedeutung einzuteilen, beiläufige Bekanntschaften, Verwandte, Verflossene, Kumpel, Wiedererkannte und Verbündete.

1. Beiläufige Bekanntschaften
Die am weitesten entfernte Gruppe bezieht Leute mit ein, die man auf der Straße erkennen und grüßen würde, mit denen man aber wenig weiteren Kontakt hat. Die Frau in der Bäckerei oder im Zeitungskiosk, bei denen man seine täglichen Einkäufe macht, die meisten Nachbarn, ein Arzt, Lehrer und viele Kommilitonen, mit denen man studiert hat, würden in diese Gruppe fallen. Diese Menschen sind wichtig, weil sie eine Gemeinsamkeit der Wahrnehmung suggerieren, die eine Grundlage für geistige Gesundheit darstellt. Gemeinsame soziale Konventionen vermitteln Wärme und Sicherheit von der Art, wie Sprache, Körpersprache und Manieren angewendet werden, bis hin zur Beurteilung einer Vielzahl von alltäglichen Ereignissen, wie Wetter, Sport oder Politik. Gemeinsame Interessen und Zuneigung bestätigen die Existenz einer Person in der Gesellschaft.
Menschen, die sich in völlig fremden Kulturen niederlassen, leiden oft unter einem Phänomen, das Anthropologen "Kulturschock" nennen, wenn diese Grundlage entfernt wird. Sie können ihre Energie verlieren, fühlen sich depressiv, bekommen zwanghaftes Heimweh und werden desorientiert. Paranoide Menschen oder jene mit beeinträchtigten Kommunikationsfähigkeiten, die nicht in der Lage sind, die Gemeinsamkeit zu erfassen und zu erkennen, können auf eine kritische Weise isoliert werden und kompensieren das in einer gefährlichen Art und Weise oder neigen zu Selbstmord.
Häufiger Kontakt mit flüchtigen Bekannten, eine freundliche, aufgeschlossene Persönlichkeit, rücksichstsvolle, gute Manieren und eine angemessene Kenntnis von Trivialitäten und Nachrichten fördern die Gesellschaft. Je besser diese Eigenschaften erworben werden, desto angenehmer und unterstützender wird die gemeinsame Basis.
Bis zu einem gewissen Maß kann man diese Menschen auswählen, vor allem durch die Wahl seiner Nachbarschaft. Im Allgemeinen sind diese Kontakte jedoch sozial nicht wichtig genug, um eine sorgfältige Auswahl zu erfordern.

2. Verwandte
Hier sind Menschen gemeint, mit denen man Blutsbande teilt, aber wenig gemeinsame Interessen darüber hinaus. Die meisten Großfamilien gehören zu dieser Gruppe. Es ist einfach, mit diesen Leuten zusammen zu sein. Sogar von den Leuten, die man noch nie getroffen hat, hat man zumindest schon gehört. Es gibt viele gemeinsame Bezugspunkte und gemeinsame Bekannte. Es ist praktisch keine Einführung erforderlich und es gibt viele Dinge, über die man reden kann.
Weder soziale Ängste noch Erwartungen sind in der Regel übertrieben hoch. Exzentrisches Verhalten wird mit Leichtigkeit toleriert, da es in der Regel - bis in alle Einzelheiten ausgebreitet - im Voraus bekannt ist. Diese Gruppe von Menschen hat einen sehr großen Einfluss dabei, die eigene Identität zu formen, und bietet ein Gefühl der Zugehörigkeit und wirtschaftliche Unterstützung in allem, was Eltern für ihre Kinder tun, bis hin zu vorübergehender Gastfreundschaft und Hilfe in Notfällen.
Von allen Beziehungen und Verpflichtungen sind das die Menschen, denen am Schwierigsten zu entkommen ist. Zusätzlich zu den oben genannten sozialen Fähigkeiten, Geburtsrangfolge, generationsabhängigen und lokalen Zugehörigkeiten spielen alle eine Rolle in der Beziehung zu dieser Gruppe. Von größter Wichtigkeit sind jedoch auch passive Fertigkeiten, wie etwa nicht auf Ärgernisse zu reagieren oder sich nicht in Fehden hineinziehen zu lassen, die oft nichts mit Vernunft zu tun haben.
Vor allem in Familien von der Mittelklasse aufwärts kann eine intelligente Person, ein Elternteil oder eine Gruppe bewusst ausgewählte Netzwerke in der Familie pflegen in Bezug auf Ausbildung, Geschäftsbeziehungen, Freundschaften und viele andere Arten von Unterstützung. Oft sind sie unübertroffen in Bezug auf Vertrauenswürdigkeit.
Es ist vielleicht bemerkenswert, dass die meisten Familienmitglieder und sogar Geschwister nicht viele Interessen und Freunde teilen, auch wenn Nähe bewusst kultiviert wird. Das heißt, sie haben nicht so viel gemeinsam. Aus diesem Grund ist es generell sinnvoll, nicht alles auf eine Karte zu setzen, sondern ein eigenständiges Leben und Wertesystem aufzubauen und gleichzeitig alle angemessenen Verpflichtungen zu erfüllen. All das erfordert ein nicht unwesentliches Maß an Weisheit und Taktgefühl. Gute Familien beziehen diese Fertigkeiten als Teil der Ausbildung ihrer Kinder mit ein, alle anderen müssen sie selbst erwerben, oft durch die schmerzhafte "Versuch-und-Irrtum"-Methode, woraus endlose Familien-Seifenopern entstehen.

3. Verflossene
Eine Gruppe von Menschen, die einem näher sind sind als die meisten Beziehungen, ist die von ehemaligen engen Freunden und Sexualpartnern. Diese einst intimen Menschen, mit denen man Vorlieben und Ereignisse geteilt hat, bleiben auch nach beabsichtigter oder zufälliger Trennung in der Regel noch ganz besonders. Wenn man sich wieder trifft, ist eine erste Frage oft, wieviel von dem, was einmal war, noch übrig ist. Im Falle von ehemaligen Liebenden spielen vor allem auch Enttäuschungen und alte Narben eine Rolle, die bei erneuten Begegnungen eine behutsame, vorsichtige Atmosphäre schaffen kann.
Die eifersüchtigen Ängste von Partnern, den anderen den "Ex" sehen zu lassen, sind ein Indikator für die starken Emotionen, die durch Wiedervereinigungen wiedererweckt werden können. Gleichzeitig ist die beste Zeit und der Glanz dieser Beziehungen vorbei und viele Emotionen kommen davon, dass vergangene Zeiten auf verzerrte Weise verklärt werden. Die Intimität hat in der Regel melancholische, sogar lähmende Untertöne. Um etwas Großes zu erreichen, sind diese Beziehungen meist wertlos.
Ihr Hauptwert liegt darin, unerledigte Dinge zu beenden. Über die oben erwähnte soziale Kompetenz - Taktgefühl vielleicht die Wichtigste von ihnen - sind Furchtlosigkeit und Ehrlichkeit von höchstem Wert dieser Art von Verbindungen zum Erfolg zu verhelfen. Freundschaften, die über große Entfernungen und lange Zeiträume getrennt werden, ohne dass die Verbundenheit miteinander dabei weniger wird, sind hier nicht gemeint. Sie können in jede der drei folgenden Kategorien passen.

4. Kumpel
In der Umgangssprache werden "Kumpel" gewöhnlich als "Freunde" bezeichnet. Sie werden hier als Kumpel bezeichnet, um sie von sehr engen Freunden zu unterscheiden. Der Umgang mit Kumpeln ist einfach, weil man sie selbst gewählt hat, in der Regel aufgrund eines gemeinsamen Umfelds oder Interesses. Typischerweise kommen sie aus der gleichen Altersgruppe oder Generation. Fast alles kommt auf natürliche Art mit ihnen zustande und sofern keine schwachen sozialen Fähigkeiten oder eine Entfremdung von Wertesystemen vorhanden sind, wird die Verbindung einfach sein, auch nach langen Abschnitten der Trennung.
Um diese Art der Gemeinschaft zu meistern, sind weitgehend die gleichen Fähigkeiten erforderlich, wie bei den "beiläufigen Bekanntschaften", der ersten Gruppe in dieser Kategorisierung. Häufig Kontakt zu haben ist besonders wichtig und Informationen und Kontakte müssen intensiv gepflegt werden, um einen wünschenswerten Gruppenstatus zu erhalten, denn die häufigste Kommunikation unter den Mitgliedern dieser Gruppen besteht im Wesentlichen in der Aktualisierung und Überprüfung dieser Informationen. Gleichzeitig ist es notwendig, kein Konkurrenzdenken oder entzweiendes Verhalten zu zeigen. Kurz gesagt, man muss eng beteiligt und doch gleichzeitig losgelöst sein. In dieser Hinsicht ähneln sie Familienbeziehungen.
Diese Beziehungen sind äußerst nützlich für die notwendige Entwicklung einer Identität, das Gefühl, ein Individuum zu sein, das sich von seinen Vorfahren und der Gesellschaft im weiteren Sinn unterscheidet. Sie bilden die Foren, in denen man in flexiblen Hierarchien zu diskutieren lernt und in welchen man Fachwissen vielerlei Art erwerben kann. Sie sind auch von unschätzbarem Wert für das Finden neuer Freunde, von flüchtigen Bekannten und weiteren Kumpeln, bis hin zu engen Freunden, Sexualpartnern und Verbündeten. Die materielle Unterstützung aus dieser Gruppe besteht überwiegend aus Beziehungen für fast alles: Jobs, Wohnungen, Leute, Insiderinformationen usw. usf.

5. Wiedererkannte
Mit "Wiedererkannten" ist hier eine besonders enge Freundschaft gemeint, als ob man eine Person schon lange kennen würde. Diese Gruppe von Freunden könnte auch mit "Liebe auf den ersten Blick" verglichen werden, um die Nähe der Beziehung zu veranschaulichen. Studien haben gezeigt, dass Menschen in der Regel innerhalb von Minuten oder sogar Sekunden wissen, ob eine neu kennengelernte Person ihnen nahe kommen oder fremd bleiben, oder ob es irgend etwas dazwischen sein wird.
Worum es bei diesen Behauptungen letztlich geht ist jedoch nicht die Frage der Qualifikation als Wiedererkannter. Ganz allgemein gilt ja, je besser man von intelligenten Menschen unter verschiedenen Umständen gekannt wird, desto unwahrscheinlicher ist es, dass man falsch eingeschätzt wird.29 Gemeint ist hier eine natürliche, ungezwungene Nähe, die die meisten Hindernisse überwindet, die eine Art von Ehrlichkeit zulässt, die es sonst nur in den allerbesten Familienbeziehungen gibt. Die Stärke dieser Beziehungen ist auch ihre Schwäche. Besitzgier und hohe Erwartungen gehen besonders mit engen Beziehungen einher, bei welchen sexuelle Liebe beteiligt ist. Die anfängliche Nähe ist in solchen Fällen weniger aussagekräftig für ihre Bedeutung, als ihre Bewährung über einen langen Zeitraum hinweg oder das Maß ihrer "Loyalität". Nur zu oft finden und verbinden sich Menschen leicht miteinander, aber das bedeutet nicht unbedingt, dass es für immer hält. Ganz im Gegenteil, diese Verbindungen enden oft mit den allerschlimmsten Feindseligkeiten.

