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Ein Blick auf die Mönchsdisziplin und das Mönchsleben
 

von A. Kassapa

kommentiert von Santuṭṭho

Der Mönch U Kassapa in Burma 1967

Vorbemerkung:
Dieser Aufsatz wurde von Kassapa geschrieben, nachdem er 1983 aus dem Orden ausgetreten war.

Ñāṇapoṇika, ein herausragender deutscher buddhistischer Mönch, hat einmal gesagt: "Dhamma (die Buddhalehre) ist der Weg, den man zu beschreiten hat, und Vinaya (die Mönchsdisziplin) ist wie ein Zaun links und rechts des Weges, der den Mönch vor Abirrungen bewahren soll." Wer sich als Mönch versuchen will, sollte sich schon vor seiner Ordination über den Vinaya gut informieren, damit er nicht aus Unwissenheit Regeln bricht, die ernste Konsequenzen nach sich ziehen.

Dazu ein Blick auf die Mönchsregeln, die natürlich in diesem Rahmen nicht erschöpfend behandelt werden können. Schon bei seiner Ordination wird der Mönchsanwärter1 auf die vier ganz großen Verstöße hingewiesen, die er auf keinen Fall begehen darf, wenn er sich nicht als Mönch disqualifizieren will. Es sind die vier Pārājika genannten Verstöße: Geschlechtsverkehr, Diebstahl, Mord oder Anstiftung zum Mord und wissentliche Vortäuschung geistiger Erreichungen zwecks materieller Vorteile durch Gaben der Hausleute. Pārājika bedeutet "Besiegtsein, Niederlage"2 und zieht sofortigen Ausschluss aus dem Mönchs- bzw. Nonnenleben nach sich.

Besondere Vorsicht verdient Pārājika Nr. 2: Diebstahl. Hierzu heißt es: "Wer auch immer in diebischer Gesinnung an sich nimmt, was nicht gegeben ist, so dass der König ihn gefangen setzen, auspeitschen, foltern, verbannen oder töten ließe mit den Worten: 'Du bist ein Dieb, ein Räuber' usw., ein solcher Mönch ist 'besiegt', von der Ordensgemeinschaft (saṅgha) abgefallen. Ebenso wie ein welkes, vom Baume gefallenes Blatt nicht mehr anwächst, gehört er nicht mehr zur Gemeinschaft."

Wer das hört, möchte meinen, dass es sich bei Pārājika Nr. 2 um besonders schweren Diebstahl handelt, doch dem ist nicht so. Schon geringe Diebstähle wurden im alten Indien unverhältnismäßig hart bestraft3. Aber nicht jeder Diebstahl gilt als Pārājika, sofern der Wert des Gestohlenen unterhalb einer fest bestimmten Grenze liegt, nämlich fünf Māsaka oder ein Pāda. Was ein Pāda wirklich wert war, kann man heute nicht mehr ermitteln.4 Nimmt jemand in diebischer Absicht etwas an sich, was 1 Māsaka oder weniger wert ist, so liegt ein Verstoß falschen Tuns (dukkaṭa) vor, ein geringer Verstoß. Liegt der Wert des Gestohlenen zwischen 1 und 4 Māsakā, handelt es sich um einen schweren Verstoß (thullacaya), und ist das Gestohlene 5 Māsakā und mehr wert, erst dann liegt Pārājika vor. Heutzutage haben die Ordensgemeinschaften in den buddhistischen Ländern für diese Verstöße Wertmaßstäbe in ihren Landeswährungen festgelegt. Hält man sich sklavisch an die pedantische Auslegung der Regeln, liegt Pārājika schon bei Geringfügigkeiten vor, die nach realistischen Wertmaßstäben niemand beanstanden würde. Darum sei dem Mönch, der im Westen lebt, besondere Vorsicht angeraten.

Bei allen Verstößen wird nicht so sehr der Verstoß als solcher gewertet, wie die Gesinnung, die ihm zugrunde lag. Nimmt ein Mönch etwas ohne diebische Gesinnung an sich, wie z.B. wenn er seinem Mönchsfreund ein paar Rasierklingen entwendet in dem Vertrauen, dass dieser nichts dagegen hat, so liegt darin kein Verstoß.

