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Vesakh - der dreifache Feiertag
 

Vortrag zu den Vesakhfeierlichkeiten von

Santuṭṭho

vom 22. Mai 2011

Verehrung des Buddha
Eine Darstellung der Kunst aus Gandhāra.


Liebe Vereinsmitglieder und Gäste, das meiste was ich hier vortrage, bekommt man jedes Jahr hier zu hören. Warum sollte ich auch das Thema wechseln? Also:

Was ist denn DAS - Vesakh?

Vesakh ist der bekannteste buddhistische Feiertag. Gefeiert wird Vesakh zumeist in Form einer Pūja, das heißt Andacht, am Vollmondtag im Mai. Das Vesakhfest gedenkt der Geburt, Erleuchtung und des vollkommenen Verlöschens (Parinirvāṇa) des Buddha. Das Fest, das ursprünglich aus der Tradition des Theravāda-Buddhismus stammt, wird heute von den Buddhisten in aller Welt als der einzige verbindende und gemeinsame Feiertag begangen. Er dient auch der bewussten Suche der Gemeinsamkeiten und gleichen Wurzeln der unterschiedlichen buddhistischen Traditionen in aller Welt.

Der Mittelpunkt des Vesakh-Festes ist das Leben des Buddha und seine Lehre und die Feierlichkeiten sollten im Zeichen religiöser Unterweisungen und dem Rezitieren der kanonischen Texte des Pāli-Kanons stehen. Im deutschsprachigen Raum wird Vesakh zunehmend zu einem gemeinsamen Ereignis fast aller buddhistischen Richtungen und international wird dieser Tag zunehmend als wichtigster Tag des gesamten Buddhismus angesehen. Seit 1999 hat Vesakh den Status eines Internationalen Feiertages im Rahmen des Kalenders der Vereinten Nationen und wurde vom UN-Generalsekretär als "wichtigstes Fest des Buddhismus" bezeichnet.

Mit anderen Gruppen buddhistischer Richtungen haben wir ganz offenkundig fast nichts zu tun, die hier befindlichen Buddhastatuen wurden nicht heute, sondern schon am Donnerstag nicht nur symbolisch gewaschen, eingesperrte Vögel haben wir auch nicht frei gelassen - wie in asiatischen Ländern üblich, um spirituelles Verdienst zu erwerben. Was haben wir dann getan, außer geputzt, gekocht und vorbereitet? Was tun wir heute hier? Besser gefragt: WAS SOLLTEN WIR HEUTE TUN - oder lassen?

Vesakh, das ist ein dreifacher Gedenktag, wie bereits gesagt.
Betrachten wir das im Einzelnen:
Lassen Sie mich aus dem Pāli-Kanon die entsprechenden Texte in Kürze zitieren:

Zum ersten, die Geburt des Siddhārtha Gotama
[nach Nidānakathā, dem Komm. zu Jātaka]
Zitat aus: "Das Leben des Buddha" von Julius Dutoit (S. 9, 4.)

Aber auch in der Menge der uns als Mittellange Lehrreden bekannten Sammlung finden wir darüber etwas. In MN 123, worin das Thema "erstaunliche und wunderbare Eigenschaften" lautet, wird in einer nicht ganz einfach zu lesenden Weise die Legende von der Geburt des Siddhārtha erzählt. Die mythologische Ausschmückung entspricht der Erzählkunst Indiens und ist mit allergrößter Wahrscheinlichkeit spätere Zutat bzw. Beimischung, denn der Buddha selber machte von seiner Geburt nicht viel Aufhebens, erst nachdem er berühmt war, kam Interesse an seinem Lebenslauf als auch an seinem Geburtsort auf.

Den weiteren Lebensweg des Siddhārtha Gotama können wir in verschiedenen Texten gut nachvollziehen, diese sind aber heute und hier nicht zu behandeln.
Nur ganz kurz: mit 29 Jahren verließ Siddhārtha seine Familie und Besitz, um den Ausweg aus dem Leidenskreislauf, dem Saṃsāra, zu finden. Er studierte bei zwei damals hoch angesehenen Lehrern aller Wahrscheinlichkeit nach das Yogasystem, als auch die Upaniṣaden, was ihm bei der Suche, sowie auch bei der Formulierung seiner eigenen Lehre zugute kam. Aber diese Lehren konnte er schnell als unzureichend, nicht zur Aufhebung des Leidens führend, hinter sich lassen. Er legte sich nun selber die allerstrengsten asketischen Übungen auf, die ihn dem Tode, aber nicht der Erlösung nahe brachten. Nach seinem Erwachen formulierte er es so:
Zitat: "Durch diese Lebensführung, durch diesen Wandel, durch diese Abtötung aber gelangte ich nicht zu dem höchsten von Menschen erreichbaren Zustand, zur völligen Erkenntnis edlen Wissens, und warum nicht? Weil ich jene edle Erkenntnis nicht erlangt hatte, welche, wenn sie erlangt ist, den sie Betätigenden zum gänzlichen Aufhören des Leidens führt und geleitet."