Nirgends ist eine Warnung angebrachter als im Fall der Wiedererkannten, wobei so viele von uns - wenn nicht sogar alle - immer mal wieder gefährlich getäuscht werden. Dennoch ist die Nähe der "Wiedererkannten" für viele Zwecke äußerst nützlich, vom Zusammenstehen bei emotionalen, materiellen oder spirituellen Bedrohungen, bis zur gemeinsamen Hilfe und Rettung von anderen, wobei die spirituelle Entwicklung hier für den Spezialfall der folgenden Gruppe reserviert ist. Besonders nützlich ist die Fähigkeit, sich mit einer anderen Sichtweise oder Emotion zu identifizieren und die Möglichkeit, ein ehrliches Feedback in Bezug auf das eigenes Verhalten zu erhalten, da es sehr schwer ist, dieses von einer wohlwollenden Quelle zu bekommen.
In Wirklichkeit werden viele dieser Beziehungen wirklich Wiedererkannte sein, die aus einem nicht allzu fernen vergangenen Leben stammen. Vor allem, wenn es eine enge Freundschaft auf der Basis von Vorlieben gab, die noch in beiden Partnern bestehen, wird es wahrscheinlich Erfahrungen dieser Art zu machen. Diese Vorlieben können Charakterzüge, Sprechweisen, Verhaltensweisen oder die Art und Weise, wie man zu anderen in Beziehung tritt, sein, aber auch bestimmte Ideen oder Vorstellungen darüber, was schön, seltsam oder komisch ist. Besonders gegenseitige, unverfälschte Zuneigung, d.h. jemanden zu mögen und mit ihm zusammensein zu wollen, scheint die Wahrscheinlichkeit solcher Treffen zu erhöhen.
Es unterscheidet sich nicht sehr von einem Wiedersehen mit Freunden oder Familie nach vielen Jahren: Die Stärke der Wirkung hängt von der Stärke der vorherigen Bindung ab und wie viel noch davon übrig ist.
Der Buddha erläutert zusätzlich, dass ein Wiederaufeinandertreffen in einem zukünftigen Leben wahrscheinlich ist, wenn beide einen ähnlich starken Glauben, Tugend, Lehrwissen, Großzügigkeit und die Fähigkeit "etwas aufzugeben" sowie Weisheit entwickelt haben.30 Ohne Ähnlichkeit in diesen geistigen Fähigkeiten wären die Menschen wahrscheinlich nicht im selben Bereich, obwohl vergleichbare Schwächen in einer Fähigkeit durch die Stärke in einer anderen kompensiert werden können.31
Zudem zeigen Studien jedoch schlüssig, dass uns vor allem das anzieht, was ähnlich ist, und der Buddha lehrt das auch.32

6. Verbündete
Die letzte Gruppe der "Verbündeten" in dieser Gliederung unterscheidet sich von den Wiedererkannten lediglich dadurch, dass die Freunde (sie könnten auch Partner oder Schüler und Mentor sein, siehe unten) gemeinsam spirituelles Wachstum erleben. Sie durchleben zusammen eine Art von Verwandlung. "Spirituell" ist hier in der breitesten Definition des Begriffs gemeint, d.h. jede Art von persönlichem Wachstum, das jenseits des materiellen Gewinns liegt.
Sich nahestehende Kommilitonen z.B. würden hier nicht mit dazugezählt werden, es sei denn, ein Perspektivwechsel über die materielle Ebene hinaus wäre auch Teil ihrer Verbindung. Jugendliche, die sich einer Subkultur anschließen, indem sie Hippies, Punks oder politisch Aktive werden, könnten aber dazu gehören. "Spiritualität" wäre typischerweise nicht die Terminologie, die man für das Leben auf Barrikaden oder in besetzten Häusern wählen würde, aber es besteht kein Zweifel daran, dass enge Beziehungen, die an solchen Übergangspunkten entstehen, aufgrund ihres Idealismus grundverschieden sind von anderen, ebenso engen Freundschaften.
Gemeinsam ein nichtmaterielles Ziel zu haben fügt einen wichtigen Unterschied hinzu. Die Beziehung oder der Drang nach Intimität ist in diesen Fällen nicht mehr der Hauptfokus der Freundschaft. Das Ziel der Freundschaft ist abstrakt und meist weit entfernt, bei echter Spiritualität auch tief im Inneren. Je größer, gemeinsamer und wichtiger das Ziel ist, desto ausgeprägter wird die Wirkung sein.
Es ist das gemeinsame Ziel, welches diese Freundschaften ganz automatisch von großer Besitzgier, Eifersucht usw. befreit. Die Opfer und die Ehrlichkeit, die für die spirituelle Wachstumserfahrung notwendig sind, filtern eine Menge "Unechter" heraus. Die moralische Reinheit vieler wahrhaft spiritueller Wege helfen zudem dabei, dass die Beziehungen nicht durch untugendhaftes Verhalten getrübt werden. Am wichtigsten aber ist es, dass die Freundschaft ihre Leichtigkeit bewahrt, da sie dem Dienst eines höheren Zwecks untergeordnet wird.
Offenbar wird die Kraft der Wiederverbindung in einem zukünftigen Leben auch wesentlich gestärkt und wird wahrscheinlich gemacht, wenn man gemeinsam durch eine kraftvolle, transformierende Wachstumserfahrung gegangen ist.

Dieser Aufsatz wählt seinen Titel aufgrund dieser letzten Art von Beziehungen. Obwohl zur Veranschaulichung alle Arten von Verbündeten in die Definition einbezogen wurden, werden für den Rest dieses Aufsatzes nur die Verbindungen besprochen, die einen direkten Einfluss auf die Befreiung von wiederholter Wiedergeburt haben. Die Klassifizierung von freundlichen Menschen, die hier versucht wird, soll sie von anderen Beziehungsarten abheben. Aus der saṃsārischen Perspektive sind alle anderen Beziehungen entweder Hilfsmittel für diese Art von Beziehungen oder Hindernisse. Sie können insofern als Behinderung betrachtet werden, als sie die verblendete Wahrnehmung der Welt und das Leiden, das dies bewirkt, fördern, so wie edle Freunde die Entzauberung mit der Welt fördern. Wenn das hart klingt, muss daran erinnert werden, dass Menschen die Auswirkungen, die ihre Mitmenschen auf sie haben, notorisch unterschätzen. Dieses Phänomen ist auch in der Soziologie bekannt. Vom saṃsārischen Standpunkt aus sind nur diejenigen "Verbündeten" von Bedeutung, die uns beim Entkommen aus dem Saṃsāra helfen.

 

Saṃsāra

Abhängig von Kultur, Präferenz und Geschlecht weisen die Menschen engen Beziehungen auf unterschiedliche Art und Weise Bedeutung zu. Vom Standpunkt des Buddha ist das Problem dabei, dass wenige erkennen, dass jeder diese Art von Beziehungen mit allen anderen schon oft hatte:
In SN 15,14 heißt es: "Von unbekanntem Anfang, ihr Mönche, ist Saṃsāra. Ein Anfang der Wesen, die durch das Hindernis der Unwissenheit behindert und durch Begierde gefesselt werden, weiterlaufend, weiterziehend, kann nicht gefunden werden. Nicht leicht kann ein Wesen gefunden werden, das niemals Eure Mutter war."
Selbstverständlich gilt dies umso mehr für Geschwister, Kinder, Liebhaber, von denen man oft viele in jedem Leben hat.33 Dieses Verständnis von Saṃsāra hat tiefgreifende Implikationen für die Kultivierung von Beziehungen. Alle Wesen haben jeden Lebensstil, jedes Geschlecht, jeden Partner, jede Familienkonstellation, jeden Freund bereits viele Male ausprobiert und versuchen es in jedem neuen Leben immer noch wie zum ersten Mal. Ihre Experimente Verbindungen einzugehen, abhängig davon, wie sie miteinander zurechtkommen, führen nirgendwo hin und haben es auch Millionen von Leben nicht getan. Dennoch spielen Beziehungen bei der Befreiung vom Saṃsāra eine Schlüsselrolle.

Der Buddha sagt, dass er keine größere Hilfe für einen finden kann, der Unterstützung dabei sucht, aus dem Saṃsāra auszubrechen, als "edle" Freunde, d.h. diejenigen, die Orientierung bieten und einen dazu ermutigen, auszubrechen.34 An manchen Stellen wird erwähnt, dass edle Freundschaft sogar das ganze heilige Leben ist35, das nur zum Zweck des Entkommens aus dem Saṃsāra geführt wird. Mit anderen Worten, emotionale Verbindungen, die Familie, die Studien- oder Arbeitskollegen, sowie jeder andere, den Menschen umgebende Personenkreis, muss als unwesentlich angesehen werden, im Hinblick auf die Art der Verbindungen, die man zu diesem Zweck eingehen sollte. Aus der saṃsārischen Perspektive sollten nur die Wesen, die für die Entwicklung des Edlen Achtfachen Pfades von unmittelbarer Bedeutung sind, als Freunde gewählt werden. Vom für alle empfindenden Wesen zu entwickelnden Mitgefühl einmal abgesehen, empfiehlt der Buddha, sich nur mit denen gleicher oder höherer Entwicklung zu verbinden.36 Von dieser Warte aus gesehen, scheint jeder andere eine Belastung und eine Zumutung, jemand, mit dem man nur umgehen sollte, um weitere Schwierigkeiten zu vermeiden. Wie?

Verpflichtungen den Eltern gegenüber misst der Buddha große Bedeutung zu, da sie uns Zugang zu diesem Daseinsbereich ermöglicht haben.37 Was sie für uns getan haben wird leicht vergessen und damals wie heute werden sie schnell zu hart dafür verurteilt, vor allem im Hinblick auf unsere absolute Abhängigkeit in der Kindheit, dass sie als Eltern vielleicht nicht die besten waren. Aber gerade so, wie man während der Kindheit auf mehr als eine Art eine ständige Belastung war, so sind sie für den Rest ihres Lebens unsere, und nicht verhandelbare Last. Wann hat man genug für sie getan?
Auf einer rein materiellen Ebene, nie, da man ohne ihr beständiges Opfer einfach nicht als Mensch existieren würde. Nur wenn man ihnen Zugang zu einem guten Daseinsbereich verschafft, indem man sie dazu ermuntert, die notwendige Tugend dafür zu entfalten, kann man davon sprechen, ihre Hilfe zurückgezahlt zu haben.38 Der Buddha gesteht den Eltern sogar das Recht zu, gegen die Ordination zu sein39, d.h. potenziell das Recht, seinen Ausweg aus dem Saṃsāra zu behindern.
Ebenso hat man unterschiedliche Grade von Verpflichtungen gegenüber seinen Ehegatten, Kindern, Studenten, Lehrern, Gästen usw. Im Extremfall kann man militärische Verpflichtungen gegenüber einer Regierung haben - wobei der Buddha niemanden dazu ermutigt, sie einzugehen, da der Tod im Kampf Hölle oder Tierreich als Ergebnisoptionen haben40 - die für die Ordination als Mönch einen Hinderungsgrund bedeuten kann.41
Das sind Verpflichtungen, manchmal auch erfreuliche, aber nicht mehr: saṃsārisch ist es töricht, sich für diese Verbindungen zu begeistern oder sie mit einer besonderen romantische Geschichte zu verbinden. Man sollte ihnen eher entwachsen als sie zu kultivieren, das gilt besonders für emotionale Präferenzen. Aus saṃsĀrischer Sicht ist es um so besser, je weniger Präferenzen man in Bezug auf Kultur, Geschlecht, Alter, soziale Klasse und andere Besonderheiten hat, weil man sich so ohne Vorlieben auf den inspirierenden und "Orientierung gebenden" Wert der Menschen konzentrieren kann: auf ihr Beispiel bei der Kultivierung des edlen Achtfachen Pfads, auf ihre Fähigkeit zu lehren.