Mönche sollten zwar kein Geld benutzen, aber die meisten tun es doch und laufen Gefahr, in schwere Komplikationen hineinzugeraten. Pārājika ist auch jeglicher Betrug, vor allem in Geldsachen, wenn es sich um einen Wert von 1 Pāda oder mehr handelt.5 Der bloße Besitz von Geld, Gold oder Silber gehört zu den geringeren Verstößen6, die durch Verpfändung7 zu verbüßen sind. Der betreffende Mönch hat den Verstoß zu bekennen, es wird ein zuverlässiger Mönch zum "Silberbeseitiger" ernannt und mit der Aufgabe betraut, den Geldbetrag zum Wohle des Saṅgha zu verwendenverwenden8. Hat er dies getan, erlischt seine Funktion.

Doch nicht nur Geld unterliegt der Verpfändungspflicht, sondern auch andere Dinge, die man sich "erschnorrt" hat. Während meines Aufenthalts in der von Ñāṇatiloka gegründeten Island Hermitage hatte ich auf durchaus redlichen Wegen einige Werkzeuge angesammelt, was man ebenfalls nicht darf9. Ich musste sie dem Saṅgha verpfänden und durfte sie nicht mehr benutzen. Bei dem heute verbreiteten, laxen Umgang mit den Mönchsregeln kommt so etwas kaum noch vor.

Es gibt schwere und leichte, "reparable" und "irreparable" Verstöße. Schwere Verstöße sind die bereits erwähnten 4 Pārājikā und die 13 Saṅghādisesā: Verstöße, die ein formelles Zusammentreffen des Saṅgha nach sich ziehen. Alle Verstöße sind "reparabel" durch Bekenntnis und entsprechende Sühne10, nur die 4 Pārājikā sind es nicht.

Nun zu den 13 Saṅghādisesā, von denen nur einige herausgegriffen werden sollen. Zu ihnen gehören absichtlicher Samenerguss, lustvolle Berührung einer Frau, der Versuch, sie zum Geschlechtsverkehr zu überreden, sie mit Anzüglichkeiten zu belästigen, desgleichen abfällige Rede über Buddha, Dhamma und Saṅgha11. Sofern der betreffende Mönch nach dreimaliger Ermahnung seinen falschen Standpunkt12 nicht aufgibt, ist dies ein Saṅghādisesa. Bemerkt ein Mönch, dass er einen solchen Verstoß begangen hat, tut er gut daran, dies sofort einem seiner Mitmönche zu bekennen, ansonsten muss er für jeden Tag des Verschweigens einen Tag der Bewährung (parivāsa)13 auf sich nehmen. Es müssen mindestens 5 Mönche zusammentreffen, ihm diese aufzuerlegen.14 Sie entfällt natürlich, wenn er seinen Verstoß sofort bekennt. Während der Bewährung ist er degradiert, d.h. er darf nicht mehr mit den übrigen Mönchen zusammensitzen, gemeinsam essen und in demselben Raum schlafen. Ist die Bewährung zu Ende, hat er sich einer 6 Tage15 dauernden, Mānatta genannten Disziplin16 zu unterziehen. Während die Bewährung die Sühne für die Zeit des Verschweigens ist, ist Mānatta die Sühne für den Verstoß. Erst nach Beendigung der Mānatta-Zeit kann er rehabilitiert werden. Es müssen dann 20 Mönche zusammenkommen, um die zeremonielle Ordenshandlung der Entlastung zu vollziehen.17

Saṅghādisesā-Verstöße haben eine besondere Tücke wenn man sie nicht beachtet, und Monate oder Jahre verstreichen lässt, bevor sie einem wieder einfallen und man nicht mehr weiß, wann genau man sie begangen hat. Den Regeln zufolge würde das jahrelange Bewährung bedeuten.18

