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Angewandter Buddhismus


Der Wert eines jeden Gedankens liegt letzten Grundes in seiner Wirklichkeit. Nicht Schönheit und Erhabenheit eines Gedankens macht seine Größe aus, sondern sein Wirklichkeitsgehalt. Für diesen Wirklichkeitsgehalt gibt es aber nur ein Kennzeichen, nur einen Beweis: die Anwendbarkeit auf die Wirklichkeit. Die Wirklichkeit eines Gedankens und seine Anwendbarkeit auf die Wirklichkeit, sein Einklang mit der Wirklichkeit sind identisch.

Einklang eines Gedankens mit der Wirklichkeit ist in dreifachem Sinne möglich:

Erstens: im Sinne der modernen Wissenschaft als so genannte Arbeitshypothese. Bei ihr wird der Gedanke aufgrund einer möglichst großen Zahl von Beobachtungen und Versuchen der Wirklichkeit so lange angepasst, bis beide möglichst vollständig im Einklang stehen. Es ist klar, dass dieser Einklang ein künstlicher ist und durch jede neue, unerwartete Beobachtung gestört werden kann. Das bekannteste Beispiel eines Einklangs dieser Art zwischen Gedanke und Wirklichkeit ist das Kopernikanisch-Keplersche Weltsystem. Es passt sich den Tatsachen der Wirklichkeit in einer vorläufig genügenden Weise an. Es wird durchaus nicht allen astronomischen Tatsachen gerecht und steht daher in der beständigen Gefahr, über kurz oder lang von einer weiter umfassenden und daher besseren Anpassung überholt zu werden; wie es selber als bessere Anpassung das Ptolemäische Weltsystem überholt hat.

Die zweite Form des Einklangs von Gedanke und Wirklichkeit ist im Sinne des Glaubens möglich. Soll sich bei der naturwissenschaftlichen Arbeitshypothese der Gedanke den Wirklichkeiten anpassen, so soll sich umgekehrt beim Glauben die Wirklichkeit dem Gedanken anpassen. Eigenmächtig, selbstherrlich setzt das Denken mit der Idee einer transzendenten Macht, des Gott-Begriffes, ein und deutet nach ihm die Wirklichkeit in allen ihren Regungen und Tatsachen. Wobei sich der Deutung nie und nirgends Schwierigkeiten entgegen stellen; denn es ist leicht, alles zu erklären, wenn man dem, womit man dieses alles erklärt, absolute Unerklärbarkeit zugesteht. Ist der Weg der Wissenschaft künstlich, so ist der Weg des Glaubens gewaltsam.

So ist mangelnder Wirklichkeitssinn das, worin letzten Grundes Glaube und Wissenschaft zusammenfallen. Beide treten sie so zu sagen von außen an die Wirklichkeit heran und suchen sie durch Gesetze zu meistern; der Gläubige, indem er ein göttliches, aus dem Transzendenten fließendes Gesetz annimmt, der Wissenschaftler, indem er kraft seines eigenen Denkens Gesetze schafft, die den Eindruck erwecken, als ob er imstande sei, die Natur zu gängeln. In Wahrheit gleicht er dabei dem Kammerdiener, der die Gewohnheiten seines Herrn belauscht und daraufhin vorher sagen kann, was dieser Herr unter den und den Voraussetzungen tun wird, voraus gesetzt, dass er überhaupt noch vorhanden ist. So gelten selbst die sichersten aller naturwissenschaftlichen Vorhersagen, die astronomischen, immer nur unter der Voraussetzung des Weiterbestandes unseres Sonnensystems bzw. unseres Erdkörpers.