Von dem, was hier oft "der saṃsārische Standpunkt" genannt wird, aus betrachtet, in dem nichts anderes als das Entkommen von den die Wiedergeburt verursachenden Befleckungen eine Rolle spielt, sollte sich der ganze Kreis der hundertfünfzig Menschen, mit denen man sich vernünftig verbinden kann, aus Menschen bestehen, die die Befreiung unterstützen. Ihre Ansichten und Werte und wie diese in Wort und Tat ausgedrückt werden, weisen darauf hin, dass die geistige Entwicklung zum Auslöschen des Leidens aus einer buddhistischen Perspektive die einzige wichtige Aktivität ist. Sie fungieren als Inspiration, Vorbilder, Illustrationen, Lehrer, Gesprächspartner, Anbieter von Feedback und anderen Formen der Unterstützung auf dem Weg.
Nach den Berichten, die in den buddhistischen Schriften erhalten sind, wäre das im fünften und sechsten Jahrhundert v. Chr. recht häufig der Fall gewesen. Große Haushalte, wie die von Anāthapiṇḍika's Schwager in Rājagaha oder Meṇḍaka aus Bhaddiya werden erwähnt, die vollständig die fünf Tugendregeln und sogar an den wöchentlichen Uposatha-Tagen die acht Regeln einhielten. Offensichtlich waren diese Haushalte eng mit anderen ähnlichen Haushalten verbunden, teils durch andere Anhänger desselben Klosters, teils durch weitere Verwandte an anderen Orten.

Es ist dokumentiert, dass vor allem die unteren Stufen des Erwachens in diesen Gemeinschaften zahlreich waren. Die Mehrzahl der häufig in den Schriften erwähnten Mönche, Nonnen und Laien hatten Verwandte, die erwacht waren. Die exklusive Liste der fünfundsiebzig ersten Nachfolger allein enthält sieben Verwandte des Buddha und viele weitere der vordersten Nachfolger, die miteinander verwandt waren.42 Die meisten zeitgenössischen Meditationsmeister haben auch in der Übung gut fortgeschrittene Familienmitglieder, genauso wie viele andere Meditierende. Diese miteinander verbundenen Praktizierenden bevorzugen fast unvermeidlich die gleiche Herangehensweise an die Lehre. Während diese Familien eine Vielzahl von Lebensstilen, Berufen usw. haben, werden Praktizierende der Meditation fast nie Anhänger von "rivalisierenden" Lehren werden.
Die buddhistische Erklärung für dieses Phänomen wäre, dass die Menschen in früheren Leben Vorlieben entwickelt und Kontakte gepflegt haben und sich nun zueinander hingezogen fühlen.43 - Gleich und Gleich gesellt sich gern.

Im dafür repräsentativen Majjhima-NikĀya sind die Anlässe, bei denen erwähnt wird, dass Menschen Erwachenserfahrungen gemacht haben, etwa zur Hälfte zwischen Individuen und Gruppen aufgeteilt. Die Gruppen sind jedoch oft groß, sodass die Chance, im Umfeld einer Gruppe erleuchtet zu werden, nahezu genau 100:1 ist. Diese Meditierenden müssen in ihrer Praxis ungefähr auf derselben Stufe gewesen sein und ähnliche Tendenzen gehabt haben, um durch dieselbe Lehrrede so kraftvoll unterstützt zu werden. Diese Sichtweise scheint auch dadurch gestützt zu werden, dass diese Lehrreden in der Regel für individuelle Gruppen unterschiedlich sind. Man kann daher mit relativer Sicherheit annehmen, dass die betreffenden Personen über mehrere Lebensspannen hinweg gemeinsam geübt haben.
Auch jetzt können wir feststellen, dass die Mehrheit der bedeutenden Meditierenden zu einer Gruppe von Praktizierenden gehört. Oft empfinden die Menschen ein Gefühl des Wiedererkennens, wenn sie in ihre Gruppe kommen, als ob sie vorher schon in dieser Gruppe gewesen wären. Jede Anforderung und Eigenart dieser Gruppe fällt ihnen leicht.

Trotz offensichtlicher Unterschiede der Mitglieder scheint es, dass Gruppen sich in ungefährem Einklang entwickeln können. Das liegt daran, dass diejenigen, die ein wenig vorne sind, tendenziell weniger getrieben sind und extrovertiertere, administrative Rollen übernehmen, die ihre geistige Entwicklung verlangsamen. Obwohl der Buddha niemals eine Verzögerung des eigenen Fortschritts für einen anderen empfiehlt, scheint es eine evolutionäre Dynamik ähnlich der in Familien zu geben. Eltern verlangsamen ihre eigene Entwicklung und ihren finanziellen Fortschritt, um ihre Kinder zu einem gewissen Entwicklungsstand zu erziehen und ihnen den Fortschritt in Richtung der unerfüllten Träume der Eltern zu erleichtern. Spirituell Praktizierende fühlen oft eine natürliche Verpflichtung, große Opfer zu bringen, um diejenigen zu unterrichten und zu inspirieren, die ein ähnliches Interesse haben.
Darüber hinaus neigen sozial orientierte Menschen dazu, sich mit anderen in ihrer Gruppe zu vergleichen. Sobald sie einmal fast ganz oben angekommen sind, verlieren viele den Antrieb, zumindest für eine gewisse Zeit, als ob sie sich erst an das neue Stadium gewöhnen müssen. Die optimal motivierende Mischung ist eine der gesunden Stabilität, klarer Zielorientierung und tiefe Daseinsbangnis auf der grundlegendsten spirituellen Ebene.

Interessant ist, dass trotz der Tatsache, dass viele Menschen hart an ihrer eigenen Transformation arbeiten, oft über Jahre, gelegentlich über Jahrzehnte hinweg, sich die Art des Nachfolgers, die sie in ihrem System sind, relativ schnell (typischerweise innerhalb ein oder zwei Jahren) zeigt und sich normalerweise danach nicht ändert. Hier sind einige dieser Typen:

1. Sympathisanten
Es gibt diejenigen, die kurzfristige Begegnungen mit der Lehre gehabt und nie eine größere Verbindung darüber hinaus verfolgt haben. Dennoch ist ihre Weltanschauung durch diesen Ansatz bedingt und sie werden sich mit ihm wohl fühlen, während sie sich anderen Ansätzen gegenüber etwas distanziert fühlen. Dieses System ist ihr Zuhause. Es ist dieses Gefühl, das sie - und alle nachfolgenden Gruppen - zu Anhängern ihres Systems macht, im Gegensatz zu herumirrenden Menschen, die sich zu nichts verpflichtet fühlen, die eklektisch denken und üben oder Außenstehenden, die sich innerhalb der Grenzen eines anderen Systems aufhalten oder praktizieren.

2. Unterstützer
Einige von ihnen unterstützen ein Kloster oder bestimmte Lehren über Jahre oder Jahrzehnte, aber ihr Engagement für die Praxis ist lässig. Viele Dorfbewohner aus Dörfern, die im Umkreis großer Klöster liegen, fallen in diese Kategorie, aber auch Anhänger aus größeren Städten, die den Lehren der vortragenden Mönche zuhören mögen, aber wenig Zeit oder Ambitionen finden, diese Lehren tatsächlich zu praktizieren. Sie fühlen sich vielleicht nicht intellektuell befähigt genug, um ihre Herangehensweise selbstbewusst mit der der anderen zu vergleichen, aber dennoch fühlen sie sich damit auf eine sehr starke oder ausschließliche Weise mit diesem Ansatz wohl und verbinden sich mit Menschen, die auf die gleiche Weise fühlen.

3. Hauptstützen
Das sind Unterstützer im Inneren des Systems: Mönche, Nonnen und Laien, die sich um das physische Kloster kümmern. Oft haben sie ein gutes Einschätzungsvermögen für die Sitten und Spieler im System, sind aber dabei relativ wenig involviert, was eine feinere Analyse der intellektuellen Aspekte des Systems oder erhebliche Meditationserfahrungen betrifft. Obwohl sie viel über die Lehre hören, werden sie oft mehr durch den besonderen Stil des Systems als durch intellektuelle Inhalte beeinflusst.

4. Administratoren
Das sind Mönche oder Laien, die mit ernsthaftem Interesse, sich umzugestalten, beginnen und für eine kurze Zeit intensiv praktizieren. In dieser Zeit erwerben sie eine gewisse "reflektierende Akzeptanz" der Lehre44 und einige meditative Erfahrungen (wie zum Beispiel Verzückung oder andere Arten von Geistesruhe). Diese Phase vergeht jedoch schnell, und für die meiste restliche Zeit ihrer Zugehörigkeit sind sie mit dem Ausführen der geschäftlichen Aspekte dieser Klöster oder Zentren beteiligt. Diese Menschen, vor allem die Mönche, haben sich mehr mit der Lehre beschäftigt als die vorherigen Gruppen.
In der Regel sind sie der Struktur sehr ergeben und ihr Hauptinteresse wird politisch. Ihr enger Kontakt mit den Führern und Publikationen des Systems macht ihre Zugehörigkeit und Identifikation mit diesem Stil zum zentralen Teil ihres Lebens. Während die vorhergehenden Gruppen theoretisch ohne besonderen intellektuellen Schmerz zu einem charismatischen Außenseiter wechseln könnten, hat diese Gruppe so viel in die Abgrenzung ihrer Gruppe investiert, vor allem in Bezug auf Rivalen, dass ihre Bindung sehr tiefgreifend ist.