Lässt ein Mönch eine Hütte bauen, in der er wohnen will, muss er mindestens 3 Mönche einladen, die den Platz als geeignet oder ungeeignet zu begutachten haben. Tut er dies nicht, ist dies ein Saṅghādisesa.19 Ferner muss er den Platz um seine Hütte herum in einem bestimmten Umkreis von Pflanzen und Sträuchern freihalten, damit sich dort keine Schlangen, Skorpione, Tausendfüßler, Spinnen oder anderes giftiges Getier einnistet. Versäumt er dies, so ist auch dies ein Saṅghādisesa.20 Schwierig wird die Sache, weil ja die Mönchsregeln die Vernichtung von Gras- und Pflanzenbewuchs verbieten.21 So muss er eine andere Person, einen Nichtmönch, mit dieser Arbeit betrauen. Er darf diesen aber nicht direkt darum bitten, sondern nur andeuten: "Der Platz um meine Hütte herum müsste gesäubert werden." Nicht immer versteht der Angesprochene, was gemeint ist, und dann muss sich der Mönch an eine andere Person wenden. Tut er diese Arbeit selbst oder spricht er den Hilfswilligen direkt an: "Mäh' mir mal den Platz", so ist dies ein Pācittiya, ein Verstoß, der eine Sühne nach sich zieht, aber ansonsten keine schweren Folgen hat. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Mönch für irgend einen Verstoß der Pācittiya-Klasse bestraft worden wäre.

Wie geht nun das Bekennen von Verstößen vor sich? An Voll- und Neumondtagen treffen sich die Mönche eines Klosters in der Versammlungshalle oder einem speziell für Ordenshandlungen vorgesehenen, abgegrenzten Platz und bekennen einer dem anderen ihre Verstöße, jeweils zu zweit, auf dem Boden hockend, und mit zusammengefalteten Händen. Ist jemand frei von Verstößen, so sagt er dies einfach, nimmt aber seinem Mitmönch das Āpattidesanā genannte Bekenntnis von Verstößen ab.22 Nach der Āpattidesanā verliest ein eigens dazu bestimmter Mönch, der eine gute Stimme besitzt, den Pātimokkha genannten Kodex der 227 Mönchsregeln. Nach dem Verlesen jeder Regel fordert er die Mönche auf zu sprechen, falls jemand den betreffenden Verstoß begangen haben sollte.23 Das bewusste Verschweigen von Verstößen kommt einer Lüge gleich. Dazu heißt es, dass demjenigen Mönch, der auch nur den kleinsten Verstoß bewusst verschweigt, die Hölle gewiss sei.24 Infolge dessen geraten die Mönche unter Gewissensdruck. Wer aber gewissenhaft die Regeln einhält, ist frei von Angst und erlebt eine innere Gehobenheit, die einem Gefühl der Reinheit entspringt.

Zur Lebenszucht eines Mönches gehören außer dem Befolgen der Mönchsregeln auch die Bewachung der Sinnestore, rechtmäßiger Lebensunterhalt und bewusster Umgang mit seinen vier Bedarfsgegenständen: Nahrung, Gewand, Medizin und Lagerstätte25. Bewachung der Sinnestore heißt, dass er nicht achtlos alle möglichen Sinneneindrücke in seine fünf Sinne einströmen lässt und von ihnen hin- und hergerissen wird.26 Rechtmäßiger Lebensunterhalt bedeutet, dass er das zum Leben Notwendige nur auf eine dem Mönch erlaubte Art und Weise erwirbt und sich zu keiner Erwerbstätigkeit verleiten lässt. Mit Nahrung, Gewändern, Medizin und Wohnstatt soll er achtsam umgehen und sich ständig vor Augen halten, dass sie nur dazu da sind, ihn vor Hunger, Kälte, Krankheit, Witterungseinflüssen und Ungeziefer zu schützen.27 Lebt er auf diese Weise, empfindet er im Inneren ein untadeliges Glück; er fühlt sich frei und sicher. Eine solche Lebensweise bildet eine solide Grundlage auch für den meditativen Fortschritt.