Eine Möglichkeit, an die Wirklichkeit heran zu treten gibt es nicht. Dieses Herantreten setzte ein Heraustreten voraus, was ebenso wenig möglich ist, wie ein Heraustreten aus sich selber. Es kann immer nur fiktive Natur sein, und dem müssen auch die Ergebnisse dieses Versuches entsprechen. Der Buddhismus unterscheidet sich von Glaube und Wissenschaft dadurch, dass er nicht aufgrund irgend einer Fiktion aus der Wirklichkeit heraus tritt, um wieder an sie heran treten zu können. Wie jede Verzwecklichung ihm fern liegt, so liegt ihm auch diese letzte Verzwecklichung, die der Verstand im Dienste des instinktiven Drängens nach Erkenntnis begeht fern. Der Buddha-Gedanke ist eine Intuition, die Leben, Wirklichkeit als Ganzes betrifft. Unmittelbar, intuitiv schnellt er in die Wirklichkeit ein, nicht weil er außerhalb ihrer steht, sondern weil ein anfangsloses Nichtwissen sie uns entstellt und unbegreiflich macht. Wie bei jemandem, den in der Dunkelheit der Nacht das Orientierungsvermögen verlassen hat und der nun trotz alles Tappens, Tastens und Überlegens sich nicht zurecht finden kann, ein einziger Lichtstrahl genügt, um unmittelbar in das rechte Verhältnis zur Wirklichkeit einzuschnellen, eben so genügte der eine Blitzstrahl des Genius, wie der junge Gotama ihn erlebte, um unmittelbar die Wirklichkeit zu begreifen und in das rechte Verhältnis zu ihr einzuschnellen. Zum Unterschied von jeder möglichen Glaubenslehre und jeder möglichen Wissenschaft handelt es sich hierbei nicht um einen Zuwachs zur Wirklichkeit, in Form eines die ganze Wirklichkeit begreifenden Gedankens - ein solcher Gedanke kann gegenüber der Wirklichkeit nur den Wert eines + Null haben - sondern es handelt sich hier lediglich um den Fortfall eines Nichtwissens; d.h. das Problem fällt hier aus der Welt in den Anschauer zurück und findet seine Lösung in einer Intuition, die den Beschauer und sein Denken selber betrifft. Auf diese Intuition und ihre Einzelheiten werden wir an anderer Stelle eingehen. Hier sei nur kurz ausgedrückt, dass er Denken in der tendenziösen Form des Wollens als Inkraft, als Energie erkannte, aufgrund deren das Lebewesen da ist. Womit dann Kraft nicht mehr Kraft an sich und damit Glaubenssache, Seele, Unbedingtes bleibt, sondern zu einem, sich immer wieder durch sich selbst Bedingenden wird.

Bei jeder Erkenntnistheorie türmt sich als letzte Schwierigkeit das Problem auf: Kann das Instrument, vermittelst dessen ich die Wirklichkeit begreife, mein eigenes Denken, selber Gegenstand dieses meines Begreifens werden? Schon allein beim Versuch hierzu scheidet sich erneut immer wieder ein Denken aus, das als Instrument des Begreifens dem zu Begreifenden gegenüber steht, und das ganze Problem erweist sich als unlösbar, weil es rettungslos in eine unendliche Reihe entgleitet. Das Denken, das keck ein "außerhalb der Wirklichkeit" fingiert hat, lässt sich in diese Wirklichkeit nicht mehr einfangen, ebenso wenig, wie ein Mensch sich selber einfangen kann, mag er auch noch so eilig laufen. Sein Laufen ist ebenso gut ein Versuch, sich selber einzufangen. Diese letzte, unüberwindliche Schwierigkeit fällt restlos fort beim Buddha-Gedanken. Seine Intuition ist so vollständig, dass sie alles umfasst, das Denken selber mit einbegriffen. Ja man kann sagen, dass die große Umwandlung, die aufgrund dieser Intuition am Einzelnen vorgeht, Denken in erster Linie umfasst. Denken ist beim Buddhismus das erste, was buddhistisch wird, voraus gesetzt, dass er recht begriffen und nicht nur symptomatisch erfasst wird. Wollte man Buddhismus in größter, fast ans Paradoxe streifender Kürze kennzeichnen, so müsste man sagen: Er ist eine Intuition, die Denken, Bewusstsein selber zu ihrem Gegenstand hat und deren erkenntnistheoretische, moralische und religiöse Folgerungen erst aus dieser Grund-Intuition fließen.