5. Entwickler
Diese Menschen sind Langzeit-Studenten in ihrem System, aber sie schaffen es, sich aus der leicht zu Streit führenden Welt der Verwaltung und der lokalen Politik, herauszuhalten. Sie verfolgen mit unterschiedlichem Erfolg die Entwicklung des Pfades entsprechend dieser Lehre. Häufig sind sie reflektierter und nicht ganz so eindeutig in ihrer Zustimmung zu ihrer Lehre, wie die vorherige Gruppe - ein Teil von ihnen mag sogar eine Opposition sein oder als Opposition betrachtet werden - und ihre Beteiligung an ihrer Glaubensrichtung ist typischerweise tiefergehender. So wie sich die "verlorenen Söhne" oft nicht weit von der Heimat entfernen, ist vieles von dem, was von den Vertretern der Parteilinie als "Opposition" betrachtet wird, in der Tat ein etablierter Anhänger des gleichen Systems.

6. Anführer
Diese Gruppe setzt sich teilweise aus Administratoren zusammen, aber vor allem auch aus Menschen mit ungewöhnlichem Talent, die von Anfang an auf diese Positionen vorbereitet wurden. Anführer können Stellvertreter für Äbte, Leiter von Klosterzweigstellen oder gelegentlich Laienlehrer sein. Sie unterscheiden sich von den Administratoren darin, dass sie Sprecher für die Lehre sind. Ihre ganze Existenz hängt von ihrem System ab. Auch haben sie das Privileg, die Richtung ihrer Schule zu ändern. Typischerweise beginnen sie ehrgeizig und enden etwas stumpf und nachgiebig.
Arahants handeln hier frei von Befleckungen. Aber auch im Falle des Buddha ist dieser Bogen von höchst elitärer Förderung der Fähigkeiten seiner Schüler bis hin zum Führen eines teilweise korrupten und geregelten Massenbetriebs, der unter dem Reichtum und einer weit verbreiteten Degeneration leidet, zu sehen. Nur die allerbesten Führer bewahren dabei einen kühlen Kopf und führen ihre Gruppe durch aufeinanderfolgende Stadien der Kommunalisierung zu einer Unabhängigkeit, die ihr Charisma überlebt.

Es gibt natürlich verschiedene Untergruppen, Ausnahmen und ungewöhnliche Fälle. Ausnahmen sind beispielsweise Einsiedler unterschiedlicher Unabhängigkeitsgrade oder echte Freidenker, die in einem vorhandenen System vorankommen. Gegensätzliche Systeme - Denkansätze, die sich als Reaktion auf empfundene Missstände von etablierten Systemen ergeben - haben unterschiedliche, freier angelegte Rollen, abhängig davon, wie entwickelt und offensiv sie sind. Sehr häufig sind sie karmisch eng mit Administratoren oder Führern verbunden. Konflikte verbinden die Parteien miteinander, während sie glauben, dass sie sich diametral gegenüberstehen. In anderen Fällen wird die Opposition zum Establishment, sobald sie die Macht erlangt, wie es auch in demokratischen politischen Systemen ein gewohntes Muster ist. Ihre karmische Last wirkt wieder anziehend auf die interne Opposition usw. usf.
Während manche Opposition eine reinigende Wirkung haben kann - der Buddha ermuntert zu Ermahnungen ungeachtet des Ordensalters45 - ist sie meistens spaltend, indem sie alle Beteiligten in eine konfrontative, ablenkende, komplexe Lage bringt, die die Meditation und den Fokus auf die saṃsārische Perspektive stört. Die allseitig gesündeste Form des Umgangs mit Unzufriedenheit ist der Rückzug und die Intensivierung der Anstrengungen, das Aufzeigen besserer Alternativen, anstatt Fraktionen zu errichten, welcher Art auch immer. Eine Spaltung in einem Saṅgha zu verursachen ist eine der unheilsamsten Formen von Karma, die ein Wesen machen kann46 und sogar die Unterstützung dafür ist einer der schwersten Verstöße gegen die Mönchsregeln47.

Derart typisierte Schichtungen sind in solchen Systemen sehr häufig und leicht erkennbar von jedem der Zeit darin verbringt. Die Stabilität der angenommenen Rollen deutet darauf hin, dass es sich um Stufen in der Verbindung mit einer Lehre handelt. Es wäre allerdings absurd zu sagen, dass es sechs Lebensspannen dauert, um ein Führer in einem solchen System zu werden. Viele der oben erwähnten Rollen sind eher durch Temperament als durch spirituelle Entwicklung bedingt. In einigen Fällen kann eine wesentliche spirituelle Entwicklung aus anderen Quellen kommen.

Vielleicht ist es aber nicht so absurd zu spekulieren, dass eine Mehrheit der Menschen, die in diesem Leben ernsthaft mit der buddhistischen Meditationspraxis verbunden sind, bereits einige, die meisten oder alle Menschen kennen, mit denen sie schließlich erwachen werden. Während das zwar spekulativ ist, ist es für verschiedene Aspekte des Lebens von großer Bedeutung.
Richtig verstanden, weist es darauf hin, dass es sich hier um die wichtigsten Verbindungen im Leben handelt. Das Finden und das Kultivieren des Umgangs mit diesen Menschen ist wichtiger als jede andere äußere Aufgabe.
Bei den meisten Verbindungen überlassen wir die Art und Weise, wie sie sich entfalten, dem Zufall. Wenn man jedoch versteht, wie Kamma funktioniert, ist es besser, diese besonderen Beziehungen mit einem klaren Blick auf die Resultate zu pflegen.

Kleine (oder große ) Fehler und Kontroversen können im Hinblick auf das größere Bild und eine langfristige Verbindung übersehen werden. Als Folge davon werden auch eigene Unzulänglichkeiten gleichermaßen ertragen und es kommt zu keinen lang anhaltenden Verbitterungen.
Diesen Verbündeten nützliche Dinge zu lehren oder sie mit der Lehre zu versorgen, kann sich auf verschiedene Weise auszahlen. Man kann seine Einsichten im jeweiligen Jargon oder Umgangston der Gruppe artikulieren (manche Menschen fühlen sich zunächst vor allem wegen ihres vertrauten Umgangstons von einer Gruppe angezogen), später wird man möglicherweise Lehrunterweisungen von ihnen erhalten und die gesamte Atmosphäre wird kultivierter. Sie mit anderen Leuten der endgültigen Gruppe in Verbindung zu bringen, kann dazu führen, dass man später einmal wieder durch sie verbunden wird.48
Verbündete in materieller Hinsicht zu unterstützen ist ebenfalls von vielfachem Nutzen. Man wird reich werden, d.h. unabhängig, was wiederum hilft, das Vorhaben zu unterstützen. Das Band wird durch Dankbarkeit und Verpflichtung gestärkt, sodass die oben genannten Bedingungen tatsächlich viel leichter eintreten und es fast wie geschmiert läuft. Das karmische Ergebnis einer angenehmen Umgebung verbessert oft die Harmonie in der Gemeinschaft. Elend führt tendenziell zu Verfehlungen und Konflikt. Ghettos sind Brutstätten für Verbrechen, während Menschen mit normalen Konfliktniveaus dem vermutlich nicht mehr ausgesetzt sind, wenn sie in einem himmlischen Bereich wiedergeboren werden.
Kurzum, je mehr man dieser erlesenen Gruppe dienen kann, in der man erwachen wird, desto besser ist es für alles und jeden. Alles andere in der Beziehung - Status, Kompetenz, recht zu haben - ist nicht so wichtig. Genauso wie man in diesem Leben nicht wirklich von seiner Familie wegkommt (zumindest lebt sie permanent in unseren Köpfen und Herzen), sind diese "Waffen-Brüder und -Schwestern" per Definition bis zum glorreichen Ende bei uns. Alles sollte also in Gemeinschaft mit ihnen besser sein: das Verhalten, die Bereitschaft zu vergeben, die Rede, die Großzügigkeit und der Ernsthaftigkeit im Allgemeinen.

Jegliches Streben nach Macht oder Überlegenheit stellt man besser auf eine kammische Grundlage, zum Beispiel, indem man entsprechende karmische Ursachen erschafft, wenn es wirklich wichtig für das eigene Wohlbefinden ist. Direkt angestrebt, werden solche Machtspiele nicht nur das Gegenteil des erhofften Ergebnisses bewirken, sondern auch zu einer Spannung zwischen denen, die Freunde sein sollten, führen. Solche Dinge passieren zu einem gewissen Grad in den meisten Gruppen und sind zu einem hohen Grad reversibel. Aber das bedeutet erhebliche spirituelle Einbußen und kostet viel Zeit, und gesegnet sind diejenigen, die keine Zeit für diese Art der Läuterung aufbringen müssen.

Den größten Anteil dieser Verbindungen sollte die Freude ausmachen, die Lehre wie eine "Liebe auf den ersten Blick" wiederzuerkennen, ein sofortiges Gefühl der Nähe mit den anderen Schülern zu haben, raschen Fortschritt in der Praxis zu erfahren und leicht und erfolgreich mit Freunden und Familienmitgliedern über die Lehre sprechen zu können. Wenn das geschieht, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass man die Lehre während dieser Lebensspanne verlieren wird, was es wiederum erschwert, sie in zukünftigen Leben zu verlieren. So beginnt man und pflegt einen tugendhaften Kreislauf von steigendem Nutzen und Sicherheit.

Bei der Auswahl einer Gruppe spielen Vorlieben und scheinbarer Zufall immer eine Rolle. Es ist aber wichtig, zumindest in Bezug auf zwei Punkte gewissenhaft zu sein. Zum einen sollte eine Gruppe, die bei der rechten Ansicht Kompromisse eingeht, sorgfältig vermieden werden, egal wieviele gute Eigenschaften sie anderweitig haben mag. Besonders falsche Ansichten in Bezug auf Karma und erneutes Werden (d.h. Verleugnung) oder Einschränkungen der Lehren über Nicht-Selbst und das Leiden sind Gift für die eigene Entwicklung. Der Buddha nimmt eine extrem starke Haltung gegenüber Mönchen ein, die bei diesen Ansichten schwammig sind.49
Des Weiteren sollte jedes System, das respektlos gegenüber den kanonischen Lehren oder darin vorgegebenen Einschränkungen ist, mit großer Vorsicht betrachtet werden. Das sind etwas heikle Vorbehalte, denn viele großartige Meditierende sind antiintellektuell und haben nur wenig Wissen und Verständnis von den Schriften. In Kombination mit einem ausgeprägten Charakter oder einer provokativen Persönlichkeit, können Lehrer wie Ketzer klingen, auch wenn viele andere Anzeichen auf große Errungenschaften hindeuten.
Es ist jedoch bemerkenswert, dass viele solcher Lehrer nicht ganz so erfolgreich bei Schülern sind, die andere Fähigkeiten oder Ausgangspunkte haben als sie selber. Mit anderen Worten, während ihre Darlegung der Lehre beeindruckend oder interessant klingen mag, erzielt sie keine Ergebnisse. Wichtig in schwierigen Fällen wie diesem, sind fundierte Kenntnisse des Kanons und manchmal ein Sinn für Humor. Letztlich muss man Zuflucht zum Dhamma, der Lehre des Buddha, nehmen.50
Zweitens ist es wichtig, Menschen zu vermeiden, die Charakterfehler haben, wie die oben erwähnte Respektlosigkeit, und die Schwierigkeiten damit haben, ermahnt zu werden. In AN V,146 warnt der Buddha vor der Freundschaft mit einem Mönch, der landwirtschaftliche oder vermutlich auch anderweitige Arbeit überwacht, der in Auseinandersetzungen gerät und Feindseligkeit gegenüber herausragenden Mönchen hegt. Wut ist ein wichtiges Warnzeichen. Der Buddha empfiehlt, Menschen zu meiden, die grundsätzlich anfällig für Ärger sind.51 Auch wenn der Zorn nicht gegen einen selbst gerichtet ist, wird eine solche Person immer eher weltliche Aufgeregtheit und Konflikte in die Praxissituation hineintragen. Menschen um ihn oder sie herum werden beklommen oder verschlossen. Eine solche nach außen gerichtete Besorgnis ist das Letzte, was man bei einer intensiven Übung braucht, die Verinnerlichung zum Ziel hat. In einer Übungsgruppe sollte jeder das Gefühl haben, offen sein zu können, Fehler machen oder seine Schwächen zeigen zu dürfen, ohne unangenehme Konsequenzen auf sich zu ziehen. Tatsächlich können solche Mängel eine Gruppe stärken, wie die starken Bindungen beweisen, die von denen gebildet werden, die zusammen prägende Zeitspannen durchleben, seien es Teenager-Cliquen, Militär-Bootcamps, Privatuniversitäten oder die häufig demütigenden Klosterstrukturen.