Gefährlich wird es, wenn ein Mönch nach langem Aufenthalt im Osten in den Westen zurückkehrt und in der westlichen Welt leben muss. Ein in England lebender burmesischer Mönch sagte dazu: "Wenn du im Westen leben und Vinaya streng befolgen willst, kannst du dich nicht bewegen." Es stimmt.28 Man muss Abstriche machen, kann aber trotzdem die große Linie des mönchischen Lebens beibehalten. Der Mönch, von dem ich rede, war ein geachteter Mann, ei einwandfreier Charakter und ein großer und warmherziger Lehrer. Er leitete mehrere Klöster, die er oft aufsuchte. Er wurde zu vielen internationalen Konferenzen eingeladen, und es ist unwahrscheinlich, dass er dabei kein Geld benutzte29. Er fuhr sogar einen Wagen30, der jedoch nicht ihm selbst gehörte, sondern dem Saṅgha 31. Sollte man sich in dieser Funktion pedantisch an all die kleinen, aus dem alten Indien stammenden Mönchsregeln halten, würde man sich wie in einem Korsett bewegen, das überall drückt und zwackt.

Dazu möchte ich einiges aus meinem Leben berichten. Ich hatte das große Glück, einen Englisch sprechenden Lehrer von hohem Format zu finden. Es war in Burma, heute Myanmar. Der Kampf mit den Lebensumständen wie z.B. mit dem Klima, unzuträglicher Nahrung und angegriffener Gesundheit blieb mir natürlich nicht erspart, und der geistige Austausch mit den fast ausschließlich Burmesisch sprechenden Mönchen war recht einseitig. An dem trockenen und spröden Wissensstoff biss ich mir oft die Zähne aus, doch es gab auch lichte und erhebende Momente. Wer da glaubt, das Mönchsleben sei ein Taumel von einer Ekstase in die andere, irrt sich. Mit großer Zähigkeit blieb ich jedoch bei der Stange, und was ich mir mit Hilfe meines Lehrers erarbeitet habe, ist und bleibt tragend.

Eines Tages - mittlerweile waren zehn Jahre verstrichen - kam mir doch der Gedanke, dass ein Wechsel nötig sei, um das Erarbeitete auf seine Brauchbarkeit in der modernen Welt zu prüfen, und ich beschloss, nach Deutschland zurückzukehren. Ich landete im Haus der Stille in Roseburg bei Büchen, Schleswig-Holstein. Dort musste ich feststellen, dass die Menschen, mit denen ich zu tun bekam, direkte Antworten auf direkte Fragen wollten und auf hohe Gelehrsamkeit weniger Wert legten. Ich musste mich auf ihre Bedürfnisse umstellen, und das ging nicht ohne eine lebendige, erfahrungsbezogene Umsetzung der Buddhalehre in eine allgemein verständliche Form. Es begann ein Lernprozess, der Jahre dauerte und sich immer mehr auf die Meditation verlagerte.

Bald entstand ein Konflikt zwischen den Forderungen der Mönchsregeln und dem Lebensrhythmus im Haus der Stille, bei dessen Lösung ich ganz auf mich selber gestellt war. Anfangs bestand ich darauf, vor 12 Uhr mein Mittagsmahl zu beenden, wie es die Mönchsregel verlangt. Doch für mich extra zu kochen wäre für das Küchenpersonal eine zu große Belastung gewesen. So willigte ich ein, zur gleichen Zeit zu essen wie die Seminargäste, nämlich nach 12 Uhr. Ich war krankenversichert, rentenversichert und bezog ein Entgelt für persönliche Ausgaben, alles gegen die Mönchsregeln!32 Ich hielt Vorträge und Meditationskurse teils im Haus der Stille, teils in Hamburg und an anderen Orten und leitete eine Studiengruppe. Das bedeutet natürlich, Fahrkarten zu lösen und zu bezahlen. Also benutzte ich Geld, wieder ein Bruch mit den Mönchsregeln. Dies zu vermeiden wäre nur möglich gewesen, wenn mich eine zweite Person ständig begleitet hätte, um die Fahrtkosten zu bezahlen, also Umstandskrämerei und Auslagen auch für die Begleitperson. Diese zusätzliche Belastung wollte ich niemandem zumuten.33