Hieraus folgt, dass der, welcher diese Intuition erlebt hat, nun auch notwendig alle Vorgänge und Tatsachen, alle Fragen und Probleme nicht nur durch die buddhistische Brille, sondern durch das Medium buddhistischen Denkens ansieht und daher notwendig zu allen diesen Dingen als Buddhist Stellung nehmen muss. Ein Buddhismus, der am Einzelnen nicht dieses Ergebnis gereift hat, ist in den Symptomen stecken geblieben und gar nicht an den Kern und das eigentliche Wesen der Sache heran gekommen, die eben nicht in einer bloßen Belastung des Denkapparates durch eine neue, interessante Lehre oder durch einen positiven Wissensgehalt besteht, sondern in einer Neueinstellung dieses Denkapparates selber, in einem Umdenken. Nicht die Ergebnisse dieses Umdenkens in erkenntnistheoretischer, moralischer, religiöser Beziehung sind das wesentliche am Buddhismus. Sie alle haben nur symptomatische Bedeutung. Ein Nibbāna, das Gegenstand des Denkens bleibt und nicht zur Form des Umdenkens selber wird, ist nicht das Nibbāna, das der Buddha lehrt, mag es im übrigen auch noch so richtig vom Verstand erfasst sein und behandelt werden. Nicht die Ergebnisse des Buddha-Gedankens und die Anerkennung ihrer Projektion auf die Welt sind das wesentliche an dieser einzigartigen Lehre, sondern der Akt, der Vorgang des Umdenkens selber.

Es hat wenig Sinn und Wert, das, was der Buddha über Welt, Leben, Wirklichkeit gelehrt hat, anzunehmen und zu bekennen, wenn man nicht im Sinne des Buddha umgedacht hat und wenn der Buddhismus nicht aus einem Lehr- oder Glaubensgegenstand zu einem Erlebnis geworden ist, ja zum denkbar größten Erlebnis; denn alle Erlebnisse, mögen sie im übrigen beschaffen sein, wie sie wollen, erhalten ja ihre Größe erst vom Denken aus. Um das biblische Wort zu brauchen: Denken ist das eigentliche Salz der Welt. Es salzt die Dinge, gibt ihnen Maßstab und Geschmack, gibt ihnen ihre physischen und ethischen Eigenschaften. Darüber ist sich ja auch die moderne Erkenntnistheorie klar geworden, dass die Welt im wesentlichen kein materielles, sondern (wie man inkorrekt sagt) ein psychisches Phänomen ist. Was die Welt in materieller Hinsicht ist, darüber wissen wir nichts; sie ist eine Undenkbarkeit. Und da im tiefsten Grunde Undenkbarkeit und Unmöglichkeit zusammenfallen, so ist eine Welt als materielles Phänomen auch unmöglich. Die Welt an sich ist nichts; was wir über sie denken, ist alles. Geistesleben in jeder Form, mag es als Glaube, mag es als Wissenschaft auftreten, ist schließlich nichts der immer wiederholte Versuch, die Welt im Denken einheitlich zu formen. Dieser Versuch muss immer wieder scheitern an der Grenzenlosigkeit der Erscheinungen in Zeit und Raum. Wie im Trick des Genius löst der Buddha das große Problem, indem er von der Welt auf das Denken einschnellt; indem er, statt der Welt, Denken selber umdenkt und aus dem bloßen Instrument einer Weltanschauung ihren eigentlichen Gegenstand macht, ein Vorgang, der notwendig nie induktiv sein kann, wenn psycho-physiologische Spitzfindigkeiten ihn auch als solchen darzustellen versuchen, sondern der nur intuitiv möglich ist.

Die Richtigkeit dieser Intuition beweist sich selber und somit unmittelbar darin, dass Denken, welches sonst als etwas Wesensfremdes über allem Gedachten steht und eine untrennbare Kluft zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Geistigem und Körperlichem schafft, jetzt in einheitlichem Begreifen in der Wirklichkeit aufgeht und überall da, wo es auf die Dinge und Vorgänge trifft, sie in jenes einige Werden umwandelt, als welches es selber intuitiv begriffen worden ist.