Zwei weitere Arten von Mönchen, die zu vermeiden sind, werden vom Buddha erwähnt: Es sind diejenigen, die lange Zeit ziellos herumwandern und diejenigen, die nicht in der Lage sind, über den Dhamma in einer inspirierenden Weise zu sprechen. Oft haben solche Mönche einen angenehmen Charakter und kennen viele Geschichten. Ein häufiger Wechsel der Gemeinschaft trainiert ihre Anpassungsfähigkeit. Aber genauso wie ungebackener Teig zur Ernährung nicht taugt, weil er nicht richtig verdaut werden kann, hilft die oberflächliche Ruhelosigkeit dieser Art zu leben nicht bei der Entwicklung von Reife.
Die genannten Eigenschaften sollen beispielhaft dafür stehen, dass solche Charaktere zu vermeiden sind, auf welche Art sie sich auch manifestieren mögen. Die Crux ist immer, inwieweit die eigene Reife in Richtung Stromeintritt und darüber hinaus entwickelt wird. Der Buddha empfiehlt jedes Umfeld zu verlassen, in dem es keine Hoffnung gibt, den edlen achtfachen Pfad zu entwickeln, auch auf die Gefahr hin, unhöflich zu sein.52

 

Grundlegende Arten von Beziehungen

Während die Interaktion unter den Menschen und ihre Eigenheiten zeitweise grenzenlos erscheinen, gibt es nur relativ wenige Arten von Beziehungen. Soweit es die Verbündeten betrifft, gibt es sogar noch weniger davon. Es ist nützlich, sich gut zu überlegen, welche Arten von Beziehungen man eingeht, weil so Missverständnisse und die Verschwendung von Ressourcen vermieden werden können.

Die klassischste spirituelle Beziehung ist die zwischen Lehrer und Schüler. Es scheint, dass diese Rollen in der Regel über mehrere Lebenszeiten stabil bleiben. Der Buddha scheint ein Anführer gewesen zu sein, wenn er (in früheren Existenzen) nicht gerade direkt von einem Buddha lernte. Die Schüler in seiner Nähe waren in vielen Leben seine Schüler. Einige Berichte deuten darauf hin, dass das ein allgemeines Muster ist. Wenn man einen Lehrer trifft, ist es deshalb gut, sich zu überlegen, ob man für viele Leben sein oder ihr Schüler sein möchte. Fühlt man sich verstanden? Stimmen die Prioritäten überein? Passt das Maß der Individualisierung zum eigenen Stil?
Ebenso kann ein Lehrer darüber nachdenken, auf welche Fähigkeit er seinen Stil größtenteils konzentrieren möchte und welche Art von Umgangston, z.B. zwanglos oder reserviert, er als am hilfreichsten findet. Bekommt er die Ergebnisse, die er will, mit den Methoden, die er benutzt? Oder möchte er überhaupt ein Lehrer sein? Viele Lehrer enden etwas widerstrebend in ihrer Rolle und schwelen dann in ihr, teils das Drum und Dran genießend, teils sich über ihren Mangel an Abgeschiedenheit beklagend. Das ist für die Schüler verwirrend und führt in der Regel nicht zu einer besonderen Zukunft, geschweige denn zu einer befriedigenden.

Ein weiterer überflüssiger Reibungspunkt kann die Stärke des Interesses sein, die der Schüler daran hat, tatsächlich zu lernen. Viele Schülerinnen und Schüler fühlen sich am glücklichsten, wenn sie ihren Lehrer logistisch unterstützen. Sie profitieren ein wenig von der Unterweisung des Lehrers und erfreuen sich an seinem Beispiel, aber sie wollen nicht intensiv eingebunden werden. Sie fühlen sich dem vielleicht nicht gewachsen oder wollen die Art der Demütigung nicht, die echtes Lernen oft impliziert - ein Unterstützer zu sein, kann zudem eine ziemliche Machtposition darstellen. Der Lehrer kann wiederum finden, dass der Unterstützer sehr von einer etwas härteren Arbeit profitieren könnte, oder er fühlt sich für die Unterstützung verpflichtet und möchte daher etwas zurückgeben. Wenn die Unterschiede der bevorzugt eingenommenen Rollen nicht verstanden werden, kann das Entwickeln einer guten Verbindung ernsthaft gestört werden.

Eine flexiblere Art der Beziehung ist eine gleichberechtigte Freundschaft. Diese Kontakte erlauben es aufgrund ihrer geringeren Exponiertheit und der größeren Möglichkeit, sich gegenseitig Feedback zu geben, vertrauter miteinander umzugehen und mehr zu experimentieren.
Die wichtigsten Unterschiede liegen hierbei in den Zielen. Arbeiten die Freunde gemeinsam auf das gleiche Ziel hin? Arbeiten sie jeder für sich auf das gleiche Ziel hin, vielleicht sogar miteinander wetteifernd? Oder arbeiten sie einzeln auf verschiedene Ziele hin?
Offensichtlich können die mächtigsten Verbindungen von der gemeinsamen Arbeit für das gleiche Ziel erwartet werden. Durch den persönliche Umgang während eines Projektes wird eine besondere Art von Intimität geschaffen, die ganz anders ist als eine unverbindliche Freundschaft. Sich gegenseitig zu inspirieren, aber auch über Unterschiede zu diskutieren, dient nicht nur dazu, seine Arbeit zu erledigen, sondern auch, sich kennenzulernen.

Wenn es das Ziel ist, sich weiterzuentwickeln oder zu erwachen, muss jeder selbständig arbeiten. Wenn man wahrnimmt, dass der nächste Schritt aufgrund eines ähnlichen Entwicklungsstands gleich ist, können Gespräche eine große Tiefe haben, die informieren, unterweisen und in einer Weise inspirieren können, wie es das nur bei wenigen anderen Beziehungen gibt. Es kann hier sogar ein Plus sein, das man sich nicht, wie in der vorherigen Gruppe, gegenseitig ins Gehege kommen kann.

In vielen Fällen mag die Freundschaft eng sein, aber man arbeitet an verschiedenen Zielen. Beim Sammeln von Verbündeten stellt sich die Frage, wieviel man von der Praxis des anderen erkennen und lernen kann. Kann die Freundschaft zweier Freunde, die verschiedene Fächer an verschiedenen Universitäten studieren, von dieser Konstellation profitieren? Nur nett zu einander zu sein, wird nicht wirklich wertvolle Bande knüpfen. Mit Geschick hingegen kann es hilfreich sein, aus den Fehlern eines Freundes zu lernen oder sein Wachstum zur Inspiration zu nutzen.
Meditationszentren, die es den Schülern untersagen über ihre Meditationserfahrungen zu sprechen, machen diese Vorteile zunichte. Zur Zeit des Buddha scheinen solcherart Diskussionen ziemlich verbreitet gewesen zu sein.

Es scheint, dass sich die meisten Leute einer bevorzugten Rolle verschrieben haben und nach Situationen suchen, die diese bestätigen. Das ist insofern wichtig zu erkennen, als in Beziehungen ein großes Maß an Frustration von unterschiedlichen Erwartungen kommt. Ein Freund sucht vielleicht Freunde, um an einem Projekt zu arbeiten, während sein engster Freund es vorziehen mag, "Arbeit und Vergnügen" zu trennen. Genau der Unterschied in dem, was sie suchen, kann zu großer Frustration führen, wobei beide das Gefühl haben, dass ihre eigene Priorität die bessere sei.
Im Allgemeinen ist es in diesen Fällen am besten, seinen Mitmenschen ihre bevorzugten Rollen zu lassen. Sie können von längst vergessenen Lektionen aus einer fernen Vergangenheit stammen und des öfteren das Unbewusste fest im Griff halten. Keiner der großen Jünger des Buddha scheint seinen Charakter stark verändert zu haben. Ein sinnlicher Mönch, wie Buddhas Halbbruder Nanda, mag vielleicht gezügelt geworden sein oder ein störrischer Mönch, wie der Ehrwürdige Channa mag schließlich demütig geworden sein.
Im Großen und Ganzen aber neigen die Leute dazu, ihre Untugenden loszuwerden, ohne dabei ihren Charaktertyp zu ändern. Das bedeutet, dass man bei vielen Freunden, Lehrern, Schülern oder Unterstützern das Prinzip "leben und leben lassen" anwenden muss, während man weiter die Augen nach Verbündeten offen hält, nach den Leuten der "Arbeitsgruppe", welche die Anstrengungen zum Erwachen verstärken kann.

 

Einen Lehrer finden

Das Caṇkī-Sutta53 stellt eine Blaupause dafür dar, wie man eine erste greifbare Orientierung bekommen kann. Darin geht man nicht davon aus, dass der Guru kommen wird, wenn der Schüler dazu bereit ist, sondern dass der Schüler proaktive Schritte unternimmt, um seine oder ihre existentielle Situation zu klären. Der erste Schritt ist es, einen Ordinierten zu finden, dem man Fragen stellen kann.
Der Buddha hatte sehr fortgeschrittene Laienanhänger, von denen viele ausgezeichnete Lehrer waren.54 Umgekehrt scheinen viele seiner Mönche ziemliche Luftnummern gewesen zu sein. Dennoch macht diese Verallgemeinerung durchaus Sinn, denn im Großen und Ganzen wird jemand, der sich hauptberuflich einem Interesse verpflichtet und dabei ein erhebliches Opfer bringt, wahrscheinlich mehr über sein Fachgebiet wissen. Ordinierte absorbieren auf geradezu osmotische Weise jede Menge Dhamma.
Vergleichbar mit Autodidakten mögen Laienlehrer zwar einen oder mehrere Teilbereiche der Lehre auf eine beeindruckende, sogar überragende Weise gemeistert haben, gleichzeitig fehlt ihnen aber auch oft der Überblick über die einfachsten Aspekte des Dhamma-Lebens. Sogar in Bezug auf Mönche, die erst später im Leben ordinieren, sagt der Buddha, dass sie in der Regel kein umfassendes Verständnis der Lehre haben.55 Nicht immer sind die negativen Konsequenzen für solche Fehleinschätzungen vernachlässigbar. Solche Lehrer mögen berühmt sein, weil sie in der Lage sind, die Lehre für den einfachen Konsum zu verpacken. Dieser einfache Konsum kann jedoch erheblich auf Kosten von Reinheit und Orientierung gehen. In manchen Fällen weisen sie sogar ihre Schüler an, nicht zu ordinieren.