Zum zweiten, Siddhārtha wird zum Buddha:
Zitat aus: "Das Leben des Buddha" von Julius Dutoit (S. 59, 4.)
Dieses Ereignis ist uns in verschiedenen Texten überliefert.

Weil die so genannte "Erlösung" das wichtigste ist, möchte ich nicht vorenthalten, was der Buddha von der von ihm wieder entdeckten Lehre, die dazu führt, sagt:
"Die von mir erkannte Lehre ist tief, schwierig zu verstehen, schwer zu durchschauen, friedvoll, erhaben, nicht dem logischen Denken zugänglich, subtil, nur den Weisen zugänglich. Dem Begehren hingegeben ist doch die Menschenwelt, findet Gefallen am Begehren, erregt sich am Begehren. Für die dem Begehren hingegebene, am Begehren Gefallen findende, am Begehren sich erregende Menschenwelt ist diese Lehre schwer zu verstehen, die da ist: der ursächliche Zusammenhang durch die Entstehung in Abhängigkeit. Und auch diese Lehren sind schwer zu verstehen, die da sind: die Beruhigung aller Aktivitäten, das Aufgeben der zu Wiedergeburt führenden Dinge, die Auslöschung des Durstes, die Leidenschaftslosigkeit, die völlige Erlöschung, das Nibbāna. Wenn ich diese Lehre verkünden würde, würden die anderen mich nicht verstehen, dies würde mich erschöpfen, dies würde für mich Anstrengung sein."

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch gleich noch die äußerst wichtige Lehrrede vorlesen, welche der Buddha hielt, kurz nachdem er zu seinen früheren Gefährten, den so genannten Fünfermönchen, gegangen war, weil diese ihm als verständig genug erschienen, den wiederentdeckten Dhamma zu verstehen:

Zitat aus Mahāvagga 13
"Zwei Extreme gibt es, denen sich ein Hausloser nicht hingeben sollte. Welche zwei? Das ist einerseits das an die Lust des Begehrens nach Sinnesobjekten sich Hingeben, dem Niedrigen, Gemeinen, Gewöhnlichen, Unedlen, Sinnlosen, und andererseits das an die Selbstqual sich Hingeben, dem Leidvollen, Unedlen Sinnlosen, diese beiden Extreme, Mönche, vermieden habend, hat der Vollendete den mittleren Pfad erkannt, den Einsicht gebenden, wissend machenden, der zur Beruhigung, Weisheit, Erkenntnis, Nibbāna führt. ...
Das ist dieser edle, achtfältige Pfad, das sind: rechte Anschauung, rechtes Denken, rechte Rede, rechtes Handeln, rechte Lebensführung, rechtes Mühen, rechte Achtsamkeit, rechte Sammlung. Dieses ist, ihr Mönche, der vom Vollendeten erkannte, Einsicht gebende, wissend machende, mittlere Weg, der zur Beruhigung, Weisheit, Erkenntnis, Nibbāna führt."

Es ist die Lehrrede, mit der der Buddha das Rad der Lehre im Park von Sārnāth in Bewegung setzte.
Eine Lehrrede, welche zwar an die ihm nachfolgenden ersten Mönche gerichtet war, aber die auch an alle Menschen gerichtet sein soll, egal ob sie sich als Buddhisten bezeichnen oder nicht. Ob sie ordiniert sind oder nicht. Eben jener Achtfache Pfad, den man unterteilen kann in drei Abschnitte, nämlich Sīla, Samādhi und Pañña - Sittlichkeit, Geistesruhe und Weisheit, und nicht, wie vielen Menschen versucht wird weis zu machen: Dāna, Sīla, Bhāvanā. Obwohl letztere Dreierreihe sicherlich, ja ganz sicher sogar, bedeutend angebrachter erscheint.

Vierzig Jahre lang lehrte der Buddha. Tausende Lehrreden sind uns überliefert. Genug, um für jeden die passenden zu finden. Mehr als genug, um äußerst gründlich zu studieren. So wie das Meer nur einen Geschmack hat, nämlich den Geschmack des Salzes, so hat seine Lehre nur den einen Geschmack, den Geschmack der Erlösung.