Hat man den Buddhismus so begriffen, so ist er Wirklichkeitslehre im strengsten Sinne; nicht in der Art, dass er nun eine erschöpfende Erklärung der Wirklichkeit gäbe - als solche wäre er Dogma - sondern in der Art, dass er wirkt, wohin er sich wendet und seine fermentative Kraft an allen Dingen und Vorgängen immer wieder aufs neue betätigt. Den Buddha begriffen haben heisst ihn überall auf die Wirklichkeit anwenden und wirklicher Buddhismus ist immer nur angewandte Buddhismus. Der Buddha lehrt nicht, was die Wirklichkeit ist, sondern was sie wird im recht belehrten Denken. Wie die Flamme wirklich ist nur durch ihr Brennen, d.h. dadurch, dass sie in jedem Augenblick wirklich wird, so ist der Buddhismus wirklich nur durch sein Wirken, d.h. dadurch, dass er in jedem Augenblick wirklich wird. Einen Buddhismus, der sich selber als Inhalt hätte und so zu einer stehenden, feststehenden Größe würde, gibt es nicht; er wäre dann entweder Dogma wie die Glaubensreligionen, oder eine Summe positiven, durch Induktion gewonnenen Wissens, wie die Wissenschaft und ihre Weltanschauung. Dass der Buddhismus keine positive, sich selbst zum Inhalt habende Lehre ist, hat der Buddha in jenem berühmten Wort bestätigt, in dem er seine Lehre ein Floß nennt, welches der Eigentümer gebrauche, nicht um es als solches zu besitzen, sondern um sich damit fortzubewegen und Gefahren zu entfliehen. Das heisst: Die Lehre, der Dhamma ist selber letzte, höchste, abschließende Form des Werdens, zu welchem buddhistisches Denken die ganze Wirklichkeit umgewandelt hat. Der Dhamma ist nicht, sondern er wird in immer wieder frischem Erleben, wie der Quell, der aus dem Felsen bricht, nicht ist, sondern wird, in immer wieder frischem sich selber Erleben. Ein Dogma in der Form der Heilslehre und eine Wissenschaft lassen sich als solche und um ihrer selbst willen, ihres Inhaltes wegen festhalten und in den gedanklichen Bestand der Wirklichkeit mehr oder weniger als Fremdkörper einbetten. Sie sind. Buddhismus lässt sich als solcher und als Inhalt seiner selbst so wenig festhalten wie eine Flamme, ausgenommen beide sind reine Abstraktionen geworden, mit denen das Denken dann nach Belieben spielt. Echter, wirklicher, lebendiger Buddhismus ist nichts als jene flammenartige Umwandlung welche die Wirklichkeit in allen ihren Tatsachen und Vorgängen immer wieder in der Glut des neuen, durch Belehrung und Intuition erweckten Denkens erfährt, erleidet, über sich ergehen lassen muss. Wie das Wasser, das die Glut der Flamme hat erleide müssen, in der Form des Dampfes das selbe ist wie das Wasser, und doch ein anderes, eben so ist die Wirklichkeit, welche die Glut des Buddha-Gedankens hat über sich ergehen lassen müssen, die gleiche wie die vulgäre Wirklichkeit und doch eine andere. Wie die Flamme sich für sich nichts erbrennt, sondern alles nur ver- und zerbrennt, wobei ein "sich" und "für sich" überhaupt keinen Sinn mehr haben, eben so erdenkt der Buddha-Gedanke sich, für sich nichts; er ver- und zerdenkt nur alles, das Subjekt dieses Gedankens, ja das Denken selber mit einbegriffen.

Man werfe nicht ein, dass eine Lehre, deren Wesen lediglich darin besteht, Werte aufzulösen, keine wahre Bedeutung für die Welt haben kann. Auch der Prozess der Ernährung, Grund- und Vorbedingung alles Daseins, vollzieht sich in der Form von Auflösung bestehender Werte, die wir hier Assimilation nennen. Wie Ernährung das natürliche Wunder ist, das aufbaut und zerstört in einem, ja aufbaut dadurch, dass es zerstört, zerstört dadurch, dass es aufbaut - eben so geht es bei dem ungeheuren gedanklichen Assimilierungsprozess, den die Wirklichkeit im Buddhismus erlebt. Hier wird aufgebaut durch Zerstören, zerstört durch Aufbauen und der letzte Unterschied zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Geist und Materie, zwischen Denken und Dingen, fällt zusammen in der naturgewaltigen Einheit: Ernährung.

Ich habe oben gesagt, dass wirklicher Buddhismus stets auch angewandter Buddhismus ist, aus innerer Notwendigkeit heraus es sein muss; dass der wirkliche Buddhist zu allen Fragen und Problemen seiner Zeit Stellung nehmen muss. Ich füge hinzu, dass er dieses tut nicht als Parteigänger, um über sie und um sie zu streiten, sondern als stiller aber entschlossener Denker; nicht um sich an ihnen zu halten, in ihnen zu ertrinken, sondern um sie in der Kraft seines neuen Denkens zu verarbeiten. Die Blüten des Weltgetriebes, süße wie bittere, haben für ihn nur den einen Wert: aus ihnen im Umdenken den Honigseim der Erlösung hervor zu bringen.