 

Gruppen - Hierarchie vs Anarchie

Gesellschaften, Volksstämme, Großfamilien und andere Gruppen enthalten weitere, kleinere Gruppen von vorübergehender oder länger anhaltenden Verbindungen. Die meisten Menschen gehören zu jeder beliebigen Zeit mehreren dieser Gruppierungen an.
Die mächtigsten dieser Gruppen bieten Stoff für Legenden ("Die sieben Samurai", "Die zwölf Apostel", "Die Rolling Stones"), die ihren Fans feuchte Augen bescheren.
Diese Gruppen haben bestimmte Eigenschaften. Sie sind in der Regel relativ klein, zwölf ist schon eine sehr große Zahl. In Schulklassen ist zwölf die Zahl, bei der sich der Unterricht leicht von einer Diskussion am runden Tisch zum Frontalunterricht verschiebt. Davon profitieren vor allem Personen, die ein bisschen an Schafe erinnern, die gern in der in der Herde verschwinden und simples "Wiederkäuen" bevorzugen. Menschen mit ungewöhnlichen Begabungen, Rebellen und Schüler, die Herausforderungen suchen, bleiben dabei jedoch auf der Strecke. Es wird auch gesagt, dass in einer Gruppe mit mehr als zwölf Personen jede weitere Person die wahrgenommene Größe verdoppelt, und es somit schwieriger macht, effektiv als Gruppe zu arbeiten. In der Praxis scheint die optimale Größe einer Gruppe zwischen drei und fünf zu liegen; größere Gruppen tendieren dazu, sich in Untergruppen zu aufzuspalten.

Jeder, der nur dabei ist, weil er gern Teil einer Gruppe interessanter Menschen sein möchte, schwächt die gesamte Gruppe. Aus diesem Grund versuchen einige Kampfsportvereine oder Goenkas Richtung der VipassanĀ-Meditation, Hilfe von jenen zu vermeiden, die sich nicht in ihrer Kunst üben. Was die Mitglieder einer wahrhaft starken Gruppe zusammenbringt und -hält, ist ihr gemeinsames Ziel und ihre hochentwickelte Leistungsfähigkeit. In gewisser Weise sind diese Gruppen eine Anhäufung von Paradoxien.
Die Mitglieder müssen zum Teil ähnliche Fähigkeiten im gleichen Bereich haben, und doch müssen sie auf verschiedenen Gebiete spezialisiert sein. Sie müssen in der Lage sein, über lange Zeiträume hinweg selbständig zu arbeiten - der Begriff "Zehnjahresregel" wird von Forschern für die Entwicklung von Spitzenleistungen verwendet - was sie oft zu einem Leben in der Isolation verurteilt. Doch gleichzeitig müssen sie in der Lage sein, zusammenzuarbeiten, sich in andere einzufühlen, Kompromisse zu machen oder sich der Gruppe zu unterzuordnen. Formen von Exzentrizität gibt es häufig und sie sind oft von Vorteil, aber genauso oft treiben sie diese Gruppen auseinander.
Eine offene Frage ist, ob Gruppen stärker sind, wenn sie hierarchisch strukturiert sind oder wenn sie sich auf anarchische Weise selbst organisieren. Es scheint, dass klare, relativ einfache Aufgaben, die wie bei militärischen oder anderen kriminellen Aufgaben auf eine zeiteffiziente Ausführung angewiesen sind, von einer einfachen Top-down-Befehlsstruktur profitieren. Ziele, die kreative Lösungen (Kunst, Erfindungen, Forschung, Politik) oder persönliches Wachstum (Rehabilitation, Meditation) erfordern, werden eher von der niedrigen Hemmschwelle sich gegenseitig Feedback zu geben, wie es in gleichberechtigten Gruppen der Fall ist, profitieren.
In der Praxis überlappen sich diese beiden Bedürfnisse oft. Eine gesunde Gruppe wird ihre Struktur in Richtung eines hilfreicheren offenen oder starren Systems verbessern, je nachdem, was erforderlich ist. Häufig hemmen Eigenheiten, Machtinteressen und die Angst, etwas zu verändern, was schon einmal funktioniert hat, solche Anpassungen; das Ergebnis ist dann das Ende der ruhmreichen Tage dieser Gruppe. Vor allem die weisheitsbezogenen Fähigkeiten der Selbstreflexion, die Bereitschaft zum Experimentieren und Kompromissfähigkeit bieten einige Lösungen für solche Sackgassen.

Im Hinblick auf die Entwicklung des edlen achtfachen Weges ist der wichtigste Faktor für die Bestimmung der Qualität einer Gruppe die spirituelle Entwicklung der Mitglieder. Alles andere zählt wenig.56
Dabei gibt es vor allem zwei Unterschiede zu den meisten anderen Gruppen. Der Gruppenprozess kann und sollte mit einer angemessenen Distanz wahrgenommen werden. Gemeinschaften, die sich zu sehr in der Politik ihrer Struktur verfangen, neigen dazu, Abstriche bei ihrer Entwicklung zu machen. Diese Losgelöstheit macht es einfacher Kompromisse einzugehen. In Mvg X,466 sagt jeder einzelne der Ehrwürdigen Anuruddha, Kimila und Nandiya, die zusammen leben wie Milch und Wasser und sich gegenseitig mit Zuneigung ("piya-cakkhu") anblicken, angesichts der seltenen Qualität ihrer Freundschaft erachte er seine eigenen Vorlieben für weniger wichtig als die seiner Freunde:
"Ich denke also: "Es ist ein Gewinn für mich, es ist ein großer Gewinn für mich, dass ich mit solchen Begleitern im heiligen Leben lebe. Ich bewahre körperliche, sprachliche und geistige Handlungen der liebenden Güte gegenüber jenen Ehrwürdigen - sowohl offen als auch privat. Ich erwäge: 'Warum soll ich nicht beiseite legen, was ich tun möchte und tue, was diese Ehrwürdigen tun wollen?' Dann habe ich beiseite gelegt, was ich tun möchte und tue, was diese Ehrwürdigen tun wollen. Wir haben verschiedene Körper, ehrwürdiger Herr, sind aber wie eine Person im Geist."

Wie oben erwähnt, kann man die Gruppe oder sogar den Lehrer verlassen, wenn es zu sehr auf die eigenen spirituellen Kosten geht, auch wenn das unhöflich erscheint. Einem Mönch, der in einer Umgebung lebt, die weder seinen materiellen noch spirituellen Bedürfnissen gerecht wird, wird geraten, sein Kloster zu verlassen, auch ohne sich offiziell zu verabschieden.57 Der gleiche Punkt wird im Suttanipāta gemacht:

"Wenn einen weisen Freund man findet,
als Weg-Gefährten, edel lebend, kraftvoll,
jedwede Widrigkeiten überwindend,
mag wandern man mit ihm, beglückt und achtsam.

Wenn keinen weisen Freund man findet,
als Weg-Gefährten, edel lebend, kraftvoll,
gleich einem König, der besiegtes Land verlässt,
allein mag wandern man, dem Nashorn gleich."58

Es ist fraglich, ob diese Empfehlung für einen Mönch auch während der verpflichtenden Abhängigkeit der ersten Jahre59 seines klösterlichen Lebens oder während einer möglicherweise langen oder ungerechten Bußperiode (Suspendierung) gilt. Möglicherweise wurde die Lehrrede gehalten, bevor die in Mvg 103 enthaltenen Regulierungen vorhanden waren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit gilt diese Empfehlung nicht für ungebildete bzw. "törichte" Ordinierte.60 Auch für Wandermönche, die allein unterwegs waren, gab es eine Ausnahmeregel.61

Saṃsārisch gesehen würde man davon ausgehen, dass die Praxis über alle anderen Überlegungen hinausgeht und einen Lehrer in einer normalerweise unangemessenen Weise zu verlassen, wird explizit erwähnt. In der Praxis jedoch neigen Mönche, die in ihren ersten Mönchsjahren von Lehrer zu Lehrer ziehen, dazu schnell zu disroben. Bemerkenswerterweise gibt der Buddha die Empfehlung, sofort zu gehen in MN 17 nur, wenn die materiellen Bedürfnisse nicht erfüllt sind. Das Problem mit der Suche nach besseren Übungsbedingungen ist, dass das in der Regel nicht die Ursache für die Stagnation des Schülers ist. Lernen durch Versuch und Irrtum ist hier die Marschrichtung. Die gemachten Fehler müssen nicht zum Schaden sein, insofern als viel Weisheit und Humor in Bezug auf die wahren Ursachen des Leidens auf dem Weg erlangt werden kann.

 

Möglicherweise trügerische Verbindungen

Laut "Wahrig - Deutsches Wörterbuch" kann das Wort "trügerisch" die Bedeutung haben "trügend, täuschend, irreführend, falsch", zweitens "äußerer Schein", drittens "(Boden, Eis) gibt nach, bricht ein, trägt nicht, obwohl es fest scheint". D.h. es scheint verborgene oder unvorhersehbare Gefahren zu enthalten. Hier sind beide Arten oder auch die eine oder andere Art dieser Bedeutungen gemeint.
Menschliche Beziehungen sind komplex und die unvermeidliche Vereinfachung bei der Gliederung solcher Erfahrungen erzeugt leicht den Eindruck einer übermäßigen, möglicherweise autobiographisch entstehenden Voreingenommenheit. Dennoch gehören Warnungen zu den wichtigsten Arten von Informationen. Besonders nützlich - ebenso wie in der Regel vergeblich - sind Warnungen vor den versteckten Gefahren schöner Dinge. Dass das Leben voller Enttäuschungen ist, also voller Desillusionierung über Dinge, von denen jeder weiß, dass sie trügerisch sind, ist ein Beweis für diese Gegebenheit.