Nach einigen Jahren kehrte ich in den Osten zurück und ließ mich in Sri Lanka in der von Ñāṇatiloka gegründeten Island Hermitage bei Dodanduwa nieder. Ich beschloss, von nun ab ganz streng nach Vinaya zu leben. Bald darauf trat ein dänischer Mönch namens Ñāṇadīpa auf und betätigte sich als Reformer. Wir übrigen Mönche nahmen seine Bestrebungen willig auf. Er setzte durch, dass von nun an die Āpattidesanā nicht mehr nach der traditionellen Formel "Ich bekenne alle meine Verstöße ..." durchgeführt wurde, wie z.B.: "Ich habe eine Zigarette geraucht, und das ist ein Pācittiya, ein zu sühnender Verstoß."34 In der Rückschau auf die vergangenen Jahre in Deutschland fielen mir längst vergessene Verstöße wieder ein. Hatte ich nicht den Pflanzenwuchs um meine Hütte herum jahrelang wachsen lassen? Hatte ich nicht eine etwas verrückte Frau mit leicht anzüglichen Bemerkungen wegen ihrer Beziehungsprobleme durch den Kakao gezogen? Alles Saṅghādisesā!35 Weil diese Verstöße jahrelang zurücklagen und ich nicht mehr genau wusste, wann ich sie begangen hatte, habe ich sie wohl den Mitmönchen mitgeteilt, aber nicht durch die vorgeschriebene Saṅghādisesa-Prozedur bereinigt. Ich will gar nicht erwähnen, was mir sonst noch alles in den Sinn kam. Die Mühle der Selbstbezichtigung lief auf Hochtouren, und ich beschloss, aus dem Saṅgha auszutreten, dem ein Ende zu setzen. Ñāṇapoṇika, mein wichtigster Berater, beschwor mich fast, um solcher "Lappalien" willen nur ja nicht aus dem Orden auszutreten. Aber am Ende tat ich es doch, weil ich mich wie ein Verbrecher fühlte und es vorzog, Laienanhänger zu sein, statt ein Mönch mit unlösbaren Problemen.

So lobenswert und wichtig strenges Befolgen der Vinaya-Regeln auch sein mag, besteht doch die Gefahr, dass man bei zu großer pedantischer Strenge die Distanz verliert und Vinaya den Geist einengt. Die Empfänglichkeit für die inspirierende Kraft des Dhamma stumpft ab. Das schlechte Gewissen lauert ständig im Hintergrund, denn es heißt ja, dass ein Mönch, der auch den kleinsten Verstoß verschwiegen hat, zur Hölle wandern wird. Reifere, ältere Mönche stehen dem mit einer gewissen Gelassenheit gegenüber. Sie wissen, was heilsam oder unheilsam ist, und daran halten sie sich und leben frei von Furcht, weil ihnen die nächste Āpattidesanā ja Gelegenheit gibt, Verstöße zu bekennen. Ihnen wird es nicht passieren, dass sie nachts nicht schlafen können, weil sie im Laufe des Tages unachtsamerweise in ein Reisfeld gespuckt haben.36 Dagegen machen sich andere Mönche kein schlechtes Gewissen daraus, wenn sie hin und wieder eine Zigarre rauchen oder Betel kauen.37 Es gibt zwar keine Regel, die das Betelkauen verbieten, aber es entspringt der Gier und ist darum zu unterlassen.

Das Beste ist, der Mönchsanwärter studiert, solange er noch Novize (Sāmaṇera) ist, die vier Pārājika-Regeln und die 13 Saṅghādisesa-Regeln samt Kommentar mit äußerster Sorgfalt, um sich vor Fehltritten zu bewahren, die ihm als Bruch dieser Regeln ausgelegt werden könnten. Kennt er auch die übrigen Regeln gut genug, wird er sie mit Achtsamkeit zu befolgen wissen. So verfällt er nicht in Angst und schlechtes Gewissen, er fühlt sich frei und ist in der Lage, auf Grund seines fehlerlosen Verhaltens (sīla) Sammlung (samādhi) und Weisheit (paññā) bis zur befreienden Erkenntnis zu entwickeln.