Gegen Ende seines Daseins sprach der Buddha: "Infolge des Nichtverstehens, des Nichterfassens der Vier Edlen Wahrheiten ist so viel Zeit abgelaufen und von mir und euch gewandert worden." Er gab noch einige Anweisungen bzw. Ermahnungen. Zum Beispiel: "Mit gutem Betragen verbunden bringt die Geistesruhe reiche Frucht und großen Vorteil. Mit Geistesruhe verbunden bringt die Meditation reiche Frucht und großen Vorteil. Mit Einsicht versehen wird der Geist völlig von den Übeln befreit; nämlich von dem Übel der Lust, von dem Übel des Daseins, von dem Übel der falschen Ansicht und von dem Übel der Unwissenheit."

So kommen wir nun zum dritten Abschnitt, das Parinibbāna des Buddha:
Eine wirklich lange Lehrrede beschäftigt sich mit den letzten Tagen des Gotama Buddha. Sie ist uns als das Mahāparinibbāna-Sutta in der Längeren Sammlung überliefert. Hier nur auszugsweise ein paar Kernsätze.

"Von allem Lieben und Angenehmen gibt es eine Trennung, eine Scheidung, ein Weggehen. Wie wäre es auch möglich, dass etwas Geborenes, Entstandenes, Geschaffenes, das dem Vergehen ausgesetzt ist, nicht untergehe? Dafür gibt es keinen Grund."
Die letzten Worte des Buddha waren Worte der Ermahnung. "Wohlan, ihr Mönche! Dem Verfall unterworfen ist alles bedingt Entstandene. Strebet ohne Unterlass!"
Wir sollten das Wort "Mönche" nur viel öfter in den Lehrreden mit "Menschen" ersetzen. Das würde so manchem die Augen öffnen! Keine Worte des Trostes, der Liebe, des Mitleides. Nein! Die Mahnung, ohne Unterlass zu streben.

Auch ein Buddha ist bedingt entstanden, hatte eine Ursache, ist geboren worden, und muss demnach auch wieder vergehen. Und ganz genau so verhält es sich mit seiner Lehre. Auch sie ist bedingt entstanden, es gibt eine Ursache dafür, also ist auch sie vergänglich. Dass sie veränderlich ist, zumindest in ihrem Erscheinungsbild, das ist uns klar. Dass sie dabei ist durch Vermanschung mit esoterischen Inhalten und Fehlinterpretation zugrunde zu gehen, ist auch offensichtlich. Dass sie wieder verloren gehen wird, das ist so manchem nicht klar. Und aus eben diesem Grunde können wir feiern. Wir haben das unsägliche Glück, DIE Gelegenheit, uns mit der Lehre, dem Dhamma befassen zu können. Auch wenn wir hier in unserem Kulturkreis nicht die Sprache beherrschen, in welcher der Buddha lehrte - dennoch haben wir hier die ungeheure Gelegenheit, seine Lehre kennen zu lernen und auch zu befolgen. Daher können und sollten wir denen gegenüber dankbar sein, die seit Generationen den Dhamma bewahren. Aber denen, die uns die Lehre darlegen, uns erklären, uns ihre Zeit dafür opfern, denen sollten wir besonders dankbar sein. Des weiteren aber auch denen gegenüber, die versuchen, das zu praktizieren, was der Buddha lehrte und uns vielleicht als eine Art Vorbild dienen.

Hier und heute sind wir zusammen gekommen um Vesakh - dieses dreifache Fest zu begehen.