Jedes Problem ist letzten Grundes etwas, das die Einheitlichkeit des Weltgeschehens und damit die Einheitlichkeit der Weltanschauung, sei es in erkenntnistheoretischer, sei es in ethischer Hinsicht, stört, wie der Knoten die Einheitlichkeit des Gewebes und damit des Eindruckes stört. Jeder Versuch, die Einheitlichkeit dadurch wieder herzustellen, dass man an die Dinge selber heran tritt und in ihnen den Knoten zu lösen sucht, ist noch stets vergeblich gewesen und wird es stets sein. Das Weltgeschehen ist eben kein Faden, sondern ein unbegrenzt großes Gewebe. Knoten in ihm lassen sich verschieben, aber nicht lösen, und was wir gemeinhin Lösung eines Problems nennen, ist nichts als eine neue Umschreibung für unser Nichtwissen. Denn alle Probleme, mögen sie beschaffen sein wie sie wollen, sind letzten Grundes nur Variationen des einen Grund- und Urproblems: Leben selber. So lange man über dieses nichts weiss, kann man auch über die Probleme nichts wissen, die es in jeder seiner Regungen auswirft und durch ein Opfer des Intellektes alles in einem Glaubensakt lösen, ist nicht jedermanns Sache.

Leben stellt sich unmittelbar nur im Denken dar. Ist man durch diese vom Buddha geöffnete Pforte, die, wie jede wirkliche Pforte, Eingang und Ausgang in einem ist, in das Geheimns des Lebens eingetreten, so wird man aufhören mit diesen vergeblichen Versuchen, die Probleme in den Dingen selber zu entknoten. Man wird auch kein Bedürfnis mehr haben, im Glauben eigenmächtig den Knoten zu durchhauen. Der Schlüssel aller Probleme liegt für einen solchen, der vom Buddha belehrt ist, gar nicht mehr in den Dingen, sondern im Denken. Vom Denken aus stellt er die immer wieder neu gestörte Einheitlichkeit des Weltganzen immer wieder aufs neue her. Vom Denken aus wird er der Welt Herr. Und die letzte Bedeutung der Weltprobleme liegt für ihn nicht in deren Lösung selber, sondern darin, dass diese Lösung ihm immer wieder aufs neue den Wert, die Kraft und die Wirklichkeit seines Denkens beweist, und ihn so immer geneigter, williger und fähiger macht zu jenem letzten Abschluss, wo im eigenen Denken Subjekt und Objekt aller Weltanschauung zusammenfallen, wo der beruhigte Geist aus der Fülle der Erscheinungen wie aus einer siegreichen Schlacht zurückkehrend, die aber dem Edlen, dem Ariya nicht mehr lohnt, den höchsten Ausdruck seiner Kraft darin findet, dass er freiwillig auf ihren Gebrauch verzichtet und still und restlos in sich selber eingeht; ein Satter unter Ungesättigten, eben weil er begriffen hat. In diesem Sinne sprechen wir von angewandtem Buddhismus.

 

V. Das Toren-Kapitel
60.
Lang ist dem Wachenden die Nacht,
lang ist dem Müden Meilenweg,
lang der Saṃsāra für den Tor,
der nicht die rechte Lehre kennt
61.
Wer auf dem Lebenspfad nicht trifft,
den, der da besser oder gleich,
der wandre fest einsamen Pfad;
Nicht taugt beim Tor Genossenschaft.
62.
"Ich habe Kinder, habe Geld!",
so quält sich innerlich der Tor.
Nicht mal das Selbst gehört ihm selbst;
Wie denn der Sohn? Wie denn das Geld?
63.
Der Tor, der sich als Toren kennt,
kommt dadurch schon zum Weisen-Rang.
Wer sich als Weiser brüstet hier,
der Tor, der heißt mit Recht ein Tor.
64.
Wenn auch sein Leben lang der Tor,
sich um den Weisen dienend müht -
die rechte Lehre lernt er nicht,
wie der Löffel nicht der Suppe Geschmack.
65.
Der Kluge, wenn er auch nur kurz
sich um den Weisen dienend müht -
die rechte Lehre lernt er schnell,
gleichwie die Zunge der Suppe Geschmack.

 

 

Dieser Artikel wurde entnommen aus "Neu-Buddhistische Zeitschrift" Jahrgang 1918

 

 

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