Anagārika Kassapa


 

Fußnoten:

1 Hier meint Kassapa die Vollordination zum Bhikkhu - wie er sich sowieso in diesem Aufsatz auf einen solchen bezieht. [zurück]
2 wtl.: "zu Fall gekommen" [zurück]
3 Laut Arthashastra mit wenigstens 12 bis 100 paṇa (für geringerwertiges). [zurück]
4 Laut Arthashastra waren 1,25 paṇa pro Monat ein ausreichender Mindestlohn für eine Person. Rechnet man das auf den heutigen Mindestlohn um, ergäbe sich das Limit für ein Pārājika-Vergehen bei wenigstens 600 Euro wenn man einen monatlichen Mindestlohn von 750 Euro zugrunde legt. Im Pātimokkha steht aber: "Welcher Mönch auch immer aus dem Dorfe oder aus dem Walde, etwas Nichtgegebenes nimmt, mit der Absicht es zu stehlen, und dieses Gestohlene wäre von solchem Wert, dass die Regierungsgewalten einen Räuber verhaften und ihn entweder prügeln, fesseln oder verbannen würden: 'Du bist ein Räuber, du bist ein Tor, du bist ein Idiot, du bist ein Dieb!'"
Die Auslegung im Text findet sich nicht im Regelwerk, sondern in einem späteren Kommentar.
[zurück]
5 Diese Auslegung findet sich nicht im Regelwerk, sondern in einem späteren Kommentarwerk. [zurück]
6 Nein, das ist ein Nissaggiya-Pācittiya Vergehen, d.h. Aushändigung und Sühne. [zurück]
7 Kassapa meint hier Aushändigung, lässt aber Sühne weg. [zurück]
8 Das ist nicht korrekt, er muss das Geld beseitigen also im wahrsten Sinne des Wortes "entsorgen". [zurück]
9 Man darf sie nicht als persönlichen Besitz haben. [zurück]
10 Die Verstöße gegen die kleinen und kleinsten Vorschriften müssen nur gestanden werden. [zurück]
11 Das ist "nur" ein Dubbhāsita-Vergehen (üble Rede), was erst bei mehrmaligem Vorkommen und nach dreimaliger Ermahnung zum Saṅghādisesa wird. [zurück]
12 Hier meint Kassapa das Vergehen "Festhalten an falscher Ansicht". [zurück]
13 wtl.: "getrenntleben", eine Art Suspendierung [zurück]
14 Sofern er außerhalb des buddhistischen Kernlandes (Nord-Indien) lebt, sonst 20 Mönche. [zurück]
15 Nächte! [zurück]
16 wtl.: "Ehrerbietung" [zurück]
17 d.h. auch außerhalb Nordindiens müssen sich 20 Mönche zusammenfinden, um zu rehabilitieren - das macht ein Saṅghādisesa z.B. in Deutschland zu einer internationalen Affäre, da es hierzulande keine 20 Bhikkhū gibt. Zumal alle 20 frei von jeglicher Verfehlung, d.h. "rein" zu sein haben. [zurück]
18 Dem ist nicht so, denn es gibt ein Maximum an Parivāsa, egal welches oder wie viele Vergehen man wann auch immer begangen hat. [zurück]
19 Saṅghādisesa 7 besagt: "Ein Mönch, der eine große Wohnstätte durch Besitzer für sich selbst bauen lässt, soll Mönche zur Festlegung des Bauplatzes dorthin bringen. Diese Mönche sollen einen Bauplatz festlegen, der ohne Störungen ist und einen Gang rundherum hat. Wenn sich ein Mönch an einem Bauplatz, der nicht ohne Störungen ist und keinen Gang rundherum hat, eine große Wohnstätte bauen lässt, oder wenn er keine Mönche zur Festlegung des Bauplatzes dorthin bringt, begeht er ein Vergehen, welches das anfängliche und folgende Zusammentreten des Ordens erforderlich macht." [zurück]