In der christlich geprägten Kultur könnte man sagen, es wäre Weihnachten und Ostern zugleich. 2555 Jahre nach Buddha's Parinibbāna haben wir noch immer das unaussprechliche Glück, dass uns der Weg dargelegt wird bzw. werden kann. Praktizieren müssen wir ihn aber selber. Nach buddhistischer Lehre gibt es keine Macht, die uns das ersparen könnte. Wir sind alle zu 100 Prozent für uns selbst verantwortlich. Was wir denken, sprechen und tun geht auf unser ureigenes Konto. Und nur wir selber zahlen darauf ein und können es reduzieren oder gar auflösen. Letzteres durch das Praktizieren des Achtfachen Pfades. Niemand kann eines anderen Karma übernehmen. In Asien, natürlich ganz besonders in den Ländern der Theravāda-Tradition, ist es üblich, an den Vollmondtagen der Buddhistischen Lehre zu gedenken. Ein Tag mit Gelegenheit zu intensiver Praxis. Aber auch, um Lehrreden zu rezitieren, Lehrvorträgen zu lauschen, Parittas, also Schutzverse zu rezitieren und es ist natürlich auch DIE Gelegenheit, Dāna zu praktizieren. Dāna, das heißt Geben. Dieses Wort bedeutet aber mehr als nur Geben. Es hat den Beigeschmack des Aufgebens, des von sich Weggebens, des Loslassens. Es ist die erste Stufe des buddhistisch gesinnten Lebens. Eine erste Stufe, die für die meisten hier in unserem Kulturkreis schier unerklimmbar scheint. Hier gilt der Spruch "Nehmen macht seliger als Geben" und nicht "Geben ist seliger denn nehmen". Das gilt beim Konsumieren von materiellen Gütern aus dem Supermarkt mittlerweile genau so wie beim Besuch diverser Gesprächs- bzw. Lehrredenkreise. Habenwollen ist angesagt. Unterrichtende werden "verkonsumiert", d.h. deren Vorträge werden besucht - Hauptsache kostenlos. Bei den Lehrenden stellt sich die Frage nach dem "warum überhaupt" ebenso wie die Frage "Wofür". Beim staatlich anerkannten Psychologen kostet die Stunde ordentlich Geld - aber zum Glück ist man ja versichert, aber die "Unkosten" beim Meditations-Kurs wird niemand übernehmen. Dass die allermeisten der beim Psychologen verbrachten Stunden reine Zeitverschwendung sind, denn, wenn es etwas nutzen würde, dann würden die Psychologen ja arbeitslos werden, das dürfte erst bei näherem Hinsehen klar werden. Der Spruch "Was lange hält, bringt uns kein Geld" ist auch beim Arztbesuch zu beachten. Beim Unterweiser hingegen steht mittlerweile: "Erwarte nichts" auf der Tagesordnung. Ganz klar, was hiermit gesagt werden soll.

An dieser Stelle möchte ich, auch wenn es jemandem sehr unangenehm sein sollte, die Anstrengungen von Ingrid, unserer Vereinsvorsitzenden würdigen und meinen persönlichen Dank zum Ausdruck bringen. Meine Anerkennung dafür, dass sie monate-, ja mittlerweile muss man sagen, jahrelang die Meditationsgruppen hält. Meine ganz besondere Anerkennung dafür, dass sie trotz oftmals leerer Spendenbüchse weiter macht, dass sie sozusagen gibt, obwohl sie kaum etwas dafür bekommt. Ganz im Sinne des Dānaprinzipes also. Nochmals: Hut ab! - wenn ich einen hätte. Möge das gewirkte Verdienst ihr und anderen lange zum Guten reichen!

Heute aber, zum Vesakh, dies nur als Denkanstoß. Nicht draußen in dem, was wir gemeinhin als "Welt" bezeichnen, liegt echte Freude, Erfüllung, Glück. Nein, INNEN in uns selber, dort können wir das finden, was wir von draußen haben wollen, aber nur flüchtig erhaschen. Kultur kommt von kultivieren, entwickeln. Es ist ein dynamischer Prozess, der uns zu kultivierten Menschen werden lässt. Unser Hauptwerkzeug möge die Achtsamkeit sein. Achtsam sein bei allen unseren Verrichtungen. Beim Denken, Sprechen und im Tun. Dann wird uns auch bewusst werden, dass der Achtfache Pfad kein starres System von Vorschriften ist, sondern ethische Leitgedanken, die man üben kann, egal ob man an was- oder wen-auch-immer glaubt. Haben wir dann die Sinnhaftigkeit davon erkannt, so befolgen wir gerne diese Empfehlungen. Voraus gesetzt, die Trägheit oder die Macht der Gewohnheit lassen das zu. Wenn dann aus der Einsicht in die Sinnhaftigkeit Freude entsteht, so spornt uns das an, weiter zu machen. Freiwillig können und werden wir auf Dinge verzichten, die andere als unabdingbar bezeichnen. Wir können Mitgefühl für die Wesen entwickeln, die vom Strom der Zeit und des Konsumdenkens fort gerissen werden. Vielleicht finden wir auch die Kraft, ihnen zu helfen. Warum auch nicht? Waren wir selber nicht auch mal so? Aber auch denen helfen, die einen spirituellen Weg gehen, bringt viel Verdienst. Nicht zwingend nur einem selbst, denn wenn andere auch davon profitieren, dann vervielfacht sich das Ganze. So wird der Weg, den wir in Sīla, Samādhi und Pañña unterteilten, für uns zur Autobahn und für die anderen zum Segen.

Na wenn das kein Grund zum Feiern ist . . .

 

 

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