Im Hinblick auf Verbündete sehen einige Formen der Nähe vielversprechend aus, aber erfahrungsgemäß erweisen sie sich in den meisten Fällen als katastrophal. Einer meditierenden Person, die sich in einen anderen Meditierenden verliebt, scheint das die Lösung sehr vieler Probleme zu sein. Die Ewigkeitswahrnehmung, die neben dem Daseinstrieb die sinnliche Liebe erzeugt, scheint sich nahtlos mit einer langfristigen Perspektive gemeinsam über mehrere Leben zu praktizieren einzufügen. Kanonische Nachweise zeigen auch viele Paare, die gemeinsam geübt haben.62
Etliche haben aber auch beschlossen, sich zu trennen, bevor sie die Übung vollständig auf sich nahmen. (Der Buddha und Yasodhara; auch Buddhas Eltern übten wohl separat; ebenso wie die Ehrwürdigen Kassapa und Bhaddā Kappilānī.) In der Praxis schlagen Versuche, den Kuchen zu essen und ihn trotzdem zu behalten, oft fehl. Die Verschwendung von Zeit und Energie, die obsessive Fixierung auf sinnliche Wahrnehmungen, die Persönlichkeitsentwicklung und ihre anschließende Schwächung, die Verwirrung zwischen spiritueller und weltlicher liebender Güte, sie alle fordern ihren Tribut in Form von frustrierten Wünschen.
Nur werden hier die Ergebnisse auf gefährliche Weise mit denen der Dhamma-Praxis verwechselt: Es gibt eine echte Gefahr, dass die Dhammapraxis nicht nur wegen der vielen Emotionen vernachlässigt wird, sondern auch mit den entsprechenden Frustrationen in Verbindung gebracht wird. Der Partner, der anfänglich als Beweis für die Größe der Lehre fungierte, liefert nun den Beweis für seine Grenzen. Der Sumpf der täglichen Reibereien, Verhandlungen und Kompromisse verschlechtert die Praxis und die Praktizierenden, völlig unverhältnismäßig zum ursprünglich vorgesehenen Nutzen.
Da das Eingehen dieser Art von Verbindungen in der Regel nichts mit rationalem Denken zu tun hat, ist der wichtigste Punkt, den man hier machen kann, in diese Beziehungen nicht zuviel Hoffnung zu setzen oder sie schnell fallen zu lassen, wenn sie zu heiß werden, falls man die Praxis als wichtig ansieht. Erwiesenermaßen erwartet Mönche oder Nonnen, die die Robe ablegen, weil sie auf eine engere Verbindung im Dhamma hoffen, in der Regel ein rohes Erwachen, manchmal bereits innerhalb von Tagen nach der fatalen Entscheidung, die Robe abzulegen. So etwas sollte niemals auch nur in Erwägung gezogen werden.

Eine interessante Frage ist, ob erfolgreiche Verbindungen Merkmale haben, sodass sie vorhergesagt werden können. Es hat den Anschein, dass die meisten der dhammisch erfolgreichen Beziehungen eher aus stabilen Ehen kommen, bei denen die Phase der ersten Verliebtheit abgeklungen ist, anstatt aus sog. "Vipassanā-Romanzen". Sowohl Menschen, die frisch verliebt sind, als auch die Begeisterung der Bekehrten, die nach dem Leeren jeder Flasche Cola "anicca" rufen, sind irgendwie anstrengend und eine Kombination aus beiden ist auch nicht wirklich hilfreich. Es würde vermutlich auch helfen, wenn die Partner dem Dhamma gegenüber eine Verpflichtung haben, die höher ist als die gegenüber der Beziehung, da das die richtigen Prioritäten setzen würde und kleine Dinge klein halten würde: "Liebe bedeutet nicht, sich gegenseitig anzusehen, sondern in die gleiche Richtung zu blicken." wie Antoine de Saint-Exupéry in "Wind, Sand und Sterne" schrieb. Meditationslehrer und Meisteradministrator S.N. Goenka weist verheirateten Leuten vorzugsweise Positionen als Assistenzlehrer zu, aber nur denen, deren Partner auch die gleiche Technik praktizieren (um Stress in der Ehe zu vermeiden). In der Regel macht er beide gleichzeitig zu Assistenzlehrern und sie lehren gewöhnlich auch die gleichen Kurse, wodurch die Gefahr von sexuellen Lehrer-Schüler-Beziehungen minimiert wird.

Ähnliche Enttäuschungen wie bei Vipassanā-Romanzen gibt es oft auch bei anderen Arten schwärmerischer Verbindungen. Viele Klöster und Meditationszentren werden von Ausschüssen geführt. In der Regel kommen die Mitglieder dieser Ausschüsse aus den Reihen der begeistertesten, oft auch wohlhabendsten und gebildetsten Unterstützer der Institution. Diese Leute sind normalerweise erfolgreich in der Welt. Im gesamten Dhamma-Universum sind diese Ausschüsse berühmt für die Schaffung von reinen Albträumen. Geld zu stehlen, Mönche und Laienlehrer herumzukommandieren und Richtlinien mit kindischen weltlichen Absichten zu erstellen, sind dabei Standard.
Da sie gewählt wurden, um auf weltliche Weise klug zu sein, ist es oftmals fast unmöglich, diese Leute loszuwerden. Im Durchschnitt hat die Tauglichkeit eines typischen Ausschussmitglieds eine Halbwertszeit von etwa zwei Jahren. Wie im Falle von Liebesbeziehungen verwandelt sich die anfängliche Begeisterung und Betörtheit in frustrierte Verachtung, sobald die Vertrautheit wächst. Gleichzeitig haben diese Leute nur eine sehr lockere Verpflichtung dem Dhamma gegenüber und auch keine große Erfahrung damit, beides endet oft schon am Tor des Klosters oder Zentrums. Die Lektion besteht darin, diesen Komitees keine uneingeschränkte Macht zu geben. Diese Form von Verwaltung wird im Kanon nicht erwähnt, trotz der Tatsache, dass demokratische Räte üblich waren.

Eine zweite große Gruppe von vielversprechenden, aber potenziell verräterischen Verbindungen findet sich am entgegengesetzten Ende des Spektrums: in der Familie. Als Kind ist man den Eltern gegenüber aus karmischen Gründen zu Dankbarkeit verpflichtet und das ist nur der änfängliche Teil der Verpflichtungen. Allein die Tatsache am Leben zu sein führt dazu, dass man beim Erreichens des Erwachsenenalters zutiefst verschuldet ist. Wenn der Dhamma im Praktizierenden heranreift, kann diese Dankbarkeit kraftvoll, manchmal schmerzlich gefühlt werden. Darüber hinaus sind die Vorlieben der Familienmitglieder bekannt und man kann sich leicht mit ihnen verbinden. Man kann leicht erwarten, dass wunderbare Bündnisse aus diesen saṃsārischen Verbindungen entstehen.
Und in der Tat haben die berühmtesten Meditationslehrer seit der Zeit des Buddha auch gut in der Praxis verwurzelte Verwandte gehabt. In der Regel aber ist das eine Person aus einer Zahl von mehreren Dutzenden und im Gegensatz zu dem, was man erwarten würde, unterhielten weder der Buddha noch seine fortschrittlichsten Jünger besonders enge Beziehungen zu ihren praktizierenden Verwandten. Nur die grundsätzliche Realität dieser Art von Verbindung kann die Weisheit ihrer Losgelöstheit verdeutlichen.
Im Großen und Ganzen wird der Einfluss auf Familienmitglieder aufgrund des Effekts, dass "Vertrautheit Verachtung erzeugt", reduziert. Das ist die Welt der endlosen Banalitäten und Wahrnehmungen, die sich seit dem Windelalter aufgehäuft und mit Resten vergangener Fehden und Missverständnisse vermischt haben. Dass er sich nicht geändert hat, gilt in den Augen vieler Familienmitglieder als die attraktivste Errungenschaft der Dhamma-Praxis, wenn ein Mönch nach Jahren der Abwesenheit zurückkehrt.63
Aber auch wenn Dhamma-Verbindungen entwickelt werden können, wird die Praxis oft noch durch eine unverhältnismäßige Menge an Familienzwist vergiftet, von sinnlosem Geschwätz bis hin zu unangemessener Respektlosigkeit. Jemand, der in den selben vier Wänden üben und leben muss, sollte sein Bestes versuchen, in diesem Umfeld Verbündete zu finden. Notwendige Kontakte sollten vorzugsweise verwendet werden, um Dhamma-Lehren zu kommunizieren, wenn das nicht zu künstlich oder aufdringlich ist. Wer das familiäre Umfeld in Zeiten des spirituellen Wachstums jedoch vermeiden kann, wird von dieser Freiheit enorm profitieren.

Die letzte Gruppe von potenziell trügerischen Verbindungen sind Menschen mit grundsätzlich unterschiedlichen Tugenden oder Ansichten. Ihre Freundschaft kann eng, loyal und bedeutungsvoll sein und sie kann erhellende Diskussionen aufweisen. So weit, so gut, und nichts davon soll verunglimpft werden. Menschen müssen nicht alles auf die gleiche Weise tun, um Freunde zu sein. Dennoch sind oft die Unterschiede nicht einfach nur Gegebenheiten, sondern sie repräsentieren Wertsysteme. Wertsysteme wiederum legen Prioritäten fest. Starke Allianzen bedürfen jedoch einer in etwa gleichen Verpflichtung zur Opferbereitschaft. In ruhigen Zeiten sollten absolutes Engagement und allgemeine Zustimmung leicht nebeneinander existieren. Wenn es aber hart auf hart geht und darum Opfer zu bringen, ändert sich alles. Der stärker Engagierte kann am Ende leicht frustriert und der Schwächere eingeschüchtert und zu etwas gedrängt werden, was ihn oder sie überfordert.
Für unterschiedliche Errungenschaften, Einstellungen oder Vorlieben gilt dies bei weitem nicht so sehr, wie für Ansicht und Tugend. Ansicht und Tugend sind auch die hauptsächlich bestimmenden Faktoren für die zukünftige Wiedergeburt. Da Verbindungen, von denen wir sprechen, per Definition Bande über mehrere Lebensspannen hinweg sind, gibt die große Wahrscheinlichkeit, dass man diese Leute aufgrund unterschiedlicher Tugenden und Ansichten nie wieder sehen wird, Grund zu erhöhter Vorsicht, zuviel von solchen Beziehungen zu erwarten.

Was aus diesem Kapitel über möglicherweise trügerische Verbindungen hoffentlich hervorgeht, ist eine klarere Perspektive für die Gründe, warum der Buddha seine monastischen Vorschriften so aufstellte, wie er es tat. Die Klosterregeln trennen die spirituellen Sucher von ihrer Familie und betten sie in eine eingeschlechtliche Umgebung ein, in der eine möglichst ähnliche Tugend und Ansicht vorherrscht.

 

Anhang: Passagiere

Wenn man dem Pfad des Erhabenen über einen längeren Zeitraum folgt, begegnet man vielen Mitreisenden. Manche sind einem eindeutig voraus, manche scheinen für eine gewisse Zeitspanne vorn zu liegen, aber dann fallen sie zurück oder ganz aus und manche scheinen sich auf einem rudimentäreren Praxisniveau zu befinden. Wenn Jahre zu Jahrzehnten werden, wird deutlich, dass das kein schneller Weg ist. Die meisten Praktizierenden scheinen sich nicht so sehr, nicht so grundlegend zu ändern, wie ein erster Kontakt mit den Lehren hätte vermuten lassen können. Während sie eindeutig Fortschritte machen können, ändern sie sich aber auch nicht ganz so drastisch. All das hilft, Anerkennung für eine langfristige Entwicklung über eine Reihe von vielen Leben zu bekommen. Das wiederum kann dazu führen darüber nachzudenken, wieviele solcher Leben noch vor einem liegen, aber auch eine Inspiration sein, indem man zu schätzten lernt, dass man schon ziemlich an Boden gewonnen hat.