20 Das stimmt keinesfalls. Laut Pātimokkha muss das nicht einmal gestanden werden. Sicherlich ist das ein Missverständnis bzw. eine falsche Auslegung eines Aspektes von Saṅghādisesa 7 (... und einen Gang rundherum hat). [zurück]
21 = Pācittiya 10: "Welcher Mönch auch immer in der Erde gräbt oder graben lässt, muss dafür sühnen." Pācittiya 11: "Beschädigung von Pflanzen, muss gesühnt werden." [zurück]
22 Eine nicht rechtmäßige Handlung, denn wenn ein Mönch "rein" ist, dann ist diese Handlung unsinnig. Man hat dieses "Pauschalgeständnis" eingeführt, um eventuell und/oder unbewusst begangene Verstöße zu tilgen. [zurück]
23 Der Pātimokkha soll rezitiert werden - nicht "nur" vorgelesen. Und nicht der Vortragende fordert die Mitbrüder auf, sondern im Text sind die entsprechenden Aufforderungs-Passagen enthalten. [zurück]
24 Das ist reine Erfindung. Im Pātimokkha steht: "Welcher Mönch auch immer, während es bis zu drei Mal ausgerufen wird, sich an ein vorliegendes Vergehen erinnert, und es nicht offenbart, begeht eine bewusste Lüge. Ehrwürdige, eine bewusste Lüge wurde vom Erhabenen als behindernder Umstand bezeichnet." Im Mahāvagga (§ 135) wird erklärt, was das ist: "Wofür ein behindernder Faktor? Er behindert die Erlangung der ersten Vertiefung, er behindert die Erlangung der zweiten Vertiefung, er behindert die Erlangung der dritten Vertiefung, er behindert die Erlangung der vierten Vertiefung. Er behindert die Erlangung der [höheren] Vertiefungen, der Befreiung, Konzentration, Erreichungen, Abwendungen, Erlösungen, Zurückgezogenheit und der heilsamen Dinge." [zurück]
25 Unterkunft ist richtig. [zurück]
26 Es fehlt der sechste Sinn, das Denken. [zurück]
27 paccavekkhanā Die Betrachtungen/Reflektionen über die Grunderfordernisse [zurück]
28 nicht! Zumindest nicht, wenn man in einem gesunden Umfeld von Unterstützern lebt. Allein lebend, ist es allerdings scheinbar unmöglich. [zurück]
29 Nissaggiya-Pācittiya 18 und 19 [zurück]
30 Laut Mahāvagga § 253 ist die Benutzung von Wagen nicht erlaubt. [zurück]
31 Da die Benutzung von Fahrzeugen nicht erlaubt ist, kann der Saṅgha logischerweise auch nicht Eigentümer davon sein. [zurück]
32 Eine Kranken- bzw. Rentenversicherung ist kein Verstoß. [zurück]
33 Es wäre sicherlich möglich gewesen, die Fahrscheine bereits im Vorfeld zu beschaffen. [zurück]
34 Das Rauchen ist ein SEHR heikles Thema. Im Regelwerk steht kein solches Verbot. Aber da es gesundheitsschädlich ist, oftmals eine Sucht, eine Art von Sinnesbegehren, daher steht es nicht im Einklang mit dem Mönchsideal und ist abzulehnen. Dies als ein Pācittiya zu deklarieren ist definitiv falsch. [zurück]
35 Das stimmt nicht! Um die Wohnstätte herum einen Platz nicht freizuhalten von Bewuchs ist kein Saṅghādisesa, sondern eine Klostereigene Konvention. Eine Frau mit anzüglichen Worten anzusprechen (es ist anzunehmen, dass Kassapa dies nicht tat um mit ihr zu verkehren) ist ein Dubbhāsita-Vergehen, also "nur" üble Rede. [zurück]
36 Das wäre ein Verstoß gegen Sekhiya Nr. 74 bzw. 75, vorausgesetzt es geschah mit Absicht. [zurück]
37 was ja auch kein Vergehen laut Vinaya ist [zurück]

 

 

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