Man bemerkt, dass manche Leute irgendwie verheiratet mit den Ebenen sind, auf denen sie sich gerade befinden. Aber was sind diese Ebenen? Wir haben einen Gradmesser in den vier Stufen des Erwachens. Es könnte aber auch eine Art Erweiterung in die Welt der nicht erwachten Menschen geben.

Hier ist der Versuch eines solchen Modells:
0. Nicht-Buddhist und ineressiert sich nicht für Buddhismus.
0.1, 0.2, usw. könnte eine erhöhte Neugierde und ein gewisses Interesse am Buddhismus haben, jedoch ohne Konsequenz für das eigene Leben.
1. Interessiert an Buddhismus, aber als vorsichtiger Außenseiter.
2. Identifiziert sich mit Buddhismus, ist aber weitgehend unwissend.
3. Hält sich selbst für dauerhaft buddhistisch, weiß, was die grundlegenden Lehrsätze sind. Hat sich irgend einer Art von stetiger buddhistischer Praxis verschrieben; investiert regelmäßig Zeit und Geld in den Buddhismus.
4. Spielt mit dem Gedanken an Ordination oder probiert sie oder irgend einen anderen Weg der Entsagung entweder in diesem oder dem nächsten Leben aus.
5. Verpflichtende Klosterpraxis. Fühlt sich Zuhause im Mönchstum. Wenn er versucht, Stufe 7 zu spielen, wird es erhebliche Unzulänglichkeiten oder Probleme geben. In der Theorie könnte es auch Laien geben, für die die Klosterpraxis nicht günstig ist, die aber nichts tun außer zu praktizieren.
6. Repräsentant der Klosterpraxis; Großer Lehrer (in materieller Hinsicht) oder ein mit natürlichem Talent begabter Mönch. Friedlich, sehr gelehrt und/oder charismatisch.
7. Ungebunden. Kommt ins Dasein, um endgültig abzuschließen. Von Anfang an ganz anders im Hinblick auf Talent und Ausführung.
8. Bei einem hohen Erreichungszustand angekommen, nur noch nicht ganz fertig. Weit entfernt vom Durchschnittsmenschen.
9. Arahant. Fertig. Fast ein Fremder für normale Menschen.

Im Allgemeinen kann man innerhalb des ersten Jahres nach ihrem Kontakt mit dem Buddhismus sehen, auf welchem Level sich die Menschen befinden, aber bei einigen kann es Hindernisse geben, um das klar zu erkennen, zum Beispiel in einem sehr jungen Alter oder einer Umgebung, die keine große Unterstützung bietet. Die eigene Erfahrung der Praktizierenden kann jedoch trügen, denn es gibt oft gewaltige Erfahrungen am Anfang, die Möglichkeiten suggerieren, die größer sind als in der Realität. Möglicherweise ist das der Fall aufgrund des Effektes, schnell zu dem Level aufgestiegen zu sein, auf dem sie eigentlich sind.
Normalerweise werden sie nicht mehr als eine Ebene aufsteigen. Oft wird ein solches neues Level in mindestens einem zentralen Aspekt unangenehm oder mangelhaft sein. Das mag auf dem obersten anders sein. Die meisten von ihnen können ihr Level wieder verlieren, wahrscheinlich mit Ausnahme der oberen zwei oder sogar drei Ebenen.



 

Abkürzungen:

AN Aṅguttara-Nikāya Angereihte Sammlung
BhiV Bhikkhunī-Vibhaṅga Vinaya Buch IV
BhuV Bhikkhu-Vibhaṅga Vinaya Buch III
Cvg Cullavagga Vinaya Buch II
DN Dīgha-Nikāya Längere Sammlung
It Itivuttaka  
MN Majjhima-Nikāya Mittlere Sammlung
Mvg Mahāvagga Vinaya Buch I
Pāc Pācittia Vergehenskategorie
Sd Saṅghādisesa Vergehenskategorie
SN Saṃyutta-Nikāya Gruppierte Sammlung
Sn Suttanipāta  
Vin Vinaya Ordensregelwerk

 


 

Anmerkungen:

1

Das Pāli-Wort dafür ist sacc-anurakkhana, d.h. "Bewachen der Wahrheit". [zurück]

2

MN 95 und AN III,65. [zurück]

3

AN III,27. [zurück]

4

AN VIII,10. Wegen fehlender chronologischer Informationen in den kanonischen Aufzeichnungen ist es ratsam, bei der Verallgemeinerung atypischer Berichte vorsichtig zu sein (siehe DN 16: Mahapadesa-Standards). Die Ordensregel ist die Rechtsprechung, viele Aufzeichnungen können durch spätere Gesetze ersetzt worden sein. Nichtsdestoweniger enthalten die Reaktionen auf frühere Fälle wertvolle Lehren, d.h. sie waren richtige und sogar beste Reaktionen auf die vorliegende Situation. [zurück]

5

AN VI,54. [zurück]

6

Mvg 80. [zurück]

7

Mvg 153. [zurück]

8

MN 103,10. [zurück]

9

MN 103,13. Siehe auch MN 65. [zurück]

10

Cvg 185 und 228. [zurück]

11

Cvg IX. [zurück]

12

Mvg II. [zurück]

13

Mvg 165. [zurück]

14

AN V,167. Siehe auch AN X,44 und DN 33,5. [zurück]

15

Sd 12 (BhuV 424) und PĀc 12 (BhuV 756).[zurück]

16

Mvg 154. [zurück]

17

Verwarnungs-, Unterwerfungs-, Verbannungs- und Versöhnungs-Verfahren (siehe Cvg I,1ff, 11ff, 21ff, 33ff und Cvg IX). [zurück]

18

Cvg I,46ff und 56ff. [zurück]

19

AN VIII, 87-90. [zurück]

20

Cvg 75. [zurück]

21

Sabba loke anabhirata sañña. (MN 50; AN VII, 45, AN X,60). [zurück]

22

MN 135,10. [zurück]

23

AN V,166. [zurück]

24

Unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StrafGesetzBuch). [zurück]

25

Nonnen wandten sich gewöhnlich nicht direkt an den Buddha, sondern über die Mönche, außer in einigen seltenen Fällen, in denen Mahāpajāpatī, Buddhas Pflegemutter, den Buddha zu einer bestimmten Sachlage befragt (Cvg X,404-406). Siehe aber auch Bhu-Sd 8 (BhuV 383). [zurück]

26

Das war normalerweise der Fall, wenn eine Regel bereits etabliert war und Mönche daran zweifelten, wie das, was sie getan hatten, im Regelwerk einzuordnen war (in den Vinīta-vatthu bzw. Fallgeschichten der Vorschriften im gesamten Pārājika- und Pācittiya Pāli). [zurück]

27

MN 88. [zurück]

28

Einige Gruppen unter den christlichen Amischen, die nach jahrhundertealten Bräuchen leben und viele Dinge, wie Speisen, gemeinsam tun, lassen ihre Gemeinschaften wachsen, bis sie etwa 150 Menschen erreichen und dann teilen sie sie auf. Die zugrundeliegende Idee ist, dass in solchen Gemeinschaften jeder den anderen einigermaßen gut kennen kann. [zurück]

29

AN IV,192. [zurück]

30

AN IV,55. [zurück]

31

AN X,75. Siehe auch MN 41/42. [zurück]

32

SN 14, 23-28. [zurück]

33

SN 15,15-19. [zurück]

34

It 17. [zurück]

35

SN 3,18. Siehe auch SN 45, 2-3. [zurück]

36

AN III,26; Mvg X,467; Sn 35ff. [zurück]

37

AN III,31. [zurück]

38

AN II,34. [zurück]

39

Um ordiniert zu werden bedarf es der Zustimmung der Eltern (Mvg 105). [zurück]

40

SN 42, 3-5. [zurück]

41

Mvg 88-100. [zurück]

42

In Mvg I sind es bis §31 61 Personen, dann folgen im §36 30 weitere Personen. Danach folgen die insgesamt 1000 ehemaligen Flechten-Asketen der drei Kassapa-Brüder. Buddha's Sohn Rāhula tritt eher unfreiwillig in den Orden ein, und zwar als Novize unter dem Ehrw. Sāriputta (Mvg 105). Weitere Verwandte des Meisters folgen erst in Cvg 330, nämlich Mahānāma, Anuruddha, Bhaddiya, Ānanda, Bhagu, Kimila, Devadatta und der Barbier Upāli. [zurück]

43

SN 14,23-28 und AN IV,91. [zurück]

44

MN 70 und 95. [zurück]

45

Z.B. in Cvg IX,401, Absatz 3 und 5. [zurück]

46

Sd 10. [zurück]

47

Sd 11. [zurück]

48

AN IV,191. [zurück]

49

Z.B. MN 38 und MN 22 oder Pāc 70 (BhuV 1090). [zurück]

50

MN 108. Siehe auch DN 16. [zurück]

51

AN III,27. [zurück]

52

MN 17. [zurück]

53

MN 95. [zurück]

54

Siehe AN, Anhang II, Teil III "Die Spitzen der Jüngerschaft". [zurück]

55

AN V,59-60. [zurück]

56

AN V,2. [zurück]

57

MN 17. [zurück]

58

Sn 45-46 (Übersetzung: Ehrw. Nyanaponika). [zurück]

59

Der Zeitraum dieser Abhängigkeit war zunächst ein Minimum von zehn Jahren, wurde aber später auf fünf reduziert, sofern das Verhalten und das Verständnis ausreichend entwickelt sind. Wenn sie unzureichend entwickelt sind, kann diese Abhängigkeit auf die gesamte Klosterzeit ausgedehnt werden (ab Mvg 102 Ende). Heutzutage überprüft oder interessiert sich fast kein Lehrer mehr dafür, ob irgendwelche der Voraussetzungen für die Freiheit von der Abhängigkeit erfüllt sind. Bessere Klöster bieten eine passive Aufnahme an durch etwas Unterricht und eine empfohlene Zugehörigkeit von fünf Jahren. Wenige Lehrer, die die Pflicht haben, diese Ausbildung zu geben, können sich noch an die Namen oder die Mönche erinnern, die sie in den vergangenen Jahren ordiniert haben, geschweige denn können sie sagen, wo die Schüler sind oder was deren Wissensstand ist. [zurück]

60

Mvg II,163. [zurück]

61

Mvg I,121. [zurück]

62

Z.B. Nakulapitā und Nakulamātā in AN IV,55, sowie Suppiya und Suppiyā in Mvg VI,280. [zurück]

63

Daher auch der Spruch: "Der Prophet gilt nichts im eigenen Land." [zurück]

 

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